Zum Jahrestag des verheerenden NATO-Kriegs gegen Libyen – oder: warum Gaddafi sterben musste – Teil I

Angesichts des in den westlich-metropolitanen Kernländern grassierenden Bellizismus, des unsäglichen „Zeitenwende“-Narrativs und der beinahe kollektiven Amnesie, haben wir schon letztes Jahr am Jahrestag des fast vergessenen NATO-Krieg gegen Libyen an diesen erinnert. Am Tag genau morgen vor 12 Jahren startete der mehr als sieben Monate, bis 31. Oktober 2011, dauernde völkerrechtswidrige Angriffskrieg der NATO auf Libyen.

Beendet erst mit dem Tod Muammar al-Gaddafis wurde das einst höchstentwickelte Land Afrikas in einen „failed state“ zurückgebombt und versank im Bürgerkrieg. Übrig blieb eine breitflächige Zerstörung des Landes und der Staatlichkeit, Schutt und Asche, zehntausende Tote, Gewalt und Chaos. Einzig die Ölförderung, unabhängig wer gerade am militärischen Drücker sitzt, blieb intakt. Am Montag wiederum jährt sich der noch desaströsere Irak-Krieg unterm Sternenbanner zum 20 Mal. Kommenden Freitag dann bereits der NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999, der erste Krieg in Europa seit 1945. Vor diesem Hintergrund rufen wir in einer nochmals etwas erweiterten, dafür zweiteiligen Fassung, den westlichen Kriegsgang gegen Tripolis, seine Hintergründe, dreisten Lügengespinste und zahlreiche vielfach der Vergessenheit anheimgefallene Aspekte in Erinnerung.

Die großangelegte Lügen- und Propagandakampagne des „Kollektiven Westens“ – Krieg statt bereitstehender Vermittlungsmissionen

Dem von Frankreich, Großbritannien und den USA angeführten Luft- und Bombenkrieg vorangegangen war eine ebenso dreiste wie großangelegte Lügen- und Propagandakampagne, wild erfundene Gräuelberichte und Fake-News. Die von Russland und China geforderte Entsendung einer Untersuchungskommission wurde von Washington, Paris, London, Brüssel und Berlin ebenso brüsk zurückgewiesen, wie die beiden zur Reise nach Tripolis bereitstehenden Vermittlungsmissionen zur raschen Beendigung aller Kämpfe und friedlichen Regelung aller Streitfragen und Konflikte. Der Initiative Venezuelas unter Hugo Chávez und weiterer Staaten wurde nicht minder harsch eine Absage erteilt, wie dem gleichgearteten Vermittlungsversuch der Afrikanischen Union – obwohl das Vermittlungskonzept der AU, samt Verfassungsreform, von Gaddafi bereits akzeptiert wurde. Aber: nichts da. Die Devise Sarkozys, Camerons, Obamas (und insbesondere Hillary Clintons), Barrosos sowie auch Merkels (wenngleich Deutschland im UN-Sicherheitsrat zusammen mit China, Indien, Russland, und Brasilien dem Kriegsgang kein Plazet gab und sich dafür als „verantwortungslos“ schelten lassen musste) war eindeutig: kein Dialog, keine politischen Vermittlungsmissionen – Krieg.

Milliardenfach in der Welt verbreitete Fake-News wider nachweislich besserem Wissens

Die Gräuelberichte, Gaddafi flöge Flächenbombardements gegen die eigene Bevölkerung, habe (auch kein Register mit rassistischem Unterton zu ziehen auslassend) „schwarzafrikanische Söldner“ zum Kampf und zu Massenvergewaltigungen angeheuert und übe schwerste Kriegsverbrechen aus, erwiesen sich auch laut UN-Ermittlungskommission als schlicht falsch. Der ehemalige britische Botschafter in Libyen, Oliver Miles, zweifelte die angeblichen Angriffe der libyschen Luftangriffe denn auch bereits Ende Februar 2011 öffentlich an. Der päpstliche Nuntius in Libyen, Giovanni Innocenzo Martinelli, wiederum – der als einer der wenigen durchgängig im Land weilte –, bestritt die von der westlichen Propagandamaschinerie in die Welt posaunten vermeintlichen Massaker Gaddafis an der Zivilbevölkerung (von deutschen Grünen beiher schon zum „Völkermord in Libyen“ halluziniert) nachdrücklich, berichtete nach Beginn der westlichen Luftangriffe auf Tripolis dafür von den Reihenweise getöteten Zivilisten.Die später ausgewerteten E-Mails Hillary Clintons belegen auch, dass man um den Fake-News-Charakter zahlreicher Behauptungen und Berichte wusste, diese aber wider besseres Wissen als Kriegspropagandamittel unterstützte und gewissenlos nutzte. Die tatsächlich belegten Gräuel und späteren Kriegsverbrechen der unterstützten und zu „Freiheitskämpfern“ umgemünzten Rebellen-Milizen und islamistischen Kampfverbände dagegen kehrte man nach Kräften unter den Tisch.

Gaddafis glücklose Ausgleichsversuche mit dem Westen, „Männerfreundschaften“ und Irrtum vor der UNO 2009: „Wir sind kein Vieh, das man einfach schlachten kann“

Dabei hatte der ehemalige „Revolutionsführer“ Gaddafi schon über ein Jahrzehnt zuvor (1999) mit Washington seinen Frieden gemacht, die Wirtschaft des Landes für ausländisches Kapital geöffnet und seit 2004 – in enger Zusammenarbeit mit FRONTEX – die schäbige Rolle des Türstehers der „Festung Europa“ im Mittelmeer übernommen. Bereits lange vorbei waren die Zeiten in denen unter seiner Führung Offiziere 1969 zunächst den pro-britischen König Idris I. stürzten, am Folgetag die größte US-Luftwaffenbasis außerhalb der USA schließen ließen und Kurs auf einen „arabischen Sozialismus“ einschlugen. Auch der ehemalige „Revolutionsführer“ bekannt sich zwischenzeitlich zum Prinzip der Privatwirtschaft und warb im großen Stil um westliche Investitionen. Daneben war er ein begehrter Abnehmer im Waffengeschäft der westlichen Rüstungsindustrie.

Entsprechend hofierte der Westen den ehemaligen Feind und „Top-Terroristen“ aus Sirte auch mit Pomp als „neuen Freund“. Selbst der Gaddafis Befehl zugeschriebene Bombenanschlag auf ein Flugzeug über Lockerbie 1988 wurde gütlich beigelegt. Ja, zwischen ihm und dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy wurde gar eine unverbrüchliche Männerfreundschaft zelebriert. Nur vier Jahre bevor er unter dessen tatkräftiger Ägide für immer in die Wüste geschickt wurde, residierte der libysche Herrscher noch medienwirksam in seinem folkloristischen Beduinenzelt im Herzen von Paris am Fuße der Champs-Elysees, die extra für den Staatsgast und dessen extravagant gehaltenen Staatsbesuche geräumt wurde. Kurz drauf erwiderte Sarkozy, dem Gaddafi 50 Millionen Dollar für dessen Präsidentschaftswahlkampf gesponsert haben soll, die Visite noch mit einem in aller Herzlichkeit gehaltenen Gegenbesuch in Tripolis. Ein nicht weniger kumpelhaftes Verhältnis pflegte Gaddafi bizarrerweise auch zu Silvio Berlusconi – wiewohl der koloniale Eroberungskrieg Mussolinis Libyens (der in der Forschung zusammen mit dem Abessinienkrieg als erster faschistischer Vernichtungskrieg gilt) zum kollektiven libyschen Geschichtsbewusstsein gehört, Gaddafi sich lange als „links“ und „antiimperialistisch“ präsentierte und zu alldem auch noch Geschichte studiert hatte.

Krieg ums Öl, den Dollar sowie dem „Françafrique“ genannten Währungs- und Ausplünderungssystem

Als sich Muammar al-Gaddafi allerdings anschickte eine afrikanische Währungsunion auf den Weg zu bringen – die im Frühjahr 2011 mit einer afrikanischen Investitionsbank mit Sitz in Sirte (Libyen), eines afrikanischen Währungsfonds mit Sitz in Kamerun und einer afrikanischen Zentralbank mit Sitz in Nigeria auf dem Weg war konkret Gestalt anzunehmen – war Schluss mit lustig. Das Projekt drohte nicht nur flankierend das seit Anfang der 1970er Jahre bestehende Petrodollar-System, Öl nur gegen Dollar zu handeln, seitens Libyen in Frage zu stellen, sondern insbesondere auch das neokoloniale, geldpolitische CFA-Regime Frankreichs (die besondere Währungszone des Franc CFA; Communauté Financière d‘ Afrique) in seinen ehemaligen Kolonien aus den Angeln zu heben. Gaddafis pan-afrikanische Politik, allem voran das Vorhaben der Schaffung einer afrikanischen Währung, barg demnach die aus Sicht Washingtons und Paris akute Gefahr des Ausbruchs der Länder des ehemaligen französischen Westafrikas sowie einstigen französisch Zentralafrikas aus dem „Françafrique“ genannten Währungs- und Ausplünderungssystem und stellte zugleich den Dollar als unangefochtene Welt-Leitwährung in Frage. Dem nicht genug, schickte sich Tripolis mit seinen Devisenreserven, Gold- und Silberschätzen (die im Krieg dann spurlos verschwanden), sowie gemeinsamen afrikanischen Finanz-Körperschaften an, Afrika aus der Abhängigkeit des IWF und der Weltbank – als weiteren wesentlichen Instrumenten der westlichen neokolonialen Herrschaft – zu lösen.

Daneben ging es wie so oft schlicht und profan ums Öl. Libyen verfügt immerhin über die größten Öl-Reserven Afrikas (noch vor Nigeria) und hatte neben einer in Angriff genommenen Privatisierungswelle auch seine seinerzeit verstaatlichte Ölwirtschaft seit 2004 wieder für ausländische Investoren geöffnet. Darunter mit milliardenschweren Abkommen mit ENI (Benzinmarke Agip, die schon seit 1959 in Libyen engagiert ist), BP, Shell, Total, Exxon, Repsol, RWE, BSAF, Statoil, aber etwa auch der OMV – sprich: den Premium-Konzernen der westlichen Ölbranche. Allerdings blieb da, neben den teils exorbitanten Lizenzgebühren von bis zu 90% aus den Ölförder-Einnahmen, immer auch ein gewisser genereller Unsicherheitsfaktor. Als der Ölpreis 2009 abschmierte, erwog Gaddafi Teilbereiche der internationalen Ölkonzerne in Libyen zu verstaatlichen und nationalisierte in der Tat die im Land operierende kanadische Ölfirma Verenex. Die dadurch zutiefst aufgeschreckte internationale Ölindustrie und ihr politisches Personal in den Hauptstädten des Metropolenkapitalismus packten die sich ihnen 2011 bietende Gelegenheit dann beim Schopf. Quasi zeitgleich mit dem sich abzeichnenden Grenzverlauf des Bürgerkriegs und der ‚Abtrennung‘ der östlichen Ölgebiete von Tripolis, meinte EU-Energiekommissar Günther Oettinger trocken: „Als Gaddafi das libysche Öl kontrollierte, war er der Mann. Nun, da er es nicht mehr länger unter Kontrolle hat, ist er entbehrlich.“ Und um frühzeitig Nägel mit Köpfen zu machen, erklärte der britische Premier David Cameron schon fast drei Wochen vor Kriegsbeginn was aus maßgeblicher westlicher Sicht beschlossene Sache war: „Colonel Gaddafi“ muss „abtreten“ und „das Land verlassen“.

Paris, London und Brüssel hatten bereits entschieden. Endlich bot sich die Chance den zuvor über Jahre hofierten „neuen Freund“ des Westens los zu werden. Begleitend verhandelten ausländische Unternehmens- und Staatsvertreter, ganz so als ob Gaddafi gar nicht mehr amtierte, bereits mit den Aufständischen über die zukünftige Aufteilung der libyschen Öl- und Erdgas-Claims. Die U.S. Army sicherte währenddessen den reibungslose Öl-Handel, unabhängig der Frage, welche der unzähligen Milizen gerade die Oberhand über die Förderanlagen hatte.

Arabischer Frühling und geopolitisches Einmaleins des „Kollektiven Westens“

Dazu gesellte sich der parallele Ausbruch der „Arabischen Revolutionen“ in Tunesien und Ägypten und die seinerzeit noch nicht abzuschätzenden Perspektiven, Dominoeffekte und sich herausbildenden politischen Kräfteverhältnisse. Der Sturz Ben Alis war für den Westen zwar bloß zweitrangig, aber der Fall des Langzeitverbündeten und Stützpfeilers Hosni Mubarak versetzte die Kernstaaten des Metropolenkapitalismus in akute Alarmbereitschaft. Und die Kette an Volksaufständen reichte bis nach Bahrain und in den Jemen sowie nach Marokko und Algerien. Den Aufstand in Bahrein gegen dessen despotischem Herrscherhaus, wesentlich von der unterdrückten schiitischen Bevölkerungsmehrheit (70%) getragen, schlug eine saudische Militäroffensive blutig nieder. Der medialen Weltöffentlichkeit kaum eine Notiz wert, rollten die Panzertruppen und Einheiten Riads im Einzugsbereich des US-Hauptquartiers der Fünften Flotte (der 2011 in Bahrein befindlichen zentralen Basis für die See- und Luftstreitkräfte der USA im Nahen und Mittleren Osten) gegen die demokratische Protestbewegung vor. Gegen den Aufstand im Jemen wiederum fliegt seit der Verjagung des sunnitischen Präsidenten Abd Rabbo Mansour Hadi 2015 eine Militärallianz unter saudischer Führung einen unbarmherzigen Luftkrieg, der das Land in ein Massengrab verwandelt und in eine humanitäre Katastrophe kaum vorstellbaren Ausmaßes geführt hat. (Und auch während der kurzen Waffenruhe von letztem April schwiegen die Waffen ernstlich.) Da die Frage der weiteren Verbreitung der Volksaufstände sowie jene, wohin die Dynamiken im nordafrikanisch-arabischen Raum letztlich führen werden, noch offen war, trachtete der Westen, mit der Militärintervention in Libyen, verdeckten Spezialoperationen und Rückendeckung für seine wichtigsten Statthalter zugleich seine strategisch wichtigsten Claims zu verteidigen und Einflusssphären zu sichern. Diesbezüglich war das libysche Regime Gaddafis allerdings ein ebenso viel zu unsicherer Kantonist, wie in Nordafrika, im Mittelmeerraum und Nahen Osten und auf dem Kontinent gleichzeitig doch außenpolitischer Störenfried.

Zwar, darin waren und sind sich alle politischen BeobachterInnen und Nahost-ExpertInnen einig, schwappten die tunesischen und ägyptischen Entwicklungen nicht in vergleichbaren Formen demokratischer Volksaufstände nach Libyen über, aber im Osten des Landes, der föderativen, stark tribalistisch geprägten Cyrenaika, entzündeten sich ebenfalls kräftige Proteste. Im Unterschied zu Tunesien, Ägypten, Bahrein oder dem Jemen blieben diese aber stark lokal begrenzt und gingen unmittelbar in bewaffnete Unruhen unter der Fahne des Königreichs Libyens unter Indris I. über. Bereits am Folgetag der ersten Demonstrationen stürmten „Rebellen“ der ostsyrischen Öl-Region Kasernen und Polizeistationen, um sich zu bewaffnen, und schritten zur Attacke gegen die Sicherheitskräfte des Regimes. Dass hierbei auch alte Stammes- und Clan-Strukturen, sowie islamistische Kräfte eine maßgebliche Rolle spielten, räumten seinerzeit auch die Mainstream-Medien und außenpolitischen Think-Tanks des Westens ein (und ist seither noch viel detaillierter belegt).

Um nicht missverstanden zu werden, es gab schon seinerzeit keinen Grund für Sympathie mit dem autoritär-kleptokratischen Gaddafi-Regime Libyens und es wäre dem libyschen Volk alles andere denn zu verübeln gewesen, hätte es den ehemaligen „Revolutionsführer“ in die Wüste gejagt. Nur, der Aufstand, dem es mehr um eine Neuverteilung der Ressourcen unter politischen Reminiszenzen an den islamischen Senussi-Orden und aus der Region stammenden König Idris ging, hatte einen bei weitem anders gestrickten Charakter als die Millionenaufstände in Tunesien oder Ägypten. Das unterstrich (neben ausbleibenden Massenprotesten in Tripolis und dem Westen Libyens) auch die sich relativ schnell herauskristallisierende Zusammensetzung der Führung der Aufständischen nochmals eindrücklicher: ein Konglomerat an ostlibyschen Stammesführen (die nicht mehr bereit waren, die Öleinnahmen „zu teilen“), Monarchisten, Überläufer und Offiziere des Gaddafi-Regimes, aus den USA und Großbritannien eiligst eingeflogene Exillibyer (darunter Ölexperten und neoliberale Universitätsprofessoren), Al-Kaida nahen Islamisten und „Gotteskrieger“ weiterer Couleurs, CIA und MI6 gesteuerten Putschisten und einer Reihe damals zunächst noch nicht einmal den „Five Eyes-“Schlapphüten bekannte „Vertreter der libyschen Volksinteressen“.

Beschlusssache „Regime change“ oder warum Gaddafi sterben musste

Dessen untangiert reagierten die großen alten Kolonialmächte Afrikas, Frankreich und Großbritannien, sofort. Während die USA in den ersten Tagen noch zögerte, ließ es sich Paris nicht nehmen, den selbsternannten „Nationale Übergangsrat“ schon unmittelbar nach dessen Konstituierung am 27. Februar (also keine ganzen 10 Tage nach Ausbruch der ersten Aufstände) als „legitimen Repräsentanten des libyschen Volkes“ anzuerkennen. US-Verteidigungsminister Robert Gates, der einer bewaffneten Militärintervention in Libyen zunächst noch skeptisch gegenüberstand, äußerte hingegen noch Anfang März 2011, „dass das Pentagon keine Bestätigung“ für die zur öffentlichen Legitimation des vom Elysée-Palast vorangepeitschten Coups herhalten müssenden Berichte habe. Er selbst habe die Schreckensmeldungen aus Libyen „bisher nur Presseberichten entnommen“. Und das, obwohl die CIA eine akkordierte ständige Präsenz in Libyen unterhielt. Im Unterschied zu den Libyen-Falken um Hillary Clinton und Susan Rice hatte Gates auch Bedenken über die Einbindung Al-Kaidas in den „Regime change“. Die Würfel waren zu diesem Zeitpunkt allerdings schon gefallen. US-Außenministerin Clinton erklärte ihrerseits bereits am 27. Februar unmittelbar „jede Art von Unterstützung zu gewähren, die von den USA gewünscht wird, um Muammar al-Gaddafi zu vertreiben“. US-Präsident Obama schlug kurz darauf in dieselbe Kerbe und gab auch seinerseits einen Regimewechsel im Mittelmeeranrainerstaat als erklärtes Ziel aus: Er denke, „dass Gaddafi auf der falschen Seite der Geschichte steht“, so der Friedensnobelpreisträger, weshalb die USA „Kontakt mit der Opposition aufnehmen (werden), um unser [!] Ziel zu erreichen, Gaddafi von der Macht zu entfernen.“ Entsprechend waren zu diesem Zeitpunkt auch bereits Agenten des britischen Geheimdienstes MI-6 im Raum Bengasi im Einsatz, um, wie es unverblümt hieß, „den Machtwechsel“ zu unterstützen und ins Werk zu setzen. Ebenso schon am Werk waren freilich – man ist fast geneigt „selbstverständlich“ zu formulieren – CIA-Agenten. „Während Präsident Obama betont“, so die New York Times seinerzeit, „dass keine amerikanischen Bodentruppen in Libyen eingesetzt werden, haben kleine CIA-Einheiten als eine westliche Schattenarmee seit mehreren Wochen in Libyen gearbeitet.“

In den späten Nachmittagsstunden des 19. März flogen französische und britische Kampfflugzeuge dann die ersten Luftangriffe auf Libyen – flankiert vom Abschuss hunderter Marschflugkörper der US-Kriegsschiffe und U-Boote auf Tripolis und andere Küstenstädte. Parallel sickerten weitere Heerscharen von US-Spezialkommandos, CIA-Spione, MI6-Sondereinheiten und ihre französischen Pendants des DGSE im Land ein, um Angriffsziele zu markieren, für Spezialoperationen und als unterstützende Spezialkommandos und Militärberater der Aufständischen. Das berüchtigte britische Militärkorps SAS (Special Air Service) operierte bereits seit mindestens Februar mit Hunderten Elitesoldaten verdeckt in Libyen, darunter mit zwei aufgrund ihrer Zerstörungskapazitäten „Smash“ genannten Spezialeinheiten. Danach flog auch die US-Luftwaffe schwere Angriffe und hoben italienische Kampfjets mit ab. Letzteres enthielt und enthält angesichts der Kolonialgeschichte Italiens und dessen blutigem Kolonialterror in Libyen (bis hin zu breitflächigen Gasangriffen und der Errichtung von Konzentrationslagern und etwa einem Drittel der Einwohner das Leben gekostet hat), das unter Mussolini 1939 überhaupt zum Bestandteil des faschistischen Italiens erklärt wurde, eine nochmals besondere Pikanterie. Und dass vor immerhin bereits 12 Jahren auch der heutige NATO-Aspirant Schweden die NATO-Luftangriffe mitgeflogen ist, wirft nochmals ein eigenes Licht auf dessen vorgebliches heutige NATO-Beitritts-Narrativ.Der mehr als sieben Monate andauernde NATO-Krieg gegen Libyen hatte begonnen.

Foto: UN Development Programme, CC BY-NC-ND 2.0

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