Die Kosten und Belastungen durch die Corona-Krise sind sehr ungleich verteilt. Frauen und Männer in systemrelevanten Berufen haben unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen die wichtigsten Bereiche unseres Alltags aufrechterhalten. Die Regierung nimmt viel Geld in die Hand, aber Pflegefachkräfte, Pädagog*innen, „Systemerhalter*innen“ und Alleinerzieher*innen erhalten davon kaum etwas.
Wir wollen das nicht weiter hinnehmen! Dazu gibt es nun eine Petition auf ein Mehr für CARE feministisches Konjunkturpaket im Ausmaß von 12 Mrd. Euro, die unter: https://mehr-fuer-care.at/petition/ von allen unterschrieben werden kann und bereits rd. 2.700 Unterstützer*innen aufweist.
Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und Gesundheit setzen dort an, wo die größten Belastungen durch die Coronakrise entstanden sind und die meisten Arbeitsplätze entstehen. Damit kann nicht nur die Situation von Frauen, sondern das Leben aller Menschen verbessert werden.
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Ausführlich dazu siehe nachstehend das der Petition zugrundeliegende, detaillierte Konjunkturpaket:
Frauen sind die Verliererinnen der Corona-Krise
Femme Fiscale fordert „Halbe-halbe“ Konjunkturpaket – für ein gutes Leben für alle
Die Maßnahmen der Regierung in der Corona-Krise weisen eine eindeutige Schieflage zu Lasten von Frauen aus, kritisiert „Femme Fiscale“, eine Initiative, die sich für geschlechtergerechte Steuer- und Budgetpolitik einsetzt.* „Die Krisenpolitik ist im Wesentlichen eine Politik von Männern für Männer und ignoriert die Geschlechterverhältnisse“, kritisiert Elisabeth Klatzer, Mit-Initiatorin der Femme Fiscale. „Gleichzeitig setzt die Regierung das Geld nicht dort ein, wo die größten Potentiale für Beschäftigung und Ankurbelung der Wirtschaft liegen.“
Als Gegenprogramm dazu präsentiert Femme Fiscale das detaillierte feministisches Konjunkturpaket „Halbe-halbe“: Investitionen in Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und Gesundheit im Ausmaß von 12 Milliarden würden nicht nur die Situation von Frauen, sondern das Leben aller Menschen verbessern.
Frauen in der Corona-Krise: Systemrelevant, schlecht entlohnt, doppelt und dreifach belastet
In der Corona-Pandemie war es oftmals die Arbeit von Frauen, die uns durch die Krise gebracht hat. Arbeit in systemrelevanten, aber grundsätzlich schlecht bezahlten Berufen im Gesundheitsbereich, in Supermärkten und in der Pflege wird in der Mehrzahl von Frauen in oftmals in ungeschützten Beschäftigungsverhältnissen erbracht. Die Gefahr ist groß, dass Frauen nach „lobender Erwähnung“ dennoch als große Verliererinnen aus der Corona-Krise hervorgehen.
Nicht nur in systemerhaltenden Berufen übernehmen Frauen einen großen Teil der Krisenlast, sondern auch zu Hause und in der Gesellschaft. Diese unbezahlte Arbeit – allen voran sind das Haushalt, Kinderbetreuung, Pflege – wurde schon vor der Krise zu rund zwei Dritteln von Frauen geleistet. Die Auswirkungen waren schon vor der Corona-Krise dramatisch: Mangelhafte eigenständige Existenzsicherung, Armutsgefährdung trotz Erwerbsarbeit und daraus folgende Altersarmut ebenso wie starke gesundheitliche Belastungen. Wenn überhaupt Anspruch besteht, erhalten Frauen schon aktuell rund 40 Prozent weniger Pension als Männer. Die Gründe: Frauen müssen Teilzeit arbeiten, um sich um Kinder und Pflegebedürftige kümmern zu können. In Frauenbranchen werden grundsätzlich niedrige Löhne bezahlt. Zudem werden Frauen auch bei vergleichbarer Tätigkeit noch immer niedriger entlohnt.
Durch die Corona-Pandemie sind Frauen durch zusätzliche unbezahlte Betreuungsarbeit in Haushalten noch stärker belastet. Sie fungieren als Puffer, um alle gut durch die Krise zu bringen. Aber das hat hohe Kosten: Die Notwendigkeit, mehr (niedrig bzw. unbezahlte) Pflegearbeit zu leisten, wird zusätzlich negative Folgen für die Alterssicherung von Frauen haben. Studien aus Deutschland und Österreich zeigen: Es sind vor allem Frauen, die ihre Erwerbsarbeitszeit reduzieren oder sogar ganz aussetzen, um ihre Kinder zu betreuen oder bei der Bewältigung der Schulaufgaben zu unterstützen und damit weniger verdienen. Zahlreiche Mütter mussten während der Krisenzeit Urlaub nehmen, um die Kinder zu beaufsichtigen oder zu unterrichten. Weder die Möglichkeiten noch die Kosten sind für die Betreuung im Sommer flächendeckend abgesichert. Eine Umfrage zeigt, dass Frauen während des Corona-Lockdowns 12,5 Stunden pro Woche (das sind 1,5 Vollzeit-Arbeitstage) mehr als Männer unbezahlt gearbeitet haben.
Zusätzlich waren Frauen in Familien in Quarantäne und mit finanziellen Sorgen während der Corona-Krise verstärkt von häuslicher Gewalt betroffen, wie Zahlen aus Österreich und Studien aus Deutschland belegen.
Aktuelle Krisenpolitik ist blind für Geschlechterverhältnisse
Die aktuelle Krisenpolitik der Regierung trägt all dem nicht Rechnung. Sie ist im Wesentlichen eine Politik von Männern für Männer, die Geschlechterverhältnisse ignoriert. Dementsprechend gibt es auch keine offiziellen Analysen zu den geschlechterspezifischen Auswirkungen der Maßnahmen.
Konjunkturpaket: Frauen bekommen um ein Viertel weniger
Berechnungen von Femme Fiscale zeigen, dass Männer von den steuerpolitischen Maßnahmen des Konjunkturpakets [1] in Summe um ein Viertel mehr profitieren als Frauen. Bei jenen Maßnahmen, die das Verteilungsverhältnis für Frauen noch etwas verbessern, handelt es sich zudem um Einmalmaßnahmen, die 2021 nicht mehr wirksam sind – darunter die Negativsteuer für Geringverdiener*innen und die Zuzahlungen zur Familienbeihilfe oder für Arbeitslose.
Von der über 2020 hinaus gültigen Senkung der Einkommenssteuer werden Männer sogar um rund die Hälfte mehr profitieren als Frauen. Denn das untere Einkommensfünftel (die 20 Prozent mit den niedrigsten Einkommen) profitiert de facto gar nicht – in diesem Segment sind jedoch 70 Prozent Frauen.
Das Konjunkturpaket weist auch bei den Investitionen eine deutliche Schieflage zu Lasten von Frauen aus: Ein Teil der geplanten Investitionen, vor allem in Klimaschutz, ist wichtig. Vom Ausbau erneuerbarer Energien, des öffentlichen Verkehrs sowie Gebäudesanierungen werden jedoch großteils männlich dominierte Berufe profitieren. Diese Investitionen haben zudem vergleichsweise geringe Beschäftigungseffekte und geringe gesamtwirtschaftliche Wirkungen.
Femme Fiscale: „Halbe-halbe“ auch beim Konjunkturpakt belebt die Wirtschaft
Als Gegenprogramm zur bisherigen Krisenpolitik der Regierung fordert Femme Fiscale zusätzlich ein feministisches Konjunkturpaket „Halbe-halbe“, das zur Hälfte Frauen zugutekommt. Zumindest die Hälfte der dabei geschaffenen Jobs sollten Frauenjobs sein.
Das feministische Konjunkturpaket im Ausmaß von 12 Milliarden Euro besteht aus 3 Teilen (Details siehe unten):
- Ein Zukunfts- & Bildungspaket im Ausmaß von 5 Milliarden Euro
- Ein Pflegepaket im Ausmaß von 4 Milliarden Euro
- Ein Solidaritäts- & Lebensrettungspaket im Ausmaß von 3 Milliarden Euro
Da „Care“-Investitionen wie Kinderbetreuung, Bildung, Pflege und Gesundheit laut Studien doppelt so viele Arbeitsplätze wie Investitionen in „Beton“ schaffen, würde dies auch die Wirtschaft beleben.
Allein die Hälfte des vorgeschlagenen Paketes schafft 165.000 bis 180.000 neue Jobs: Das Kindergartenpaket von 2 Milliarden Euro würde 30.000 bis 45.000 Jobs schaffen, die Investitionen in Pflege rund 135.000 Arbeitsplätze. Aufgrund des hohen Anteils von Löhnen und Gehältern sind die positiven volkswirtschaftlichen Nachfrage-Effekte dieser Investitionen höher als bei den bisherigen Maßnahmen der Regierung. Dazu kommen hohe Rückflüsse durch Steuern und Sozialabgaben, die sich auch für das öffentliche Budget rechnen. Zusätzlich verbessern diese Investitionen das Angebot an öffentlichen Leistungen, die alle Menschen nutzen können und tragen zu einem guten Leben für alle Menschen bei. Und: Diese Jobs sind „grüne Jobs“ mit geringem CO 2 -Ausstoß.
Das Paket im Detail:
A) Zukunfts- & Bildungspaket – 5 Milliarden Euro
Investitionen in Kindergärten und Schulen verbessern nicht nur die Zukunftschancen unserer Kinder und die Arbeitsbedingungen vieler Frauen. Sie verbessern auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wovon Frauen und insbesondere Alleinerzieher*innen am stärksten profitieren. Und sie haben ein besonders hohes Potential als Wirtschaftsmotor.
- Kindergartenpaket (2 Milliarden Euro)
- Lohnerhöhung für Pädagog*innen um 10 Prozent (120 Millionen)
- Zusätzliche pädagogische Fachkraft in jeder Gruppe (720 Millionen)
- Zusätzliche Fachkräfte für Integration und Vielfalt (210 Millionen)
- Ausbau – zusätzlich 37.000 Plätze (310 Millionen)
- Vollzeitöffnung (290 Millionen)
- Kostenloser Kindergarten und Krippenbesuch (1-6 Jahre) (350 Millionen)
- Ausbau der Ganztagesschule – Recht auf Ganztagesschulplatz für jedes Kind (850 Millionen) [2]
- Erhöhung der Sozialarbeit in Schulen
- Kinderbonus für alle Kinder: zusätzlich 1.000,- Euro Familienbeihilfe pro Jahr statt der 1.500,- /1.750,- Steuergeschenke für die wohlhabenden Männer (alias Familienbonus) (250 Millionen) [3]. Das hilft Familien, das hilft den 300.000 armutsgefährdeten Kindern und Jugendlichen!
- Kosten: zusätzlich 250 Millionen Euro (+ Verwendungsänderung der 1,5 Milliarden Euro für den Familienbonus – Umwandlung in erhöhte Familienbeihilfe)
- Gleiche Familienbeihilfe für alle, unabhängig vom Wohnort der Kinder (62 Millionen Euro)
- Recht auf Auszeitjahr für alle (1,5 Milliarden Euro)
- Unterhaltsgarantie (405 Millionen Euro)
B) Pflegepaket – 4 Milliarden Euro
Eine Verdoppelung der öffentlichen Ausgaben schafft menschenwürdige Pflege zu menschenwürdigen Arbeitsbedingungen.
- Schaffung guter Beschäftigungsverhältnisse, mehr Personal & bessere Arbeitszeiten (1,3 Milliarden)
- Bessere Entlohnung – Lohnerhöhung Pfleger*innen (500 Millionen)
- Mehr Krankenpfleger*innen, Ausbau Pflegeplätze (1 Milliarde)
- Qualifizierung Pfleger*innen (90 Millionen)
- Valorisierung Pflegegeld um 10 Prozent (260 Millionen)
- Entlastung pflegender Angehöriger (Vertretung im Krankheitsfall und bei Urlaub) (850 Millionen)
C) Solidaritäts- & Lebensrettungspaket: Gesund leben – 3 Milliarden Euro
Das Solidaritäts- und Lebensrettungspaket schützt die Gesundheit und bringt gleichzeitig wichtige wirtschaftliche Vorteile mit sich. Gewalt gegen Frauen und psychosoziale Belastungen haben nicht nur individuelle, sondern auch hohe volkswirtschaftliche Kosten. Die Erhöhung von Arbeitslosengeld und Mindestsicherung sichert Lebensgrundlagen und schafft jetzt besonders wichtige Nachfrage.
- Gewaltschutz (228 Millionen Euro) + 3000 Arbeitsplätze im Gewaltschutzbereich
- Ausfallshaftung Krankenversicherung
- Ausbau Kassenärzt*innenstellen
- Ausbau psychosozialer Beratung (Kinder-, Frauen-, Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Gewaltschutzbereich)
- Erhöhung des Kostenzuschusses für Psychotherapie, Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie auf ein kostendeckendes Niveau
- Psychotherapie, Physiotherapie und andere Therapieplätze auf Krankenschein und mehr Krankenkassen-Vertragstherapeut*innen (mit guten Konditionen)
- Vereinfachung des Zugangs zu freiberuflichen Therapeut*innen
- Ausbau der Primärversorgungszentren
- Erhöhung Arbeitslosengeld auf 70 Prozent besonders 1 Milliarde Euro
- Erhöhung Mindestsicherung 120 Millionen Euro
- Internationale Zusammenarbeit [4] zu Gesundheit, sozialer Sicherheit und nachhaltiger Wirtschaft durch inklusive und geschlechtergerechte EZA (+ 100 Millionen Euro)
- Politische Unterstützung für Investitionen in öffentliche Gesundheitssysteme weltweit und
- Entschuldung der Länder des globalen Südens ohne neue Sparauflagen