Presseerklärung zu den faschistischen Angriffen

Parallel zur Debatte im Nationalrat gab das „Bündnis Antifaschistische Solidarität“ heute eine rege besuchte Pressekonferenz zu den jüngsten faschistischen Angriffen in Wien-Favoriten. Hier dokumentieren wir die Presseerklärung.

„Bündnis Antifaschistische Solidarität“ der betroffenen Organisationen zu den faschistischen Angriffen in Favoriten

Schulter an Schulter gegen Faschismus – egal wo, egal woher!

Faşizme Karşı Omuz Omuza!

Mit dem Angriff auf die gemeinsame linke, türkisch-kurdisch-österreichische Kundgebung „Gegen Gewalt an Frauen“ des Bündnisses „Europäische Frauensolidarität“ (AKD) und anderen am Keplerplatz und den anschließenden organisierten Attacken hunderter AKP/MHP-Anhänger und aufgepeitschter Jugendlicher auf das EKH und der darin ansässigen Menschen wie antifaschistischen Zusammenhänge, sowie auf das Vereinslokal der DIDF und unsere Kundgebungen und Demonstrationen am 24., 25. und 26.6 ist das reaktionäre, faschistisch-dschihadistische Gewaltpotential in eine abermals neue Qualität umgeschlagen. Als der rechtsextreme und islamistische Mob das EKH und die Vereinslokalitäten sowie soziale Räume von linken und antifaschistischen Menschen zu stürmen versuchte, wurden in türkischer Sprache mehrmals Rufe gehört, die zum Anzünden des Hauses und Verbrennen der im Haus befindlichen Menschen aufrief.

Obschon mit diesen organisierten, brachialen Attacken über mehrere Tage hinweg – die die Polizei skandalöser Weise weitgehend tatenlos gewähren ließ – eine neue Dimension erreicht wurde, sind es mitnichten die ersten Angriffe dieser Art. Schon mehrmals haben chauvinistische, faschistische Gruppen linke, fortschrittliche Menschen, Organisationen und Kundgebungen im 10. Bezirk angegriffen. Dieses Jahr unter anderem auch mit tätlichen Angriffen gegen Linke und KommunistInnen, die den 1. Mai u.a. mit kurdischen Liedern begingen. Vor einiger Zeit als versuchter Brandanschlag gegen das Vereinslokal der türkisch-kurdischen VTID resp. ATIGF. Zuvor mehrere Angriffe (u.a. mit Eisenstangen) auf Kundgebungen für Geflüchtete. Vor sieben Jahren als organisierter Überfall auf eine Versammlung der linken, internationalistischen Gewerkschaftsorganisation KOMintern. Und dazwischen als beständig grassierende Provokationen gegen pro-kurdische internationalistische Demonstrationen bzw. mehrmalig aufgerufene Stürmungen und versuchte Attacken auf die kurdischen Vereinsräumlichkeiten der DKTM. 

Aufgepeitscht durch die unablässige faschistische AKP/MHP-Regierungs-Propaganda – die zumal alle Andersdenkenden für vogelfrei erklärt, und die Kriegspolitik der Türkei gegen Kurdistan, nahm und nimmt diese selbst von Innenminister Nehammer so bezeichnete „außergewöhnliche Gewaltbereitschaft“ von rechts-außen Kräften mehrere Couleurs drastisch zu. Institutionell unterstützt durch den langen Arm Erdogans in Österreich, richtet sich diese Aggression gegen alle Linken, Frauen, AntifaschistInnen oder auch um ihre Glaubensanerkennung ringenden AlevitInnen und allem voran gegen Kurdinnen und Kurden, die kurdische Befreiungsbewegung, türkisch-kurdische Linke und erstarkende Frauenbewegung. Auch ein Journalist wurde Ziel des rechtsextremen Mobs. Der aus der Türkei stammende Journalist, Nurettin Civandag, wurde am Samstag, den 27. Juli 2020, auf dem Weg nach Hause, am Reumannplatz, von einer Gruppe junger Männer angegriffen. Civandag konnte sich den gewalttätigen Angriffen mehrerer türkisch-sprachiger Männer entreißen und erlitt Verletzungen, welche im Krankenhaus behandelt werden mussten.

Denn auch außerhalb der Türkei flankiert das Regime in Ankara seine Politik mittels einer systematischen Anstachelung seiner euphorisierten Anhänger im gesamten europäischen Raum. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund der aktuellen Krise des Systems und seines schmutzigen Krieges in Kurdistan – von den türkischen Gebieten Südost-Anatoliens, über die Demokratische Föderation Nord- und Ostsyriens (Rojava) bis zum euphemistisch „Operation Tigerkralle“ genannten Angriff auf die Kandil Berge im Irak. Seit Jahren baut die aggressive Diaspora-Politik auch mit tatkräftiger Unterstützung der AKP/MHP und dem türkischen Staat treuen Vereine und Organisationen eine nationalistisch-islamistische Community auf. Bilder von Kindern in Tarnuniformen als Märtyrer die für das Vaterland sterben wurden in verschiedenen Medien in den letzten Jahren behandelt.

Gleichwohl geht es hier nicht um das politisch und medial vielfach gesponnene Strickmuster „Türken gegen Kurden“. Denn, einmal sind es faschistische Graue Wölfe und Dschihadisten, einmal sind es faschistische „Unsterblich“-Hooligans – aktuell wiederum rechtsradikale Identitäre unter der Losung „PKK abschieben – EKH abreißen“. Sie mögen sich untereinander (vielfach) nicht, aber sie sind von ein und demselben Schlag: rassistisch, rechtsradikal, frauenfeindlich bzw. neofaschistisch. Das zeigt: es geht hier nicht um Nationalitäten, es geht hier nicht um Herkunftsländer und verschiedene Sprachen. Es geht darum, dass reaktionäre, faschistische Gruppierungen und Organisationen, unterstützt und aufgestachelt von Politik und (sozialen) Medien, die sie in einen nationalistisch-rassistischen Taumel jagen, türkische, kurdische und österreichische Linke, AntifaschistInnen und religiöse Minderheiten angreifen, die für Frauenrechte, Gleichheit, gegen Faschismus und faschistische Umtriebe, für die Rechte unterdrückter Völker und internationale Solidarität sowie eine bessere Gesellschaft eintreten.

Es geht im Kern daher vielmehr um den Kampf um Freiheit, um die Emanzipation der Subalternen, um Menschenrechte und gegen Frauenunterdrückung, und zwar auf der ganzen Welt – und auch hier, in Österreich (wo allein im letzten Jahr 39 Frauen von Expartnern und Familienmitgliedern ermordet wurden), sowie in Wien. Und das „offizielle“ Österreich ist ob seiner „Tradition“ patriarchaler, reaktionärer und faschistischer Umtriebe immer noch auf dem rechten Auge blind. Immer wieder biedern sich die meisten Parteien rechten Gruppierungen an, und wenn es um (migrantische) WählerInnenstimmen geht besteht sogar eine innige Intimität und Zusammenarbeit mit rechtsradikalen Organisationen.

Aber natürlich sind zahlreiche Menschen mit türkischen Wurzeln von der stetigen AKP/MHP-Propaganda aus der Türkei sowie in Österreich, dem turanistischem Rassismus und dem türkischen Vernichtungsfeldzug gegen Kurdistan im Besonderen aufgehetzt.

Anstatt aber endlich entschlossen gegen Erdogans verlängerte Arme in Österreich vorzugehen, die Drahtzieher und Institutionen dahinter wirklich dingfest zu machen und dem Mob Einhalt zu gebieten, hat das Bundeskanzleramt zu einem „Runden Tisch“ geladen. So sollen dieser Logik zufolge wir Angegriffenen ein republiksoffizielles „Kaffeekränzchen“ mit gegebenenfalls anschließendem „Foto-Shooting“ mit faschistischen Grauen Wölfen und rassistischen Reaktionären abhalten. Faschismus, Rassismus und Kriegstreiberei sind keine Meinung, sondern ein Verbrechen.

Gleichviel verweigern wir uns jedoch nicht dem Gespräch mit offiziellen österreichischen Stellen, um in gebotenen Rahmen unsere Sicht der Dinge darzulegen und unsere Anliegen und Forderungen stark zu machen.

In einem Land, in dem die Politik Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Ausländerfeindlichkeit hoffähig macht, in dem diese menschenfeindlichen Ansichten, egal aus welche Ideologietradition, auch durch Gesetze und Rechtspraxis unterstützt werden, und eine gedeihliche Zusammenarbeit mit dem Schlächter vom Bosporus statthat, sind es insbesondere auch die politischen Stichwortgeber und Brandstifter die solche Umtriebe hervorbringen und fördern.

Gemeinsam, solidarisch, antifaschistisch, internationalistisch. Egal woher wir kommen, haben wir ein gemeinsames Ziel: das einer besseren emanzipatorischen Gesellschaft jenseits von Ausbeutung, Unterdrückung und Krieg!

BÜNDNIS ANTIFASCHISTISCHE SOLIDARITÄT

AKD – Avrupa Kadın Dayanışması – Frauensolidarität Europa / SKB – Sosyalist Kadın Birliği Avrupa – Avusturya – Verband der sozialistischen Frauen in Europa – Österreich / AVESTA – Verband der freien Frauen aus Kurdistan / MOR KIZIL KOLEKTİF – Lila Rot Kollektiv / YENI KADIN – Neue Frau / ADKH – Avrupa Demokratik Kadın Hareketi – Demokratische Frauenbewegung in Europa / WOMEN DEFEND ROJAVA / FEYKOM – Rat der Kurdischen Gesellschaft in Österreich / DKTM – Demokratisches Kulturzentrum der Kurd*innen in Wien / ATIGF – Avusturya Türkiyeli Işçi ve Gençlik Federasyonu – Föderation der Arbeiter*innen und Jugendlichen aus der Türkei in Österreich / VTID – Viyana Türkiyeli İşciler Derneği – Verein der Arbeiter*innen aus der Türkei / DIDF – Demokratik Işci Dernekleri Federasyonu – Föderation demokratischer Arbeitervereine / ATIK – Avusturya Türkiyeli İşciler Konfederasyonu – Konföderation der Arbeiter*innen aus der Türkei / ADHF – Avusturya Demokratik Haklar Federasyonu – Föderation für Demokratische Rechte in Österreich / HDP Avusturya – Solidaritätskomitee HDP in Österreich / AvEG-Kon – European Confederation of Oppressed Immigrants / Young Struggle Austria / YXK/YJK – Verein der Studierenden aus Kurdistan – Wien / YDG – Yeni Demokratik Gençlik – Neue Demokratische Jugend / SYM – Socialist Youth Movement / KZ Verband VdA Wien / KOMintern – Kommunistische Gewerkschaftsinitiative International / Rojava Solidaritätskomitee Österreich / Asyl in Not / Plattform DEFEND ROJAVA / Plattform Demokratie Österreich / VAT – Viyana Alevi Toplumu – Gemeinschaft der Alevit*innen in Wien / AGW – Alevitische Gemeinde Wien / AAGÖ – Alt-Alevitische Glaubensgemeinschaft in Österreich / KAB – Gemeinschaft der Alevit*innen aus Kurdistan / CIK – Ciwaka Islamiya Kurdistan – Islamische Gemeinschaft aus Kurdistan / FZ – Frauenzentrum / Frauenstreik

Rückfragen unter: antifaschistische.soli.wien@gmail.com

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