TTIP & CETA im Atlantik versenken!

Anlässlich des Besuchs von US-Präsident Barack Obama am 23.4. in Deutschland mit dem Ziel, die Verhandlungen zu TTIP voranzubringen und kräftig die Werbetrommel für das Abkommen zu rühren, finden viele Proteste und Demonstrationen statt. Hier das KOMintern-Flugblatt dazu: ttip

Um die Liberalisierungen des Welthandels weiter zu forcieren und neue Machtpositionen der transnationalen Konzerne und international agierenden Banken durchzusetzen, spannten die kapitalistischen Metropolen ein dichtes Netz von bilateralen bzw. regionalen Freihandels- und Investitionsabkommen rund um den Globus.

Neue Qualität globaler Wirtschaftsliberalisierung

Rund 3.200 derartiger Abkommen existieren derzeit. 90% davon beinhalten „Investor-Staats-Verfahren“ (sog. Investitionsschutzbestimmungen), welche Großinvestoren demokratieresistent machen. Die aktuell verhandelten Abkommen TTIP, CETA und TiSA (siehe Rückseite) würden die weitere Liberalisierung des Welthandels von Waren, Dienstleistungen und Finanzen nicht „nur“ in Umfang und Inhalt nochmals eine neue Quantität und Qualität erreichen lassen, sondern zudem eine supranationale Verfassung der Banken und Konzerne über große Teile des Erdballs legen. Eine gänzliche Wirtschaftsliberalisierung ohne rechtliches Zurück.

Demokratie-immune Sonderklagerechte

Die darin beinhalteten Sonderklagerechte für internationale Investoren würden es Konzernen und Banken ermöglichen, die Unterzeichnerstaaten vor (geheimen) Tribunalen auf Schadensersatz zu verklagen, wenn Gesetze ihre Gewinnerwartungen schmälern! Dergestalt würden die transnationalen Konzerne und Großbanken diesen Abkommen zufolge zu den entscheidenden Subjekten internationalen Rechts erhoben, das sie weitgehend demokratischen Entscheidungen enthebt und immun gegen jeden sozialen und demokratischen Fortschritt machen würde. Jedwedes profitmindernde oder auch nur die zukünftigen Profiterwartungen tangierende progressive Gesetz könnte über eine (private), dem öffentlichen Justizwesen übergeordnete, Gerichtsbarkeit attackiert werden. Verhandelt auf eigenen, zumeist in Hotelzimmern tagenden, von den Streitparteien aus einschlägigen Anwaltskanzleien mit Richtern beschickten Schiedsgerichten – ohne Berufungsmöglichkeit gegen gefällte Urteile bei einer höheren Instanz, außerhalb aller nationalstaatlichen, demokratischen Rechtssysteme. Ein vielfach nicht zu unrecht als „kalter Staatsstreich“ der Konzerne und Banken charakterisiertes Projekt. Zumal es darüber hinaus auch noch vollends eingleisig verfasst ist. So haben Investoren darin im Grunde nur Rechte, keine Pflichten (etwa die Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte). Entsprechend sind denn auch für die Staaten keine Klagerechte ihrerseits vorgesehen.
Völlig zurecht hat sich daran denn auch massive Kritik entzündet. Um das geplante „Diktat der Konzerne“ dennoch durchzupeitschen, wird seitens des EU-Handelskommissaritats nun der Vorschlag eines „Investitionsschutz neu“ lanciert: die Schaffung eines internationalen Gerichtshof für Investitionen anstelle der privaten Schiedsverfahren. Der substantielle Kern wie die grundsätzliche Kritik am Investorenschutz und die damit einhergehende Aushebelung des Rechtsstaats und Installierung privilegierter Klagsrechte für Konzerne und Investoren würden von einem solchen Gerichtshof jedoch nur kosmetisch, in seinen konkreten Mechanismen, tangiert.

Kalter Staatsstreich der Konzerne

Mit diesen Sonderklagerechten wird den Konzernen und Banken aber nicht nur die Keule milliardenschwerer Entschädigungsklagen gegen verabschiedete Gesetze in die Hand gegeben, sondern damit zugleich die Keule für Präventivschläge gegen unliebsame erwogene Gesetze vorzugehen – etwa durch einfache Klagsdrohung. Eine Praxis, die auf Basis bereits bestehender Handels- und Investitionsschutzabkommen schon heute gängiger ist als einer breiten Öffentlichkeit bekannt – und Regierungen weltweit gut überlegen lässt, ob und welche Gesetze sie erlassen. „Regulatory chill“ heißen diese Androhungen einer Klage, um geplante Gesetzte abzuwürgen oder zu verwässern.

Klauseln gegen jedes juristische Zurück

Parallel hierzu würden mit den eingefügten „Stillstands-“ und „Ratchet-Klauseln“ (= Sperrbestimmungen)  einmal erreichte Dammbrüche an Liberalisierungen und Privatisierungen einen rechtlich unhintergehbaren Rang erhalten. „Rekommunalisierungen“ und „Wiederverstaatlichungen“ einmal veräußerter Einrichtungen, öffentlicher Dienste und Werke wären damit ein Riegel ohne juristischen Point of Return vorgeschoben.

Regulierungsrat der Insitutionen & Konzerne

Die seitens der EU-Kommission in die Verhandlungen eingebrachte „regulatorische Kooperation“ bedeutete eine weitere und weitreichende Einschränkung der nationalen Souveränität und demokratische Aushöhlung. Neue Regeln oder geplante Regulierungsvorhaben (seien es z.B. Finanzmarktregulierungen, Kündigungsschutz oder Umweltstandards) bedürften dann bereits im Vorfeld umfassender Konsultationen der Vertragsparteien und der Befassung von Vertretern aus der EU-Kommission und des US-Kongresses mit den geplanten Gesetzesvorhaben. Dies, um die zunehmende Einheitlichkeit der Regelungen zu gewährleisten und die Folgen für den Handel abzuschätzen. Ein behördlicher Mechanismus mit zudem institutionalisierter Einbeziehung der US-amerikanischen und europäischer Unternehmerverbände in die Gesetzgebung. Die Rückmeldungen der Kapitallobby sollen nicht nur kategorisch  „berücksichtigt werden“. Den Unternehmen und Banken würde darüber hinaus das zusätzliche Instrument in die Hand gegeben gegen missliebige Regelungen einen transatlantischen „Dialog“ erzwingen  zu können.
Qalitativ neue Macht- und Herrschaftsdimensionen die, wie rückseitige Beispiele verdeutlichen, bis hinein in die unmittelbarsten gewerkschaftspolitischen Felder reichen!

Alle Macht den Konzernen?
Beispiele aus der Sozial- und Arbeitswelt

Konzerne gegen Arbeitskämpfe:
2001: Der amerikanische Rohstoffkonzern „Noble Ventures“ verklagt in einem Investor-Staats-Verfahren aufgrund eines Arbeitskampfes die rumänische Regierung. „Noble Ventures“ hatte sich in Rumänien ein ehemaliges Staatsunternehmen unter den Nagel gerissen. Die massiven Proteste, Streiks und Betriebsbesetzungen der Beschäftigten gegen die Privatisierung haben der Optik des US-Konzerns zufolge jedoch das Investment verteuert. Vor diesem Hintergrund klagte „Noble Ventures“ die Bukarester Regierung, weil diese das Unternehmen nicht ausreichend vor Arbeitskämpfen gewarnt und „angemessen“ vor Streiks und Betriebsbesetzungen geschützt habe!
Konzerne gegen Mindestlöhne:
2012: Der französische Konzern „Veolia“ hat gegen Ägypten Klage wegen dessen Einführung eines Mindestlohns eingebracht. Dieser, wie das neue Arbeitsrechtspaket – zwei der wenigen Errungenschaften, die sich die ägyptischen Werktätigen 2011 erkämpft hatten – verursachten höhere Kosten und minimierten somit die Gewinnerwartung des Konzerns. Also ab vor den Kadi mit Mindestlohn und Arbeitsrecht!
Konzerne gegen Lohnzuschläge:
Die kanadische Gesellschaft „Centerra Gold Inc.“, im kirgisischen Goldbergbau-Geschäft aktiv, zerrt gegen die von der Regierung geplanten Lohnzuschläge für Minenarbeiter, die in großer Höhe arbeiten müssen (Zuschläge bei Minenarbeit über 4.000 m) Kirgisistan vor ein internationales Schiedsgericht, und beeinspruchte diese Schwerarbeiterregelung kurzerhand!
Konzerne gegen Antidiskriminierung:
2006: Italienische Investoren initiieren ein Schiedsverfahren gegen Südafrika und klagen gegen dessen verabschiedetes Bergbaugesetz, das eine Neuzuteilung aller Abbaulizenzen vorsah. Zu den neuen Konditionen der Regierung gehörten auch Kriterien der „Black Economic Empowerment“, die die Unternehmensanteile historisch benachteiligter Südafrikaner-Innen an der Ausbeutung der Bodenschätze auf 26% erhöhen sollte. Gegen diese Abtretung von einigen Unternehmensanteilen wurde flugs justiziell mobil gemacht, da diese Änderung einer „Enteignung gleichkäme“. 2010 sah sich Südafrika veranlasst, einem außergerichtlichen Vergleich zuzustimmen, und verzichtete darin auf die Abtretungs-Auflage. Um derartigen Konzern-Klagen hinkünftig zu entgehen, kündigte Südafrika 2013 seine bilateralen Investitionsschutzabkommen auf und stieg wie immer mehr Staaten aus derartigen Verträgen aus.
Konzerne gegen Preiskontrollen:
Die europäischen Wasserversorger „Suez“, „Vivendi“, „Anglian Water Group“ und „Aguas“, die die Wasserversorgung von Buenos Aires betrieben, verklagen die Regierung Argentiniens, weil diese in der schweren Wirtschaftskrise 2001/2002 mit Gebühren-Obergrenzen für grundlegende Dienstleistungen wie Strom, Gas und Wasser die BürgerInnen vor einer unkontrollierten Preisinflation schützen wollte (2002 von zuvor unter 1% auf 26% gesprungen). Das Konsortium brachte umgehend Klage gegen diese Preiskontrollen ein, weil sie eine Verletzung der „fairen und gerechten Behandlung“ ausmachten – und bekam recht! Unkontrollierte Preissteigerungen wären – ungeachtet ihrer sozialen Auswirkungen – notwendig, um die Wirtschaftlichkeit des Projekts zu sichern. Das Konzernkonsortium verlangt eklatante 1,2 Milliarden Euro Entschädigung….
Konzerne gegen öffentliches Eigentum & Arbeits- und Sozialgesetze:
Mit dem TiSA-Abkommen soll nicht „nur“ eine weitere, radikale „Öffnung der Dienstleistungsmärkte“ (von Finanzdienstleistungen, über Wasser- und Energiedienstleistungen bis zum Verkehrswesen, den Gesundheitsdiensten und Personaldienstleistungen) frei geschossen werden, und über genannte Sperrklauseln allen einmal veräußerten Einrichtungen und öffentlichen Diensten (von Stadtwerken, über Verkehrsbetriebe, Abwässerkanäle bis zu Kinderbetreuungseinrichtungen oder Gesundheits-, Kranken- und Pflegediensten) ein juristischer Riegel gegen eine Wieder-Inbesitznahme in öffentliches Eigentum vorgeschoben werden.
Das von den Konzernen verfochtene „Herkunftslandprinzip“ bezüglich der Entsendung und des Einsatzes eigener Arbeitskräfte zur Erbringung von Dienstleistungen in anderen Ländern würde darüber hinaus die Arbeits- und Sozialgesetze untergraben und aushebeln.
CETA vor Abschluss ohne ILO-Normen:
Dabei sind in CETA, anders als in vielen anderen EU-Handelsabkommen, noch nicht einmal formal Menschenrechtsklauseln enthalten, die bei Verstoss – etwa gegen ILO-Normen – das Abkommen einseitig auszusetzen ermöglichten.

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