Im Alter von 60 Jahren ist der Publizist und politische Aktivist Wolfgang Purtscheller unerwartet in Wien verstorben. Ein Nachruf von Otto Bruckner, Bundesparteivorsitzender der PdA und ehem. KOMintern-AK-Rat.
Wir haben uns lange gekannt. Wolfgangs Weg und der meine kreuzten sich immer wieder. Wir lernten uns in den bewegten 1980er-Jahren kennen. Wolfgang war damals ein umtriebiger und aufgeweckter Tiroler, der in der Wiener Anarcho-Szene bereits zu den Wortführern gehörte. Er war – wie viele seiner Generation – ein politisch gebildeter Anarchist in der Tradition des proletarischen Anarchismus, den er in seinen Jahren in der Automobilhochburg Turin auch praktisch kennengelernt hatte. In der damals quirligen linken Wiener Szene gehörte er bald zu den Wort- und Rädelsführern, und spätestens seit der Räumung der besetzten Häuser in der Ägidi- und Spalovskygasse durch die Polizei auch zu den Sprechern der Hausbesetzerszene. Wir haben Opernballdemos zusammen organisiert, die Sozialdemos 1987 und 1988, gemeinsam waren wir der damaligen kurdischen, iranischen, türkischen und chilenischen Exilgemeinde in Wien verbunden. Bei einer Regierungsenquete zur sozialen Lage 1988, die als Abwiegelung der Bewegung abgehalten wurde, schmetterte er ein unvergessliches “Friede den Hütten, Krieg den Palästen” in den Saal.
Seinen vorübergehenden Aufenthalt bei den Zapatistas in Mexiko, der notwendig geworden war, da sich übereifrige Ermittler in den Kopf gesetzt hatten, dass Wolfgang mit der versuchten Sprengung eines Strommastens im niederösterreichischen Ebergassing in Verbindung stand, was sich später als haltlose Anschuldigung herausstellte, nützte er zur Erweiterung seines Horizonts und seiner Bildung. In Folge wurde er einer der führenden antifaschistischen Publizisten des Landes, der so manchem Neonazi zu ungewolltem Ruhm und Verurteilungen verhalf. Kein Wunder also, dass er von den Rechten gehasst und auch immer wieder bedroht wurde.
Als wir über die “neue Volksstimme” und “kominform.at” aufdeckten, dass die KPÖ-Führung unter Walter Baier das (von Purtscheller seinerzeit mitbesetzte) Ernst-Kirchweger-Haus an einen Mann aus der rechten Szene verkauft hatte, und anschließend dafür mit einer Prozesslawine überzogen wurden, war Wolfgang sofort solidarisch zur Stelle. Er versorgte uns mit zusätzlichen Fakten und Hintergründen, er half mit bei der Organisierung der Solidarität, und er schrieb selbst unermüdlich gegen diese Farce an.
Er war gern gesehener Referent in unseren Reihen, und ich schätzte ihn auch persönlich als aufrichtigen und gradlinigen Freund. Wir hatten – gerade in der Zeit der Besetzung des Ernst Kirchweger Hauses Anfang der 1990er-Jahre- auch heftige Sträuße ausgefochten, uns aber später so darüber verständigt, dass jeder sein Gesicht wahren konnte. Das Herz eines mutigen und zugleich sensiblen, eines voranschreitenden und oft auch einsamen und verzagten, eines geradlinigen und tapferen Menschen hat heute zu schlagen aufgehört. Adieu, Companero!