Vom antiken Athen über die Schweiz nach Wien: 12. Juni – Feministischer Aktionstag

anlässlich des geschlechtsspezifischen Gesamteinkommensunterschieds (GOEG-Gender Overall Earnings Gap) von 44,9%

Mo. 12. Juni 23, 16.00 – 19.00 h
Wo: Mariahilferstraße/Christian Broda Platz

Mit Infotischen, Musik, Redebeiträge, u.a.m.

„Feministischer Raubaktionstag“ und der mächtige Frauenstreik in der Schweiz 1991

Schon seit mehreren Jahren finden am 12. Juni in Wien der „Feministische Raubaktionstag“ in enger Verzahnung mit der Idee und Tradition des Frauenstreiks statt.Diese wiederum datieren historisch auf den 14. Juni 1991 zurück. An diesem Juni-Tag zogen in der Schweiz anlässlich der erst zehn Jahre davor Verfassungsrang erlangten gleichen Rechte von Mann und Frau, die Schweizerinnen zu Hundertausenden auf die Straße. Die Idee dafür hatten 1991 die Uhrenarbeiterinnen im Vallée de Joux. Denn trotz des schleppend errungenen Meilensteins des Gleichstellungsartikels, waren die Frauen hinsichtlich der Entlohnung nach wie vor stark benachteiligt. Das Motto des Streiks vom Juni 1991 war denn auch: „Wenn frau will, steht alles still“ und führte mit schweizweit über 500.000 Teilnehmerinnen zu einer der größten politischen Mobilisierungen in der Geschichte der Schweiz überhaupt. Die Forderungen trugen die Überschrift „Lohn. Zeit. Respekt.“ Dabei ging es u. a. um die Überwindung der geschlechtsspezifischen Lohnkluft, eine finanzielle Aufwertung und höhere gesellschaftliche Anerkennung von Frauenarbeit, mehr Zeit und Geld für Betreuungsarbeit (Care-Arbeit), sowie die Bekämpfung von Sexismus und sexueller Belästigung. Seither hat die Frauenstreikbewegung auch in zahlreichen weiteren Ländern Fuß gefasst.

Antike literarische Ahninnen und unvergängliche Impulsgeberinnen: Lysistrate und Praxagora

Literarisch findet sich der allererste Frauenstreik freilich in Aristophanes Stück Lysistrate von 411 v.u.Z. Um den Peloponnesischen Krieg zu beenden, drohen die Frauen Athens ihren Männern mit Liebesentzug und beschließen auf Vorschlag der „Heer-Auflöserin“ Lysistrate, sich ihren Männer zu versagen, bis diese Frieden geschlossen haben. Wo der Geist willig, das Fleisch aber schwach ist, sorgt Lysistrate im Stück unerbittlich für Streikdisziplin. Für die Frauenstreik-Initiativen wichtig und beispielgebend ist Lysistrate dabei vor allem insofern, als es darauf verweist, dass gerade Frauen viel mehr bestreiken können als „nur“ den bezahlten Verkauf ihrer Arbeitskraft. Denn Frauenarbeit sowie gesellschaftliche, familiäre und anderweitige Reproduktionsarbeiten sind wichtig und zentral, nicht nur in Betrieben, sondern auch in Familien, in Haushalten oder Sozialeinrichtungen etc. „Viel zu oft findet sie nicht nur unterbezahlt, sondern ‚ehrenamtlich‘ oder auch einfach unbezahlt, ungesehen und ungewürdigt statt. All diese Arbeiten [politökonomisch freilich einer in sich differenzierten Gliederung je eigener Kategorien von Tätigkeiten zugehörig, Anm.] zu bestreiken – und dadurch sichtbar zu machen – ist die Grundidee der Frauenstreikbewegung, die seit einigen Jahren international für Aufsehen sorgt“, so die Soziologin Ingrid Artus. „Frauen weigern sich einen Tag lang, all jene kleinen und großen Aufgaben zu übernehmen, die sie ansonsten selbstverständlich verrichten – und legen damit die Gesellschaft lahm, um auf ihre Interessen, ihre Anliegen, ihre Forderungen aufmerksam zu machen, um mit dem Entzug der Kooperation zu drohen, um ihre Stärke zu zeigen.“ Auch dies korrespondiert im Übrigen der unter Führung Lysistrates zeitweilig errungenen Macht der Athenerinnen. Erst in den Ekklesiazusen (der „Frauenvolksversammlung“) von 392 v.u.Z. übernehmen die Frauen in Aristophanes frühkommunistischer oder gütergemeinschaftlicher Sozialutopie unter Führung der Heldin Praxagora in weitreichender Aufhebung des Privateigentums und dessen Überführung Gemeineigentum die Geschicke Athens. Freilich dringt das Stück nur bis zu einem „Kommunismus“ der Konsumtion der Polisbürger und lässt Aristophanes die gütergemeinschaftliche Utopie und auf den Kopf gestellte soziale Ordnung in seiner parodistisch überspitzten Satire als Meister der attischen Komödie scheitern. Der Impuls indes bleibt, denn „Plutos“ (so das gleichnamige Nachfolgestück von 388 v.u.Z.), der Gott des „Reichtums“, ist blind und vergibt seine Schätze wahllos. Mehr noch: Alle Ungerechtigkeit der bestehenden Ordnung findet ihren Ausdruck darin, dass die Anständigen und Gerechten, und seien sie noch so fleißig, am schlechtesten wegkommen bzw. Not leiden, während diejenigen, die hemmungslos und schurkisch ihrem Gewinnstreben folgen, Reichtum scheffeln und über das Eigentum verfügen. Freilich verbleibt das Stück in seiner „Lösung“ abermals im Horizont des antiken griechischen Denkens befangen. Und doch geben die Stücke ein interessantes Zeugnis und uns mit Lysistrate und Praxagora einen geschichtlich nicht mehr tilgbaren Vorschein gegen die bestehende Ordnung.

Entsprechend engagiert sich denn auch die Initiative Frauenstreik und ruft für einen branchenübergreifenden Frauenstreik am 8. März auf, einen Frauenstreik in Betrieben, Schulen, in der Lehre, in Universitäten, in Ausbildungen und im Haushalt.

Warum 12. Juni? Und warum nennen die Veranstalterinnen es Raub?

Beim feministischen Koordinationstreffen von Frauenstreik-Kollektiven im Sommer 2019 im FZ-Wien wurde der 12. Juni als Feministischer Raub-Aktionstag festgelegt. Denn 44,9% eines Jahres (im Sinne des geschlechtsspezifischen Gesamteinkommenunterschieds, Englisch: GOEG-Gender Overall Earnings Gap) ist der 12. Juni. Rechnet man diesen geschlechtsspezifischen Gesamteinkommensunterschied aufs Jahr um, arbeiten Frauen bis zum 12. Juni im Verhältnis zu Männern ohne jegliches Einkommen – weshalb es die Organisatorinnen akzentuiert patriarchalen Raub nennen! Zeit dass sich das ändert!

* Für Arbeitszeitverkürzung
* Für Lohnerhöhung
* Für Mietreduktion
* Für Energiekostensenkung
* Für Vermögens- und Erbschaftssteuer
* Für faire Umverteilung
* Mehr für Care
* Stoppt Vergewaltigung und Femizide
* Bestreikt den Krieg – überall – Kampf dem Patriarchat und Kapital

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