Frankreich. Alle reden von der Fußball-EM. Nur wenige von einem der brachialsten Anschläge auf das erkämpfte Arbeits- und Tarifrecht wie auf die Gewerkschaftsbewegung. Wir schon!
Unbeirrt der weitgehenden Ablehnung der Bevölkerung von bis zu 75% und des seit Anfang März anhaltenden breiten, massiven Widerstands gegen das geplante, sozialreaktionäre Arbeitsrechtspaket, versucht die französische Staatsspitze das geltende Arbeitsrecht auf Biegen und Brechen im Interesse der Unternehmer zu schleifen.
Die von Staatspräsident Hollande und seinem Premier Valls mit aller Macht forcierte (weitgehend dem Forderungskatalog des Unternehmerverbands MEDEF entstammende) Arbeitsrechtsnovelle, wurde vom Vorsitzenden des an der Spitze des Widerstands stehenden kampferprobten linken „Allgemeinen Gewerkschaftsbund“ CGT, Philipe Martinez zurecht als eine „Rückkehr ins 19. Jahrhundert“ charakterisiert:
* Unterminierung resp. De-facto-Schleifung der einst hart errungenen 35-Std.-Woche
* Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf bis zu 60 Std.
* Lockerung des Kündigungsschutzes „zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit“
* Erleichterung betriebsbedingter Kündigungen
* Einführung neuer prekärer Arbeitsverträge
* Drastische Deckelung der finanziellen Abfindung bei Massenkündigungen zugunsten der Unternehmer
* Last but not least aber soll vor allem der Einfluss der Gewerkschaften zurückgedrängt werden und Vereinbarungen auf Betriebsebene hinkünftig den Vorrang vor Branchen- und Flächenkollektivverträgen, ja sogar vorm Arbeitsgesetz erhalten.
Mit diesem Radikalumbau würde die etablierte Rangordnung ‚Arbeitsrechtsgesetze – Kollektivverträge – Betriebsvereinbarung’ geradezu auf den Kopf gestellt, die KV-Vereinbarungen unterlaufen bis gänzlich ausgehebelt und das historisch erkämpfte französische Arbeitsgesetz zur Makulatur degradiert.
Eine Auseinandersetzung, in der es für die Arbeitenden und Gewerkschaften der „Grande Nation“ in der Tat ums Eingemachte geht. Zur Durchsetzung dieser Arbeitsrechtsderegulierung und Billiglohnstrategie sind den sozialdemokratischen Eliten allerdings alle Mittel recht.
So schaltete Regierungschef Valls angesichts der breiten Protestwelle wie fraglichen Mehrheit in den eigenen Parlamentsreihen in Rückgriff auf den Ermächtigungsartikel 49.3 der französischen Verfassung jüngst kurzerhand das Parlament aus und verabschiedete die Arbeitsmarktreform in erster Lesung per Dekret. Am 14. Juni soll es nun im Senat in zweiter Lesung durchgepeitscht werden – notfalls erneut mit der Verfassungskeule des Notverordnungsparagraphen 49.3.
Gegen diesen Generalangriff entbrannte und tobt denn auch der größte Arbeitskampf des Landes seit Jahren: Mit Aktionstagen und Demonstrationen, die Hundertausende auf die Straßen Frankreichs mobilisierten, Streiks und gezielten Blockaden gegen die Lebensnerven des Systems. Sein Ausgang wiederum wird die Geschicke zugleich weit über das „Land an der Seine“ hinaus bestimmen.
So nehmen die Fanfarenstöße nach „flexibleren Arbeitszeiten“, eines Zurücks zum „12-Std.-Tag“ oder nach „harten Reformen“ im Pensionssystem auch in Österreich stetig zu.
Der Tag der Entscheidung im Schatten des Eifelturms rückt näher. Der Kampf tritt nun in eine nochmals verschärfte wie entscheidende Phase.