Monroes „Hinterhof“-Doktrin und Hitlers Neuordnungsprojekt unterm Hakenkreuz

Stehen die USA zum Jahreswechsel vor einer geschichtlichen Zäsur? Trotz ‚Neujahrsvorsatz‘ und Antrag auf ein Einmotten der berühmt-berüchtigten Monroe-Doktrin von Nydia Velázquez im US-Repräsentantenhaus natürlich nicht. Vor 200 Jahren, Anfang Dezember 1823, hielt US-Präsident James Monroe seine berühmte Rede zur Lage der Nation, auf welche die dann vom Kongress beschlossene Monroe-Doktrin datiert. Mit ihr wurde Lateinamerika, genauer: sämtliche Staaten der beiden Amerikas (wie zum Jahrestag in den zentralen Eckpunkten der Geschichte, Wandlungen und Aktualität nachgezeichnet), bekanntlich zum „Hinterhof“ (backyard) und außenpolitisch-militärischen Eingriffsgebiet Washingtons erklärt.

Ein Fleisch und Blut gewordenes Konstitut der westlichen Führungsmacht, das in seiner ungeheuerlichen, spezifischen Art geschichtlich wohl, wie vielfach üblich, nur mit dem imperialen Suprematie-Anspruch des Römischen Reichs und seinem „notorisch guten Gewissen, das die Römer bei ihrem Imperialismus besaßen“ (Alfred Heuss) zu vergleichen ist. Und bis heute ein unverzichtbares Bestimmungsstück im Ordnungsdenken, Hegemonismus und Vorherrschaftsanspruch des US-Imperialismus markiert. Seither, so der große Eduardo Galeano, Autor des Klassikers aller Klassiker des Subkontinents: „Die offenen Adern Lateinamerikas“ gilt bisweilen: „In ganz Mittelamerika präsidieren US-Botschafter mehr als Präsidenten“. Unbotmäßige oder einfach nur ungenügend kooperative oder gar antiimperialistisch orientierte Länder die sich aus dem imperialistischen Ordnungsdenken im US-„Hinterhof“ und der lückenlosen „Unterstützung … unserer weltpolitischen Ziele“ in dieser „Hemisphäre“ (so der Nationale Sicherheitsausschuss der USA) zu lösen trachten, treffen auf dem Fuß der Bannstrahl, Militärinterventionen und Staatsstreiche Washingtons. Für sie gilt bis heute ungebrochen der sarkastisch-zynische Spruch Latein- und Südamerikas: „Warum sind die USA das einzige Land des Kontinents in dem es keine steten Staatsstreiche gibt? Weil es als einziges Land Amerikas auf seinem Territorium keine US-Botschaft hat.“

Unter den US-Vasallen im „Wertewesten“ noch vielsagender verschwiegen wird freilich, wem die Monroe-Doktrin indes darüber hinaus expressis verbis Pate stand. Hitlers Kronjurist Carl Schmitt begründete nach expliziten US-Vorbild der Monroe-Doktrtin den deutschen „Far West“ gen Osten – wie sich Hitler vielfach ausdrückte. Denn die Monroe-Doktrin bildete für den Kronjuristen des Dritten Reichs „den Präzedenzfall eines völkerrechtlichen Großraumprinzips“ und imperialen Anspruch gegen „raumfremde Mächte“. Entsprechend galt der – auch von Hitler selbst immer wieder gewürdigte – „Amerikanismus“ Ideologen und Sympathisanten des deutschen Faschismus auch als Ausdruck und Modell eines „rassisch ausgesuchten Volkes“ (Hitler), als gefeiertes Synonym für „Landnahme“, ja, für „Kolonisation“ in „großen Räumen“, eines „gewaltigen Lebensraums“. Dergestalt preist auch Alfred Rosenberg, Chefideologe des NS-Regimes, die Vereinigten Staaten noch 1937, inmitten der Vorbereitung des Zweiten Weltkriegs wie faschistischen Raub- und Vernichtungskriegs, als dieses „herrliche[] Land[] der Zukunft“, dem das Verdienst zukomme, wesentliche Prinzipien formuliert zu haben, die es jetzt unterm Hakenkreuz auch in Europa praktisch umzusetzen gelte. Die daran anschließend mit zynischer Brutalität ins Werk gesetzten Besetzungen und Annexionen in Osteuropa beurteilt Schmitt wiederum entsprechend als „bedeutende Bestätigung“ der Monroe-Doktrin durch Nazi-Deutschland.

Die US-Abgeordnete Nydia Velázquez hat als Neujahrswunsch im 200. Jahrestag der schändlichen Doktrin nun einen Entschließungsantrag eingebracht, dass der US-Kongress ihre Monroe-Doktrin gegen „ihren Hinterhof“ offiziell zurücknimmt. Ein frommer Wunsch – der dem hiesigen Blätterwald bezeichnender Weise noch nicht einmal eine Notiz wert ist.

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