Zur besonderen Qualität des ArbeiterInnenwiderstands

Anlässlich der Gedenk- und Befreiungsfeier des KZ Mauthausen: Zur besonderen Qualität des ArbeiterInnenwiderstands und dessen Anteil an der Niederringung des Faschismus in Europa

Die heurige Gedenk- und Befreiungsfeier anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen findet unter dem Motto „Politischer Widerstand“ statt. Zu Recht. Gleichzeitig wirft dieses Motto neben der Vielgestaltigkeit des politischen Widerstands und seines Anteils an der Niederringung des Faschismus zugleich die Frage nach der besonderen Qualität des ArbeiterInnenwiderstands auf.

Um sich diesem Fragekomplex zu nähern, gilt es sich mit dem Historiker und Faschismusforscher Reinhard Kühnl (zumindest) drei präzise Fragen zu stellen:

„1. Wann setzte der Widerstand ein? Setzte er 1933 ein, als das Terrorsystem errichtet wurde – oder vielleicht erst 1943, als die militärische Niederlage absehbar war? Im zweiten Fall können [Anm. zumindest in vielen Fällen] Elemente von Opportunismus ja wohl nicht übersehen werden.

2. Waren die Aktivitäten prinzipiell gegen das System gerichtet, gegen seinen Terror und seinen Krieg, oder vielleicht nur gegen die eine oder andere Einzelmaßnahme – bei Billigung des Systems als Ganzen? Zielten die Aktivitäten auf Schädigung und Sturz des Regimes oder womöglich auf seine Effektivierung, zum Beispiel im Sinne sachgemäßerer Kriegführung, wie sie von manchen Generälen von Hitler verlangt wurde? Im zweiten Fall kann von Widerstand ja wohl nicht die Rede sein.

3. Und was sollte an die Stelle der faschistischen Diktatur treten? Ein demokratischer, gegenüber den Nachtbarvölkern friedlicher Staat – oder vielleicht ein anderer autoritär-militaristischer Staat, der womöglich den Krieg weiterführen und möglichst viele Eroberungen behalten wollte? Im zweiten Fall handelt es sich ja wohl eher um Varianten innerhalb des deutschen Imperialismus, aber gewiss nicht um antifaschistischen Widerstand.“

Differenzierungen im Widerstand

Stellt man sich diese Fragen, wird schnell klar, dass der Widerstand der kommunistischen und ArbeiterInnenbewegung von anderer Qualität war als der demgegenüber gewöhnlich breit dargestellte Widerstand, der etwa wie der 20. Juli 1944 aus den bürokratischen und militärischen Führungsschichten kam. Entsprechend widersprüchlich waren denn auch die Vorstellungen, Beweggründe und Zielsetzungen innerhalb der Stauffenberg-Gruppe, ohne damit irgendwie deren historische Bedeutung in Abrede stellen zu wollen oder den tiefen Unterschied Stauffenbergs (oder auch Helmut Stieffs, in ihrer moralischen Empörung stärker der christlich-humanistischen Motivlage Hans und Sophie Scholls „Weißer Rose“ vergleichbar) von der mit ihm verzahnten Beck-Goerdeler-Richtung (bis zu Graf Helldorf, Arthur Nebe oder Generaloberst Erich Hoepner) zu übersehen – ganz im Gegensatz zum diesem gegenüber eindeutigen, bis heute indes in dessen Schatten stehenden, gescheiterten Attentatsversuch auf Hitler durch den Arbeiter Georg Elser am 9. November 1939. Und selbst Stauffenbergs Mitverschwörer aus der Sozialdemokratie und der Gewerkschaftsbewegung, Julius Leber und Wilhelm Leuschner, und deren tiefgreifende für sie als aufgrund der Erfahrungen unabdingbare gesellschaftlichen Reformvorstellung und Plädoyer auch den kommunistischen Widerstand zu kontaktieren und mit einzubeziehen, fristen gegenüber einem Admiral Canaris ein Schattendasein in der Darstellung und Bewertung des Widerstands. [Anm./Nachtrag: Was die Unabhängigkeit Österreichs betraf, aber das ist nicht eigentlich Gegenstand des vorliegenden Beitrags, vertrat auch Leuschner die Konzeption Goerdelers, Österreich als Teil Deutschlands zu behalten und kontaktierte dazu auch Adolf Schärf, der dieser imperialistischen Konzeption allerdings eine Absage erteilte.]

Dasselbe gilt auch für Darstellungen des Widerstands aus seinen österreichischen Reihen. Während das antifaschistische Symbol O5 zumindest noch einem breiteren Kreis vage bekannt ist, wem im Land sind demgegenüber heute noch die antifaschistischen Widerstands- und Kampfstationen sowie Zukunftsvorstellungen beispielsweise Franz Honners bekannt? (Ab April 1945 bis Dezember immerhin auch Staatssekretär der Provisorischen Regierung und bis 1959 Nationalratsabgeordneter der KPÖ). All das soll freilich mitnichten einer sektiererischen Verengung des politischen und antifaschistischen Widerstands das Wort reden (obschon für bestimmte Positionen und Proponenten eher der Begriff der Hitler-Gegnerschaft als des Antifaschismus richtiger wäre), aber doch die unterschiedlichen jeweiligen spezifische Charakteristika zumindest antönen und auf Verzerrungen aufmerksam machen – eine freilich ebenso alte wie intensive Debatte, der sich u.a. auch der Historiker und Faschismusforscher Kurt Gossweiler sehr luzid und instruktiv gewidmet hat.

Der eigenständig-besondere Charakter des ArbeiterInnenwiderstands

Viel weniger präsent im gesellschaftlichen Bewusstsein und kollektiven Gedächtnis ist denn auch der vielschichtige KZ-Widerstand in den Konzentrations- und Vernichtungslagern. Und nicht zuletzt ebenso der vielgestaltige und mit den verschiedensten Mitteln geführte ArbeiterInnenwiderstand: vom breiten Arbeitsbummel, der Geldspende, der Nichtbefolgung faschistischer Anordnungen, der Herstellung und Verbreitung illegalen Materials, über Sabotageakte in der Produktion und im Verkehrswesen, des illegalen gewerkschaftlichen Kampfs, bis zum bewaffneten Kampf, gipfelnd im organisierten Partisanenwiderstand. Letzter lässt sich in seiner zahlenmäßigen Dimension aus mehrerlei Gründen (schon vom Charakter dieses Kampfes, der unterschiedliche Grade der Forschung in einzelnen Ländern, …) nur annähernd genau angeben. Die historische Forschung geht aber davon aus, dass etwa 4,5 bis 5 Millionen PartisanInnen in den okkupierten Ländern Europas gegen die faschistischen Truppen und Barbarei kämpften und (wenn auch quer durch die Länder divergierenden) bedeutenden Anteil an der Niederringung des Nazi-Faschismus und Faschismus in Europa insgesamt hatten.

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