Stellantis schließt Wiener Opel-Werk: In Aspern verglüht der Stern am Automobilhimmel

Nun ist es besiegelt: Das traditionsreiche Opel-Werk Wien Aspern, 1979 noch von Bruno Kreisky zusammen mit dem Generaldirektor von General Motors Austria medienwirksam als Prestigeunternehmen der österreichischen Industrie persönlich eröffnet, wird geschlossen. Damit werden auch die letzten verbliebenen 300 OpelianerInnen jenes einstigen Premiumbetriebs der heimischen Automobilbranche auf die Straße gesetzt. Und zugleich ein einst ruhmreiches Stück österreichischer Industriegeschichte beendet.

„Die rasante Digitalisierung, der Einsatz von Automatik und Robotik, führt verstärkt dazu, auf Menschen im Produktionsprozess zu verzichten. Darüber hinaus setzt die Autoindustrie in diesem Zusammenhang auf neue Formen der Fortbewegung, wie zum Beispiel das autonome vernetzte Fahren [und neue Antriebstechnologien, wie den E-Motor, wie zu ergänzen wäre, Anm.]. … Der kapitalistische Konkurrenzkampf um Markt und Marktbeherrschung nimmt zu. Konkurrenten sollen ausgeschaltet werden und da, wo es nicht geht, werden sie aufgekauft. Ein Beispiel dafür ist der Autokonzern Stellantis, der durch die Fusion von Groupe PSA (Peugeot, Opel, …) mit Fiat Chrysler entstanden ist. Schon jetzt ist absehbar, dass diese Fusion als Folge den Abbau von Arbeitsplätzen haben wird. Aber auch die Verlagerung von Produktion in Länder, in denen die Löhne weitaus niedriger sind als im eigenen Land, führt zu Druck auf die Beschäftigungsverhältnisse …“ schrieb bereits vor annähernd genau zwei Jahren der Gewerkschafter Olaf Harms, aus dem Autoland Nummer 1 Deutschland.

‚Stellantis‘ oder das Verglühen in der Sternenkorona des Premium-Autoherstellers

Kurz zuvor, im Jänner 2021, ging aus besagter Fusion der viertgrößte Autohersteller der Welt „Stellantis“ hervor – mit Marken wie Peugeot und Citroen, Opel, Fiat, Chrysler, Jeep und Maserati sowie über 400.000 Beschäftigten. „Die lateinischen Ursprünge des [Konzern-]Namens sind eine Hommage an die reiche Geschichte der Gründerunternehmen“, hieß es dazu in einer Mitteilung des neuen Konzerns. Mit „Stella“, dem lateinischen Wort für Stern, solle der astronomisch inspirierte Geist von Energie und Optimismus zum Ausdruck gebracht werden. Der außer in der Autobranche, unter Wirtschaftsinteressierten sowie Betroffenen und Gewerkschaften allerdings nicht so geläufige Name, blieb freilich auf Konzernebene beschränkt; die gängigeren Namen der Gruppen und Marken blieben bewusst unverändert. In eins mit dem neu geborenen Stern am Himmel der Autoindustrie lag bzw. legte sich über das Wiener Werk allerdings bereits das Damoklesschwert des Verglühens in dessen Korona.

Die bereits vordem verordnete PSA-Rosskur gegenüber Opel

Doch bereits mit der Übernahme Opels durch den französischen Automobilkonzern PSA (Peugeot, Citroen, DS) im Herbst 2017 ging eine verordnete Rosskur einher: Durch den Zusammenschluss erwartete sich PSA jährliche „Synergien“ von 1,7 Mrd. Euro und einen 2%igen „Gewinn-Turnaround“ bis 2020. Sämtliche Bereiche und ganze Werke, die sich der PSA Profit-Strategie und angepeilten Einsparungen und „Verschlankungen“ nicht nahtlos einfügen würden, wurden von der Konzernleitung bereits damals öffentlich abgeschrieben und ein konzerninterner Konkurrenzkampf neuer Dimension entfacht.

Gewerkschaftliches Jammern und Lamentieren statt länderübergreifendem Arbeitskampf

Anstatt darauf allerdings mit einer länderübergreifenden, gemeinsamen, solidarischen und kämpferischen Gewerkschaftsstrategie zu antworten und die Erpressungen der Beschäftigten durch die Konzern-Bosse geeint zurückzuschlagen, setzte die Gewerkschafts-Führung auf „Abkommen“ mit Einbußen um „den Standort zu erhalten“ und bejammerte bereits im Frühjahr 2019 nach der Streichung von bis zu 400 Arbeitsplätzen in Wien-Aspern hilflos die „Wortbrüchigkeit“ der Konzernzentrale. Begleitend wurden die rausgeworfenen OpelianerInnen in altbekannter fatalistischer Manier mit Sozialplänen abgespeist.

Dieselbe Farce wiederholte sich zu Jahresbeginn 2020. Einen Arbeitskampf um den Erhalt der Arbeitsplätze zog der Betriebsrat abermals noch nicht einmal in Betracht, sondern zog demgegenüber erneut schulterzuckend sogleich die Sozialplan-Karte aus dem Talon.  

Endetappen der Opel-Abwicklung in Wien

Damit schrumpfet das in den 1990er Jahre insgesamt bis zu rd. 3.000 MitarbeiterInnen zählende Werk auf einen Restbestand von rund 600 Beschäftigten zusammen. Und das zudem noch vor dem Hintergrund, dass Opel im Sommer 2018 (also erst eineinhalb Jahre davor) mit 1 Mio. Euro seitens der Stadt Wien, die größte Unterstützung eines Einzelunternehmens seit zwei Jahrzehnten bekommen hat – um „den Standort zu erhalten“. Eine Stadtregierung von Rang, würde denn auch – nebenbei bemerkt – sofort die Investition zurückfordern (bzw. hätte sie schon seinerzeit an klare Beschäftigungsgarantien binden müssen).

Zumal im Oktober desselben Jahres die Motorenproduktion in Aspern ersatzlos auslief, was weiteren 300 Beschäftigten den Job kostete. Seither blieb als letzter Rest des einstigen Premiumobjekts österreichischer Industrie einzig noch die Fertigung von Getrieben übrig. Zwischen diesen beiden vorletzten Akten der Abwicklung des Standorts, forderte Stellantis CEO Carlo Tavares im Sommer 2020 (kurz nach einer deutlichen Konzernumsatzsteigerung im ersten Quartal), neuerliche harte Kostensenkungen bei Opel und läutete dem Opel-Werk Aspern den endgültigen Abgesang ein. Die bisherige Wiener Getriebeproduktion wird nach Frankreich verlegt.

Sozialplan-Karte, Zufallskonstellationen & der unendliche Mangel an industrie- und verkehrspolitische Perspektiven

Erneut wurde der seinerzeitige Kahlschlag durch Sozialpläne flankiert. Eine Reihe der hochqualifizierten GetriebebauerInnen kamen mit ihrem Know-how, Fähigkeiten und Fertigkeiten unter Vermittlung des waff damals beim Schienenfahrzeughersteller Bombardier unter, der gerade den Zuschlag für größere städtische Aufträge erhalten hatte und zusätzliche Beschäftigte für Logistik und Montage suchte. Diese für die seinerzeit abgebauten OpelianerInnen günstige Konstellation ergab sich allerdings zufällig und nicht etwa im Rahmen einer parallelen sozialen und ökologischen Mobilitätswende, samt systematischem Ausbau des Schienennetzes. Selbiges gilt aktuell wiederum für die angekündigten Jobangebote der aufgrund ihrer Niedriglöhne und unhaltbaren Arbeitsbedingungen von chronischem Personalnotstand geplagten Wiener Linien – oder den wohl noch kommenden Jobangeboten der nicht minder unter Personalmangel leidenden ÖBB.

Abschüssige gewerkschaftliche Bahn

Seitens der Gewerkschaft beschränkte sich die Agenda indes (nebst Sozialplänen) damals wie heute auf das hilflose Lamentieren über „Wortbrüchigkeit“ oder sich in „Luft aufgelöste“ Versprechungen des Kapitals (und einer unausdrücklichen Dankbarkeit für ein zur Endabwicklung des Standorts in der Donaustadt von Stellantis zugesagten Jobcenters). Diese abschüssige gewerkschaftliche Bahn zeigte schon seinerzeit nicht minder wie heute bloß erneut: Eine tragfähige gewerkschaftliche Strategiebildung und kämpferische Gewerkschaftspolitik sind notwendiger denn je. Eine lediglich kämpferischere Rhetorik, wie am gerade zurückliegenden ÖGB-Kongress fürs Publikum angeschlagen, reichen nicht nur nicht hin, sondern erweisen sich vielmehr als folgenlose Nebelgranaten. Für eine solche Wiederverwandlung der österreichischen Gewerkschaften in Kampfinstrumente der Arbeitenden, bedarf es allem voran jedoch der unabdingbaren Stärkung der klassenkämpferischen Kräfte im ÖGB und den Betrieben sowie einer neuen Selbstermächtigung der Werktätigen.

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