Parlamentarisch steht diese Woche ganz im Zeichen der Budgetdebatte 2023 – 2026. Wenig verwunderlich ist der schwarz-türkise Budgetentwurf überwiegend der Profitsicherung verpflichtet, trägt mit seiner Senkung der Steuern auf Unternehmensgewinne (KöSt) sowie Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge (Soziallohnbestandteile) fürs Kapital (Senkung UV- und FLAF-Beiträge, IESG-Senkung) zu einer weiteren Umverteilung von unten nach oben bei und mangelt es ihm neben einer sozialen auch weitgehend der nötigen ökologischen Handschrift. Während die Gewinnsteuer für Industrie, große Handelsketten bzw. -Unternehmen, sowie Banken und Versicherungen abgeschmolzen und die Vermögen trotz Rekordteuerung zur Finanzierung des Fiskus unangetastet bleiben (nicht nur keine Vermögens- bzw. Erbschaftssteuern, noch nicht einmal eine Übergewinnsteuer auf die milliardenschweren „Übergewinne“ der Energiewirtschaft und anderer Kriegs- und Krisenprofiteure), bilden die Beschäftigten und einfachen Menschen die Goldesel und Melkkühe der Nation. Die dem Kapital zugeschanzten Steuergeschenke sowie auch Entlastungen der Spitzenverdiener reißen zudem ein Loch ins Budget (da die absoluten Einnahmen nur inflationsbedingt leicht steigen, im Aufkommensverhältnis aber sinken). Einen Energiepreisdeckel und nachhaltige Anti-Teuerungs-Maßnahmen sucht man dagegen ebenso vergebens, wie auch das soziale Netz – teils weit – unter der Armutsgefährdungsschwelle bleibt. Dafür zahlen Konzerne ab 2023 dagegen weniger Steuern und Abgaben und Spitzenverdiener deutlich weniger Steuerbeträge, wie auch Sophie Achleitner, Mattias Muckenhuber und Tamara Premrov in ihrer Budgetanalyse auf A&W-Blog nachzeichnen.
Im neuen Bundesbudget kommt vor allem eines zu kurz: eine soziale Handschrift. Auf die multiplen Krisen wird zwar neuerlich mit deutlich höheren Ausgaben reagiert, insbesondere Bezieher:innen niedriger Einkommen werden aber nach Auslaufen der Einmalmaßnahmen mit realen Verlusten allein gelassen. Auf mittelfristige Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt oder im Bildungsbereich wird nur ungenügend reagiert und auf eine gerechte Gegenfinanzierung durch eine Übergewinnsteuer oder vermögensbezogene Steuern verzichtet. Der Ausbau des Sozialstaates müsste Priorität haben.
Dem Budget 2023 fehlt die soziale Handschrift: Auf Geringverdienende kommen nach Auslaufen der Einmalzahlungen reale Einkommensverluste zu. Auf eine gerechte Gegenfinanzierung durch eine Übergewinnsteuer wird verzichtet, und mit der Körperschaftsteuersenkung gibt es ein Steuergeschenk für große Unternehmen obendrauf, obwohl der Ausbau des Sozialstaats Priorität haben müsste.
Höhere Ausgaben ohne Gegenfinanzierung
Die Covid-19-Krise, der Ukraine-Krieg, die Energie- und Teuerungskrise und die Klimakrise prägen den Entwurf des Bundesvoranschlag 2023 und den dazugehörigen Finanzrahmen bis 2026: Gesundheit, innere und äußere Sicherheit sowie der Klimaschutz sind entsprechende Schwerpunkte auf der Ausgabenseite, die allerdings von den Anti-Teuerungs-Maßnahmen in den Schatten gestellt werden: In Summe sind 4,2 Mrd. Euro plus 4 Mrd. Euro an Ermächtigungen für zusätzliche Zahlungen für Strom- und Energiekostenzuschüsse für 2023 vorgesehen.
Damit setzt die österreichische Budgetpolitik ihren expansiven Kurs fort. Zusätzliche Finanzierungsmaßnahmen bleiben weiter außen vor, vielmehr wird am Steuergeschenk für Unternehmen mit der KöSt-Senkung festgehalten. Der Defizitpfad wird folglich neuerlich nach oben korrigiert – trotz der regelmäßigen Lippenbekenntnisse des Finanzministers zu eiserner Budgetdisziplin.
Beim aktuellen Defizitpfad sind spätestens 2024 aufgrund der nationalen wie europäischen Fiskalregeln Konsolidierungsmaßnahmen vorprogrammiert. Erst dann wird sich zeigen, wer die vorerst ungedeckte Rechnung für Aufrüstung, Teuerungs- und Energiekrise etc. zahlen wird.
Nachhaltige Anti-Teuerungs-Maßnahmen fehlen
Besonders zur Abfederung der Teuerungs- und Energiekrise wird viel Geld in die Hand genommen. Die Regierung setzt vor allem auf einkommenserhaltende und weniger auf preissenkende Maßnahmen. Dabei würden ordnungspolitische Eingriffe – etwa in die Aussetzung der ungerechtfertigten Preisbildung am Strommarkt – die Krisenursachen nachhaltig an der Wurzel bekämpfen und die Kosten für die Allgemeinheit gering halten. Haushalte werden vorrangig durch die Abgeltung der kalten Progression, die Valorisierung der Sozialleistungen und die Strompreisbremse entlastet. Weitere Maßnahmen gegen die Teuerung – wie etwa ein von der AK vorgeschlagener Preisdeckel für Gas und Fernwärme – fehlen. Insgesamt fehlt es insbesondere an nachhaltiger Unterstützung für Menschen mit geringen Einkommen, die vom hoch bleibenden Preisniveau am stärksten betroffen sind.
Finanziell kommt für die Krisenbekämpfung die Allgemeinheit auf. Gerechter wäre es, diese Ausgaben durch Einnahmen aus einer Übergewinnsteuer zu finanzieren, zu der jene Unternehmen des Energiesektors, die in der aktuellen Krise Rekordgewinne einfahren, beitragen. Auch die Körperschaftsteuersenkung ist ein dauerhaftes, in der derzeitigen Lage ungerechtfertigtes Geschenk an wenige sehr große Unternehmen, die ohnehin gut durch die Krisen gekommen sind.
Beschäftigung durch Qualifizierung & Vermittlung fördern, Arbeitslose besser absichern
Obwohl die Arbeitslosigkeit aufgrund der Wirtschaftseintrübung steigen wird, sind im Budget keine zusätzlichen Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik vorgesehen. Viele wichtige Maßnahmen – wie Qualifizierungsprogramme und Programme für Langzeitarbeitslosigkeit – laufen aus und werden nur in ersterem Fall zum Teil durch neue Programme ersetzt. Zudem werden 250 Planstellen des AMS-Personals abgebaut. Antworten auf den steigenden Fachkräftebedarf finden sich im Budget kaum. Wichtig wäre es, Mittel für Qualifizierungsmaßnahmen zu erhöhen, das Betreuungsverhältnis zwischen Arbeitslosen und AMS-Betreuer:innen zu verbessern sowie ein öffentliches Jobprogramm für Langzeitarbeitslose zu schaffen. Darüber hinaus muss das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent der vorangegangenen Nettoeinkommen angehoben werden, um das Auskommen mit diesen Versicherungsleistungen zu erhöhen.
Armutsbekämpfung zu wenig ambitioniert
Abermals trägt das Budget nur wenig zur Armutsreduktion in Österreich bei. Dabei fehlt vor allem ein Schwerpunkt zur Abschaffung von Kinderarmut. Die geplanten Maßnahmen sind überschaubar. Mittel für Projekte zur Armutsbekämpfung (25 Mio. Euro), zur Aufstockung im Bereich der psychosozialen Betreuung von Kindern und die Weiterführung des Förderstundenpakets für Schüler:innen sind zwar begrüßenswert, werden dem gestiegenen Bedarf allerdings nicht gerecht.
Dringend erforderlich wäre eine Anhebung der Sozialleistungen, allen voran der Sozialhilfe, des Ausgleichszulagenrichtsatzes und des Unterhaltsabsetzbetrags auf ein armutsfestes Niveau. Dies muss jedoch auch mit einem Ausbau der Sachleistungen – allen voran mit dem Ausbau der Kinderbetreuungsplätze – einhergehen. Die akute Energiearmut wird zwar mit der Senkung der Netzgebühr für GIS-befreite Haushalte – und dem allgemeinen Stromkostenzuschuss – gelindert, allerdings nicht ausreichend, um sie zu beseitigen.
Bildung: Adäquate Finanzierung vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung sicherstellen
Im Bildungsbereich braucht es strukturelle Verbesserungen und ein angemessenes Finanzierungskonzept vom Kindergarten bis hin zur Erwachsenenbildung. Die wiederholt geforderte „Kindergartenmilliarde“ für den Ausbau der Kindergärten, wie auch die angekündigte Ausbildungsoffensive für Elementarpädagogik finden keinen Niederschlag im Budget.
Im Schulwesen sollten Schwerpunkte auf die Verbesserung der Chancengleichheit gesetzt werden, die die pandemiebedingten Lernrückstände und dadurch entstandenen Bildungsungleichheiten adressieren – wie etwa die Umsetzung einer flächendeckenden, gerechten und transparenten Schulfinanzierung nach dem AK-Chancen-Index und eine ausfinanzierte Weiterführung des „100 Schulen“-Projekts. Diese wie auch ein Konzept zum Ausbau der Ganztagesbetreuung sucht man im Budgetentwurf vergeblich. Die Anti-Teuerungs-Maßnahmen greifen bei Schulkindern mit sozialer Benachteiligung zu kurz und langfristige Investitionen, wie jene in die Digitalisierung im Bildungsbereich und in die Aus- und Weiterbildung von Pädagog:innen vor dem Hintergrund des drastischen Personalbedarfs an Schulen, bleiben aus.
Die inflationsadäquate Anpassung der Finanzierungszusagen für Universitäten und Fachhochschulen fehlt. Auch dem Bereich lebenslanges Lernen fehlen Mittel, insbesondere für die Erwachsenenbildung (Nachholen von Bildungsabschlüssen).
Gesundheit und Pflege: langfristige Personaloffensive notwendig
Das beschlossene Maßnahmenpaket im Bereich der Pflegeausbildungen und ein Entgeltzuschuss („Pflegereform“) kommen zu einem Zeitpunkt, an dem der Pflegenotstand bereits deutlich spürbar ist. Die Maßnahmen sind zwar ein wichtiger erster Schritt, allerdings werden diese kaum ausreichen, um die dringend notwendigen Verbesserungen im Bereich der Ausbildung, Arbeitsbedingungen und Systemgestaltung zu erreichen.
Die großen Herausforderungen im Gesundheitsbereich werden im Budget nur am Rande adressiert. Vor allem im Bereich der psychischen Gesundheit und chronischer Krankheiten gibt es deutliche Versorgungsmängel. Auch die bestehende Mehr-Klassen-Medizin muss endlich abgeschafft und Vereinheitlichungen bei Finanzierung und Leistungsansprüchen hergestellt werden.
Frauen- und Gleichstellungpolitik dürfen nicht zu kurz kommen!
Die Covid-19-Pandemie führte zu einer Retraditionalisierung von Rollenbildern und Rückschritten bei der Gleichstellung von Frauen und Männern – ein umfassendes Gleichstellungspaket fehlt jedoch ebenso in diesem Budget wie ambitionierte frauenspezifische und gleichstellungspolitische Ziele. Frauenpolitik wird einmal mehr auf Gewaltschutz reduziert – für den aber bei Weitem nicht die Mittel bereitgestellt werden, die zur Erfüllung der Empfehlungen der Istanbul-Konvention notwendig wären.
Eine Übersicht über alle frauenpolitischen Maßnahmen im Budget, die über den Gewaltschutz hinausgehen, bleibt neuerlich aus. Ebenso fehlt eine gleichstellungspolitische Bewertung der neuen Maßnahmen, wie es im Zuge der Haushaltsrechtsreform durch umfassendes Gender Budgeting in Aussicht gestellt wurde. Die Schließung des nach wie vor hohen Gender-Pay-Gaps, die gerechte Verteilung der unbezahlten Arbeit, die Veränderung geschlechtsspezifischer Rollenbilder sowie die geschlechtsspezifischen Auswirkungen der multiplen Krisen bleiben drängende Themen der Frauenpolitik in Österreich, die im Budget keine adäquate Abbildung finden.
Fazit
Dem Budget 2023 fehlt eine deutliche soziale Handschrift, ein Bekenntnis zur aktiven Gestaltung der Herausforderungen am Arbeitsmarkt und im Bildungsbereich sowie der Wille zu einer soliden Gegenfinanzierung der notwendigen Mittel. Um all dies zu beachten, wären folgende Maßnahmen notwendig:
- Beschäftigungspolitik: Zur Deckung des Fachkräftebedarfs sind größere, nachhaltigere Qualifizierungsoffensiven und eine bessere Budget- und Personalausstattung des AMS erforderlich.
- Bildungsbereich: Strukturelle Verbesserungen braucht es bei Chancengleichheit und dem Ausbau von Kindergärten und Ganztagsbetreuung.
- Ausbau des Sozialstaates: Sozial- und Versicherungsleistungen müssen besser vor Armut schützen. Leistungen wie die Gesundheits- und Pflegeversorgung müssen ausgebaut und verbessert werden.
- Finanzierung des Sozialstaats sichern: Das Einnahmenpotenzial von Übergewinnsteuer, Vermögens- und Erbschaftsteuer sowie dem Schließen der Steuerlücken sollte genutzt werden.