Equal Pay Day und Lohnkampf in der Hochinflationszeit!

Statistisch gesehen arbeiten Frauen mit heute, 30. Oktober, dem österreichischen Equal Pay Day 2022, gratis bis zum Jahresende. Das heißt, rein rechnerisch haben männliche Kollegen bis heute also durchschnittlich schon so viel verdient, wie weibliche Kolleginnen in Österreich aufgrund der geschlechtsspezifischen Lohnschere bis Ende des Jahres verdient haben werden. Rechnete man, wie zur Veranschaulichung des Equal Pay Days Usus, die vorrangig weibliche „Zwangs-“Teilzeit nicht heraus, fiele der EPD sogar bereits auf den 22. August (also nochmals 68 Tage früher). Dementsprechend sind weibliche Beschäftigte von der aktuellen Teuerungswelle auch nochmals besonders betroffen.

Erst wenn am Ende des Jahres alle – egal ob Mann oder Frau – im Schnitt gleich hohe Beträge am Jahres-Lohnzettel stehen haben, wäre der „Equal Pay Day“ der 31. Dezember. Die Schere zwischen den Löhnen und Gehältern von Frauen gegenüber Männern klafft demgegenüber jedoch ungebrochen massiv auseinander. In Lohn und Brot stehende Kolleginnen verdienen nach wie vor um 17,1% weniger als ihre männlichen Kollegen. Womit (ganzjährig vollzeitbeschäftigte) weibliche Werktätige über das Jahr im Durchschnitt 9.420 Euro weniger verdienen. Über das Erwerbsleben gerechnet liegen die Einkommensscheren im Land bei exorbitanten rund einer halben Million Euro. Trotzdem Frauen etwa bei den Bildungsabschlüssen nicht nur aufgeholt, sondern ihre männlichen Kollegen sogar bereits überflügelt haben.

In Kalendertagen ausgedrückt arbeiten Frauen in Österreich sonach ab heute im Schnitt 63 Tage gratis. (Die statistisch ungewöhnlich ‚hohe‘ Rückgang um 5 Tage zum Vorjahr verdankt sich dabei weniger realen Lohnangleichungen, als vorrangig sich in den Lohnsteuerdaten Ende 2020 manifestierenden Kriseneffekten, mit denen viele arbeitslos gewordene, vor allem schlechter bezahlte Frauen vorübergehend aus der für den Gender-Pay-Gap relevanten Statistik entschwanden – detaillierter: https://awblog.at/gender-pay-gap-2/.) Und in zahlreichen einzelnen Bundesländern ist die Lohndiskriminierung sogar noch höher. So fiel der Equal Pay Day in Vorarlberg mit einer Lohn- und Gehaltskluft von 24,7% heuer bspw. bereits auf den 2. Oktober (oder bemisst sich auf 91 Tage). Aber auch Oberösterreich mit 21,1% (umgerechnet 77 Tage) oder Tirol mit 20,5%, Niederösterreich sowie andere Bundesländer hatten ihren Equal Pay Day, der sich in Österreich über die Bundesländer insgesamt von 2. Oktober bis 18. November streckt, schon nochmals früher.

Und die österreichische Lohnschere ist noch viel beschämender als gemeinhin bekannt. Hier schneidet Österreich vielmehr auch international besonders schlecht ab – und belegt seit Jahrzehnten einen der hintersten Plätze in Europa. Im EU-Raum rangiert Österreich überhaupt auf dem drittletzten Platz.

Dieses tiefe Lohngefälle hat aber nicht nur massive bis drastische akute Armutswirkungen, wie Niedriglöhnerei, Armutsgefährdung und ein regelrechtes Abrutschen in Armut trotz Arbeit, sondern befördert auch von Neuem manifeste materielle Abhängigkeiten der Frauen von Männern und zeichnet vielen Kolleginnen schnurstracks den Weg in die Altersarmut vor. Der nochmals himmelschreiendere Pensions-Gap von zuletzt 42,3%, auf Basis der Median-Pension sogar 49,2%, spricht Bände.

Und die aktuelle türkis-grüne Steuerreform tendiert dazu, die Einkommensschere à la long wieder weiter aufzureißen: denn von deren Senkung der Tarifstufen 2 und 3 profitiert das Gros der Frauen kaum resp. viel weniger als Männer, wie Frauen aufgrund der geschlechtsspezifischem Einkommenskluft auch den erhöhten Familienbonus – wenn überhaupt – in nur weit geringeren Umfang geltend machen können. Denn der Löwenanteil der Entlastung der teilautomatischen Abschaffung der Kalten Progression fließt zu satten 80% den oberen drei Fünftel der Einkommenssegmente zu.

Um die spezifische geschlechtliche Lohnschere, sprich: Differenz in der durchschnittlichen Bezahlung von Frauen und Männern zu veranschaulichen, fußen die Berechnungen des Equal Pay Days auf den durchschnittlichen Bruttojahresbezügen der ganzjährig Vollzeitbeschäftigten. Nicht enthalten sind folglich Teilzeitbeschäftigte und die grassierende „Zwangs-“Teilzeit für Frauen sowie diversen Prekarisierungen. „Berücksichtigt man auch Teilzeitbeschäftigte, die noch dazu in den meisten Fällen weiblich sind (in Österreich arbeitet etwa die Hälfte der Frauen in Teilzeit)“, so das Momentum Institut, „schnellt der GPG (Gender Pay Gap) auf satte 36 Prozent hoch. Zieht man diese beträchtliche Einkommensschere zur Errechnung des EPD heran, landen wir mit etwa 131 unbezahlten Arbeitstagen von Frauen beim 22. August 2022.“ Nun lässt sich eine solche Berechnung aus statistischer Perspektive, der es um die sogenannte „bereinigte Lohnlücke“ geht (d.h. unter Herausrechnung der Einflüsse die sich aus der unterschiedlichen Art der Beschäftigung ergeben), natürlich mit Fragezeichen versehen – was aber nichts an den Arbeits- und Lebensrealitäten ändert. Denn die Diskriminierung beginnt bei der Einstellung, den Tätigkeitsbereichen, den Beschäftigungsformen, den Gehaltseinstufungen, strukturellen Benachteiligungen usw. usf. – sowie den Einkommensdifferenzen der unterschiedlichen Beschäftigungssektoren (Stichwort: sogenannte „Frauenbranchen“ wie Handel oder Care-Sektor).

Entsprechend sind weibliche Beschäftigte von der aktuellen Teuerungswelle auch nochmals besonders betroffen. Nur umso mehr gilt es denn auch, dem in den begonnenen und bevorstehenden KV-Runden vom Handel bis in den Care-Sektor konsequent und kämpferisch entgegenzusteuern. Mit dem auf der KV-VerhandlerInnen-Konferenz am 7.9. ausgerufenen Mindestlohn und -gehalt von 2.000 in allen Kollektivverträgen liegt auch ein konkretes Kampfziel auf dem Tisch. Zusätzlich braucht es mit dem Ziel einer „kurzen Vollzeit“ für alle einer Anhebung der Einkommen für Teilzeitlerinnen per genereller gesellschaftlicher Arbeitszeitverkürzung. Denn auch Teilzeitbeschäftigte zahlen ganze Energierechnungen, Einkäufe und Mieten und trifft die volle Inflation.

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