Türkei: Faşizme karsı!

Rede von Gerhard Mack/KOMintern-Sekretär auf der Kundgebung am 25.März in Wien nein zu erdogan

Liebe Freunde, liebe Genossen, sevgili arkadaslar, sevgili dostlar,
die Entwicklungen in der Türkei besorgen uns alle und gehen, wie einst etwa Pinochet’s-Chile, alle Demokraten, Antifaschisten, Internationalisten und Revolutionäre an. Oder um es mit Mithat Sancar, Prof. für Völkerrecht und Parlaments-Abgeordneter der HDP, auszudrücken: Erdogan, die AKP und MHP sind Teil der `internationalen Rechten´ – auch wenn sich deren Protagonisten „gegenseitig nicht mögen“

Um sein großes Projekt, den Umbau der Türkei in eine – verharmlosend „Präsidialsystem“ genannte –  Präsidialdiktatur zu erreichen, hatte Erdogan das Land nach seiner Wahlniederlage im Juni 2015:

  • in einen nationalistisch-chauvinistischen Taumel gejagt,
  • seinen schmutzigen Krieg gegen Kurdistan, die kurdische Befreiungsbewegung und türkische Linke entfesselt,
  • der Presse, den religiösen Minderheiten (unter ihnen allen voran den Aleviten) und jeglicher Opposition den Krieg erklärt,
  • und einen faktischen Ausnahmezustand über das Land verhängt.

Dem parlamentarischen Widerstand der HDP gegen sein Präsidial-Projekt, schlug er letzten Juni in einem kalten Staatsstreich mit der Aufhebung der Abgeordnetenimmunität die Köpfe ab, steckte die beiden Kovorsitzenden Selahattin Demirtas und Figen Yüksedag sowie ein Dutzend weitere Abgeordnete ins Gefängnis, und droht mit diesem Coup, die HDP de facto aus dem Parlament zu fegen.
Nach dem Putschversuch seitens Teilen des Militärs im Juli 2016, und die Gunst der Stunde als „Geschenk Gottes“ nutzend, verhängte der türkische Präsident darauf auch formal den Ausnahmezustand über das gesamte Land und begann eine drakonische Säuberungskampagne und Repressionswelle.

  • Tausende fielen dem Staatsterror seither zum Opfer.
  • Hunderttausende wurden vertrieben bzw. sind auf der Flucht.
  • Ganze Städte und Stadtteile wurden regelrecht dem Erdboden gleichgemacht, Bürgermeister reihenweise ihrer Ämter enthoben und Städte und Gemeinden unter polizeilich-militärische Sonderverwaltung gestellt.
  • Über Hunderttausend Andersdenkende wurden seither aus dem Staatsdienst entfernt – allein in Diyarbakir über 4.000 LehrerInnen. Zieht man die beschlagnahmten zivilen Firmen hinzu, verloren mehr als 125.000 Menschen in der über das Land rollenden Hexenjagd ihren Job.
  • Über 42.000 Personen sitzen wegen vermeintlichen „Terrorverdachts“ in Untersuchungshaft, weitere 36.000 müssen sich regelmäßig bei Polizeibehörden melden –  zusätzliche 5.000 stehen noch auf Fahndungslisten
  • Missliebige Medien wurden einfach dicht gemacht, der Rest der Medien wurde faktisch gleichgeschaltet.
  • 158 Zeitungen, Verlage, Rundfunk- und Fernsehsender wurden per Notstandsdekret verboten, Tausende JournalistInnen verloren ihren Job, Dutzenden wurden Farce-Prozesse gemacht, 151 befinden sich unter dem allgegenwärtigen Vorwurf der „Unterstützung von Terrororganisationen“ weiterhin in Haft.
  • Andersdenkende aller Couleur sind für vogelfrei erklärt.
  • Den Arbeitenden und Gewerkschaften wurde das Streikrecht entzogen – Streiks verboten und mit dem expliziten Verweis auf den Ausnahmezustand für illegal erklärt
  • Und mit dem parlamentarischen Putsch gegen die linke pro-kurdische HDP im Vorjahr, versucht sich der Gebieter auf dem Staatspräsidenten-Thron immer forcierter auch noch der standhaftesten parlamentarischen Opposition seines Präsidial-Projekts zu entledigt.
  • Mehr als 5.400 HDP-Politiker sind seit letztem Sommer festgenommen worden, gegen 1.482 von ihnen wurde Haftbefehl erlassen

Nach der Selbstentmündigung des Parlaments im Vorjahr, hat dieses auf Geheiß Erdogans im Jänner nun seine politische Selbstexekution vollzogen und mit einer 3/5tel Mehrheit aus AKP und der ultranationalistischen faschistischen MHP das Verfassungs-Referendum durchgedrückt – und sich selbst zu einem Marionetten-Parlament degradiert, das die Fäden nun auch de jure in Erdogans Hände legt.

Faktisch nimmt Erdogan die neue Verfassung bereits vorweg und regiert auf Boden der mehrfachen Proklamation des Ausnahmezustands per Notstandsverordnung und Dekret. Die zentralen politischen und bürgerlichen Grundrechte wurden suspendiert.
Mit dem bevorstehenden Referendum am 16. April soll seine Präsidial-Diktatur jedoch auch ihre formelle, konstitutionelle Legitimation erhalten und ein religiös-nationalistisch gefärbtes „neues Sultanat“  institutionalisiert werden.
Getreu seinem politischen Credo: „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind.“ 1999 für die Rezitation dieser Zeilen bekanntlich wegen Volksverhetzung verurteilt, soll die damalige Prophezeiung nun in Erfüllung gehen.
Und in der Tat würde das türkische Präsidialregime, das in seiner institutionellen Ausgestaltung keineswegs mit den präsidialen Systemen in Europa oder den USA vergleichbar ist, schlicht eine erneute Institutionalisierung des Faschismus bedeuten.
Das Parlament verkümmert darin zur Demokratie-Kulisse – die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative wird getilgt.

  • Im Zentrum steht der Präsident, der „neue Sultan am Bosporus“. Das Amt des Ministerpräsidenten wird abgeschafft. Der Präsident ist zugleich Staats- und Regierungschef.
  • Er kann Minister ernennen, die nur ihm gegenüber verantwortlich sind.
  • Er kann das Budget vorlegen.
  • Er kann sein Veto gegen Gesetzesentwürfe des Parlaments einlegen.
  • Jederzeit das Parlament auflösen – und Neuwahlen ausrufen / während dieses weder gegen den Präsidenten oder einen seiner Minister einen Misstrauensantrag stellen und ihn stürzen kann.
  • Er kann tief in die Justiz und das Justizsystem eingreifen (die Hälfte der Mitglieder des „Hohen Rates der Richter und Staatsanwälte“ – also jenes Gremiums, das Richter und Staatsanwälte beruft – bestimmen, sowie 12 der 15 Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs)
  • Und schließlich jederzeit den Ausnahmezustand ausrufen und per Dekret (sowie faktisch ohne Kontrolle) regieren.

Der Notstand wird zum Dauerzustand, die Präsidial- und Ein-Mann-Diktatur zum Staatsgrundgesetz.
Das Parlament, die „Große Nationalversammlung“, ständig unter dem Damoklesschwert der Parlamentsauflösung debattierend, spielt nur noch die Rolle einer „symbolischen“ Kulisse.
Entsprechend euphorischen Beifall erntet die Verfassungsreform denn auch von Prinzessin Nilhan Osmanoglu, Urururenkelin von Sultan Abdulhamid II, die auf sozialen Netzwerken ausrichten läßt: sie stimmt selbstverständlich für das Präsidialsystem – „Es reicht mit dem Parlamentarismus“
Im Herbst 2019 soll das neue Staatsoberhaupt dann inthronisiert werden  – und Erdogan, auf Boden der enthaltenen juristischen Hintertüren des Verfassungsentwurfs, mit faktisch garantierter unbegrenzter Kandidatur, lebenslang die Geschicke des Landes bestimmen.
Und genau dagegen sagen wir: Nein!
Und senden allen die sich trotz Ausnahmezustands, Staatsterrors, schmutzigen Krieg und repressiven Klima gegen Erdogan und sein Präsidial-Projekt stellen unsere Grüße!
Davon vermag uns auch Yildirim’s Drohung,  wer sich dem reaktionären Umbau der Türkei widersetzt „wird ausgelöscht“, nicht abhalten
Aber wir dürfen uns auch keiner Illusion hingeben. Der siegreiche Kampf gegen den Despoten und Schlächter Erdogan wird einen langen, harten Kampf an vielfältigen Fronten der Auseinandersetzung erfordern – der weit über das Referendum hinausreichen wird.
Nicht weniger illusorisch wäre ein Hoffen auf die Herrschenden EU-Europas. Die ökonomischen und politischen Eliten der EU wie auch Österreichs arrangieren sich von der Ukraine, über Ungarn und Polen bis in andere Erdteile mit Putschisten und Kräften der extremen Rechten.
Ungeachtet des medialen Theaterdonners, der wochenlangen Debatte um Auftrittsverbote für AKP-Politiker, der Rede über tiefgreifende Zerwürfnisse in den zwischenstaatlichen Beziehungen und manch geopolitischer Divergenzen, ist die ökonomische, politische und militärische Achse des sog. Westens zum Wirtschafts- und Nato-Partner Türkei stabil. Und läuft hinter den Kulissen geschmiert wie immer.
Einen geradezu exemplarischen Beweis dafür, liefern die justiziellen Verfolgungen und Ausweitungen des Verbots von Symbolen und Fahnen des kurdischen Befreiungskampfes und der auf Geheiß des „neuen Sultan von Ankara“ verfolgten, inhaftierten und verurteilten politischen AktivistInnen und Revolutionäre aus der Türkei. Eine Kumpanei, in der sich die politischen Eliten, Geheimdienste und Justiz quer durch die EU zum willfährigen Erfüllungsgehilfen des türkischen Terror-Regimes machen – und den Widerstand der Arbeitenden, Unterdrückten, der Linken sowie des kurdischen Volks immer drastischer kriminalisieren.

„Es rettet uns kein höh’res Wesen … Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun“ – wie es in einer Strophe der „Internationalen“ heißt. Laßt uns also gemeinsam den Despoten und Schlächter Erdogan und seine faschistische Präsidial-Diktatur stoppen!
Haydi hep beraber Erdogan’ı durduralım!
Faşizme karsı omuz omuza!
Yaşasın enternasyonal dayanısma!

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