Nachdem der Gazastreifen im Anschluss an die Großattacke der Hamas durch die israelische Luftwaffe über die letzte Woche sturmreif gebombt und in einer neuen Dimension hermetisch abgeriegelt wurde (von den Experten der UNO als „kollektive Bestrafung“ verurteilt), hat Israel nun seine Bodenoffensive als „integrierten und koordinierten Angriff aus der Luft, vom Meer und dem Land“ angekündigt. Das um Benny Gantz erweiterte Kriegskabinett – mittels dessen Premier Netanjahu den „Nahen Osten verändern“ will – , droht damit „Teile des Gazastreifens in die Steinzeit“ zurückzubomben, wie Gantz als vormaliger Generalleutnant im israelischen Militär bei den Parlamentswahlen 2019 seine politische Linie bewarb. Derweilen stemmen sich die Linke und Friedenskräfte Israels gegen die neuerliche Militäroffensive und Eskalation und kämpfen für eine politische und gerechte Lösung des Konflikts.
Und während die USA und Großbritannien Flugzeugträger bzw. Kriegsschiffe der Royal Navy zur Unterstützung Israels entsendeten, fordern die Länder des Globalen Südens – etwa Brasilien, das gerade den UN-Vorsitz innehat, oder China und zahlreiche weitere – einen „sofortigen Waffenstillstand“ und die umgehende Aufnahme von Verhandlungen für eine politische und gerechte Lösung des Nahostkonflikts. Deutliche Kritik an Israel und der Besatzung äußerten die Regierungen von Bolivien, Kuba, Nicaragua und Venezuela, das Israel zudem zur Einhaltung der einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates aufforderte, „die von Israel die sofortige und vollständige Beendigung aller Siedlungsaktivitäten und der Besetzung palästinensischer Gebiete verlang[en], da dies der einzige Weg ist, um Frieden zu erreichen“.
In einer gemeinsamen Erklärung zum für viele unerwarteten und mörderischen Großangriff der Hamas letztes Wochenende sowie der umgehenden Eskalation der militärischen Konfrontation haben die Kommunistische Partei Israels (KPI) und das Linksbündnis Hadasch, ungeachtet des Schocks über den Angriff, schon letztes Wochenende die „verbrecherische Besatzungspolitik“ der „rechtsextremen Netanjahu-Regierung“ dafür verantwortlich gemacht. Gleichzeitig betonen sie darin die großen Gefahren, die diese Politik – gar die aktuelle Eskalation – für den Frieden in der Region verursacht.
„Die Verbrechen der faschistischen Rechtsregierung zur Aufrechterhaltung der Besatzung führen zu einem regionalen Krieg, der gestoppt werden muss. Selbst in schwierigen Tagen wie diesen verurteilen wir erneut und unmissverständlich jede Verletzung unschuldiger Zivilisten und fordern, dass sie von dem Blutvergießen verschont bleiben. Wir sprechen allen Familien der Opfer der Besatzung, Arabern wie Juden, unser Beileid aus“, heißt es in der Erklärung, die zugleich alle Seiten dringend dazu aufruft, Zivilist:innen aus dem Kreislauf der Gewalt herauszunehmen.
Die KPI und Hadasch machen – ebenso wie zahlreiche Friedenskräfte, Menschenrechtsorganisationen und kritische Intellektuelle Israels – die „rechte, faschistische Regierung“ (wie die KPI und Hadasch das Netanjahu-Kabinett charakterisieren) für die zugespitzte undgefährliche Eskalation verantwortlich, die vielen unschuldigen Bürger:innen das Leben gekostet hat und noch kosten wird. „Am Ende einer schockierenden Woche [gemeint ist jene vor dem Angriff der Hamas], in der die Siedler unter der Schirmherrschaft ihrer Regierung in den besetzten Gebieten Amok liefen, die al-Aqsa-Moschee entweihten und ein weiteres Pogrom in Huwara verübten, sind wir … mit einer sehr ernsten Eskalation aufgewacht, die die gesamte Region in einen regionalen und gefährlichen Krieg zu stürzen droht – den die rechte Regierung seit ihrem ersten Tag angeheizt hat.“
„In dieser Situation ist es die Pflicht der vernünftigen Kräfte in Israel, Juden und Araber gleichermaßen, mit scharfer und klarer Stimme gegen jeden Versuch zu sprechen, ganze Bevölkerungen gegeneinander aufzuwiegeln oder das Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen, und gemeinsame Aktivitäten zu fördern, die das Streben nach einem normativen Leben ohne Besatzung, Diskriminierung und Vorherrschaft bedeuten – ein Leben in Frieden, Gleichheit und wahrer Demokratie für alle.“
„Die Ereignisse zeigen, in welch gefährliche Richtung die Netanjahu-Regierung und die Siedler die gesamte Region führen, und unterstreichen einmal mehr, dass es keinen Weg gibt, den Konflikt zu verwalten oder ihn militärisch zu lösen – es gibt nur eine Lösung: die Beendigung der Besatzung anzustreben und die legitimen Forderungen und Rechte des palästinensischen Volkes anzuerkennen. Die Beendigung der Besatzung und die Schaffung eines gerechten Friedens sind ein eindeutiges und gemeinsames Interesse der beiden Völker in diesem Land.“
Die KPI und Hadasch äußern ihre „tiefe Besorgnis über die Nutzung der jüngsten Entwicklungen durch die Netanjahu-Regierung, um einen rachsüchtigen Angriff auf den Gazastreifen durchzuführen“ und warnten bereits letztes Wochenende vor der zwischenzeitlich leider eingetretenen militärischen Eskalation die sich zu einem „regionalen Krieg“ und Flächenbrand auswachsen könnten. Eine Angst die quer durch die Region herrscht. „Diese Eskalation muss gestoppt werden“, so KPI und Hadasch unisono. In dieselbe Kerbe schlägt aber auch etwa Orly Noy, Vorsitzende des Menschenrechtszentrums B’Tselem, erschüttert über Verteidigungsminister Gallants rassistische Erklärung: „Wir kämpfen gegen menschliche Tiere“ und den aufbrandenden „Rachedurst“ im Land. Aber Gideon Levy, Kolumnist der renommierten israelischen Tageszeitung Haaretz, schlägt in den internationalen Leitmedien unterschlagene Töne der Vernunft an: Es ist „unmöglich, zwei Millionen Menschen auf Dauer [im Gazastreifen] einzusperren, ohne einen grausamen Preis zu zahlen“. „Die Drohungen, ‘Gaza zu planieren‘, zeigen nur eines“, so Levy allerdings pessimistisch weiter: „Wir haben nicht das Geringste gelernt.“ Statt des angelaufenen Militäroffensive und aufgepeitschten Kriegshysterie ist es vielmehr höchst an der Zeit, so die KPI und Hadasch, „die Kriegstrommeln zum Schweigen zu bringen und Schritte einzuleiten, die zu einer politischen Lösung führen“. Oder, wie es der Knesset-Abgeordnete Ofer Cassif (Hadasch) formulierte: „Es gibt keine militärische Lösung, nur eine politische – das Ende der Besatzung und palästinensische Unabhängigkeit.“