Zum 10. Jahrestag des faschistischen Massakers in Norwegen

Heute vor exakt 10 Jahren erschütterte das Massaker des norwegischen Faschisten Anders Breivik auf der Insel Utøya die Welt. Nach einer Bombenlegung in Oslo, die 8 Todesopfer forderte, machte er gezielt Jagd auf linke AktivistInnen der sozialistischen Jugend Norwegens und massakrierte dabei 69 TeilnehmerInnen eines Jungendlagers der Arbeiter-Jugendliga (AUF). Im Anschluss vermeldete er knapp und militärisch: „Breivik. Kommandant. Organisiert in der antikommunistischen Widerstandsbewegung gegen die Islamisierung. Operation durchgeführt.“

Anlässlich des 10. Jahrestags dieses rechtsextremen, schwersten Terroranschlag in Norwegen seit Ende des Zweiten Weltkriegs, nachstehend auszugsweise und stark gekürzt aus dem umfangreichen Gedenkartikel von Peter Steininger in der heutigen Ausgabe des Neuen Deutschland (im Gesamten nachzulesen hier nachzulesen).

Es ist nie vorbei. (…) Die Pathologisierung der ideologischen Denkweisen von Breivik, die ihn als Einzeltäter von der Gesellschaft absondert, ist eine bis heute anhaltende Erscheinung. Sie bildet weiter eine Sperre gegenüber einer Selbstbefragung der Gesellschaft über Norwegens rege rechtsnationalistische Szene, über Fremdenfeindlichkeit und Islamophobie als Hintergrund zu Breiviks Selbstverständnis, eine politische Tat im Interesse vieler zu begehen.

Das Ausmaß, die Heimtücke und Skrupellosigkeit, mit der Breivik seine surreal erscheinende Mordorgie beging, heben sie unter den rechten Hassverbrechen heraus. Ganz allein verübte der Fanatiker den schwersten Terroranschlag in Norwegen seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Am Tag, der nicht aus heiterem Himmel kam, schlug Breivik zunächst im Zentrum von Oslo zu. Kurz vor 15.30 Uhr explodierte vor dem Regierungsgebäude Höyblokka eine Bombe, die der Täter in einem Lieferwagen deponiert hatte. Etwa eine Tonne Düngemittel hatte er für ihren Bau verwendet. Die gewaltige Detonation verwüstete den 17-stöckigen Bau, in dem das Justizministerium und der damalige sozialdemokratische Ministerpräsident Jens Stoltenberg ihren Sitz hatten. Acht Menschen starben bei dem Anschlag, mehr als 200 erlitten Verletzungen. Dies allein hätte genügt, um das skandinavische Land mit seinen etwas mehr als fünf Millionen Einwohnern einen kollektiven Schock zu versetzen.

Der Bombenanschlag war nur der Auftakt zu einem kaum fassbaren weiteren Horror. Breivik, der sich zu Fuß vom Tatort entfernt hatte, fuhr mit einem Auto zur etwa dreißig Kilometer von Oslo im See Tyrifjord gelegenen Insel Utøya, zu der er sich mit einer Fähre übersetzen ließ. Die Jugendorganisation von Stoltenbergs Arbeiterpartei veranstaltete hier ihr jährliches Sommercamp. Die kleine Insel mit einer Cafeteria, Unterkünften und Schulungsräumen befindet sich im Besitz der Arbeiter-Jugendliga (AUF). Etwa 560 Personen, die meisten Jugendliche, befanden sich auf Utøya, als Breivik kurz nach 17 Uhr dort eintraf. Breivik hatte sich als Polizist verkleidet und rief die Anwesenden zusammen, da er sie angeblich über den Anschlag von Oslo informieren wolle und zu ihrem Schutz da sei. Dann begann er zu schießen. Der Terrorist benutzte dabei ein halbautomatisches Gewehr vom Typ Ruger Mini-14 und eine großkalibrige Glock-Pistole. Als Mitglied in einem Schützenclub besaß er diese Waffen legal. Eine Stunde lang verfolgte Breivik systematisch die verzweifelt fliehenden Jugendlichen über das etwa 14 Hektar große Eiland, seine Opfer richtete er förmlich hin, während er über die Kopfhörer seines iPods Musik hörte. Versteckt zwischen Felsen am Ufer, hinter Bäumen im Wäldchen oder schwimmend suchten die Menschen auf Utøya dem Tod zu entkommen. 61 Minuten nach der Alarmierung der Polizei landete eine Spezialeinheit auf der Insel, wenige Minuten später konnte sie Breivik widerstandslos festnehmen. Den Polizisten bot sich ein Bild des Schreckens. Überall auf der Insel lagen Opfer des Massakers. Mit Booten wurden etwa 150 Menschen lebend aus dem Wasser gerettet.

Bei der Umsetzung seines Vorsatzes, der Arbeiterpartei einen maximalen Schaden zuzufügen, weil sie in Breiviks Augen für eine liberale Einwanderungspolitik stand, war er von grausamer Effizienz. Wie die Ermittlungen ergaben, hatte der damals 32-Jährige auf der Insel mindestens 187 Schüsse abgegeben. Auf die meisten der Verstorbenen feuerte er mehrfach. 67 Teilnehmer des AUF-Sommercamps starben an den ihnen von Breivik beigebrachten Schussverletzungen, zwei verunglückten tödlich auf der Flucht vor dem Menschenjäger. Dutzende weitere Jugendliche wurden verletzt.

Bevor er zur Tat schritt, hatte der Einzelgänger Breivik bei Facebook noch ein mehr als 1500 Seiten langes narzisstisches Manifest mit dem Titel »Eine europäische Unabhängigkeitserklärung« verbreitet. Der am 16. April 2012 eröffnete und zehn Wochen dauernde Strafprozess gegen den Mörder verschaffte diesem weitere Publicity. Wie bereits in den Vernehmungen unmittelbar nach der Tat interessierte sich Breivik auch während der Verhandlung ausschließlich für sich selbst und war bestrebt, sich in eine Märtyrerrolle zu rücken. Sein Machwerk richtet sich vor allem gegen eine Islamisierung und Feminisierung Europas und den sogenannten Kulturmarxismus. Das Konstrukt des »kulturellen Marxismus«, welcher die westliche Welt unterwandere, hat einen festen Platz im Kanon der neuen Rechten, die damit Aufklärung und Liberalismus meint.

Foto-Credits: Paal Sørensen,©, Utøya, the place of the attack on the Norwegian Labour Partys youth camp. Utøya, åstedet for terror anslaget mot AUF, https://de.wikipedia.org/wiki/Ut%C3%B8ya#/media/Datei:Ut%C3%B8ya_2.jpg, CC BY-SA 3.0

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