Kommentar von Raffael Schöberl, stv. Landesvorsitzender des KZ-Verband/VdA OÖ und Sprecher der Partei der Arbeit in Oberösterreich. / Zeitung der Arbeit
Rund 200.000 Menschen wurden im KZ Mauthausen und seinen mehr als 40 Außenlagern inhaftiert, 100.000 von ihnen überlebten nicht. Sie wurden in die Gaskammern getrieben, durch Folter und Tortur zu Tode gequält, durch Zwangsarbeit vernichtet.
„Es öffnen sich die Tore eines der schwersten und blutigsten Lager: des Lagers Mauthausen“, heißt es zu Beginn des Mauthausen-Schwurs, der vom Widerstandskämpfer und Kommunisten Heinz Dürmayer am 16. Mai 1945 im Namen der politischen Häftlinge verlesen wurde. Die Worte der Häftlinge des ehemaligen Konzentrationslagers waren als Mahnung für die Zukunft verfasst: „Wir werden einen gemeinsamen Weg beschreiten, den Weg der unteilbaren Freiheit aller Völker, den Weg der gegenseitigen Achtung, den Weg der Zusammenarbeit am großen Werk des Aufbaues einer neuen, für alle gerechten, freien Welt.“
Als diesen Sonntag die traditionelle Befreiungsfeier in Mauthausen über die Bühne ging, gedachten wie in all den Jahren zuvor nationale und internationale Delegationen der Befreiung des ehemaligen Konzentrationslagers. Obwohl die Gedenkfeier für die Opfer und Überlebenden unter Einhaltung strenger Corona-Schutzmaßnahmen stattfinden musste, beteiligten sich an ihr mehr als 900 Jugendliche. Politikerinnen und Politiker der Kanzlerpartei blieben dem diesjährigen Gedenken hingegen demonstrativ fern. Kein einziges ÖVP-Regierungsmitglied ließ sich blicken, niemand der über 70 ÖVP-Nationalratsabgeordneten und nicht einmal der oberösterreichische Landeshauptmann waren zugegen. Stattdessen aber empörte sich die Österreichische Volkspartei in persona Martin Engelberts über den angeblich stattgefundenen parteipolitischen Missbrauch der Gedenkfeier. Ihn würden unter anderem die wehenden roten Fahnen von Antifaschisten dermaßen stören, dass er der ÖVP-Parteispitze geraten hätte, von einer Teilnahme abzusehen, gab der Abgeordnete bei einem Ö1-Mittagsjournal zum Besten
Die Opfer- und Häftlingsgruppen, die in Mauthausen weggesperrt und ermordet wurden, waren vielfältig und zahlreich. Die Tötungsmethoden der Nazis ebenso. Doch für viele KZ-Häftlinge in Mauthausen waren eben diese roten Fahnen konträrer Gegensatz zur mörderischen Barbarei der Nazis, ebensolche roten Fahnen, an denen sich die ÖVP-Parteigranden nun empören, waren für sie ein Zeichen des Friedens und der Freiheit. Es waren rote Fahnen und die Symbole der internationalen Arbeiterbewegung, die ihnen Zuversicht auf ein menschenwürdiges Dasein, auf ein Leben ohne Stacheldraht und Zwangsarbeit gaben.
Unter dem Begriff der „Schutzhaft“ sperrten die Nazis all jene Personen ins KZ, die sich als Gegner des faschistischen Regimes verstanden hatten, in erster Linie waren dies Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Mitglieder antifaschistischer Organisationen. Zu Tausenden wurden Menschen aus den vom NS-Faschismus okkupierten Teilen der UdSSR und aus Jugoslawien in das einzige Todeslager auf dem Boden des heutigen Österreichs verschleppt. Unter ihnen sowjetische Zivilisten, Offiziere der Roten Armee und Partisanen. Ja, all diesen Menschen, denen die Nazis ihre Würde genommen, ihnen vielfach ihre Familien entrissen, ihnen nach dem Leben trachteten, gaben eben diese roten Fahnen Hoffnung auf eine Befreiung von Faschismus und Krieg. Unter dem Banner der Roten Fahne wurden die faschistischen Heere von der Roten Armee vernichtend geschlagen und ihre Überreste schließlich in Berlin überrannt. Am deutschen Reichstag wehte als Zeichen der Beendigung des verheerenden Krieges und der Nazi-Barbarei am 8. Mai 1945 die rote Fahne der Sowjetunion.
Und auch wenn es nicht weiter verwunderlich sein dürfte, dass sich die ÖVP-Parteispitzen an diesen roten Fahnen stören – insbesondere dann, wenn diese zu Hunderten in den Reihen der Jugendorganisationen getragen werden –, sind die jüngsten antikommunistischen Attacken auf die größte Befreiungsfeier ihrer Art eine mehr als geschmacklose Beleidigung und ein massiver Affront gegen all jene KZ-Häftlinge und NS-Opfer, die sich mit eben diesen roten Fahnen der Antifaschisten verbunden fühlten. Auch die christlich-sozialen ehemaligen NS-Opfer hatten nie irgendein Problem mit den roten Fahnen. Erst die türkise ÖVP hat ein solches. So wie sie eines mit der unabhängigen Justiz, mit dem Parlamentarismus und mit der Wahrheit hat. Dass sie auch ein Problem mit dem Verstehen historischer Zusammenhänge hat, verwundert da nicht. Dennoch – um einen viel zitierten Satz des ehemaligen Bundeskanzlers Bruno Kreisky zu verwenden: Lernen Sie Geschichte, Herr Engelberg!