Gewerkschaftsorganisation KOMintern tritt gegen Sozialpartnerschaft in Österreichs gesetzlicher Arbeitervertretung an. Gespräch mit Selma Schacht, Wiener Arbeiterkammerrätin der »Kommunistischen Gewerkschaftsinitiative – International« (KOMintern)
Interview in der Tageszeitung „Junge Welt“
von Johannes Supe
In Österreichs Bundesländern finden momentan die Wahlen der Arbeiterkammer, AK, statt. Die Zusammensetzung der Wiener AK wurde letzte Woche neu bestimmt. Welche Rolle spielt sie?
In Österreich ist die Sozialpartnerschaft nicht nur ideologisch in den Köpfen der Gewerkschaftsspitzen verankert, sondern auch institutionell. Die AK und ihr Gegenüber, die Wirtschaftskammer, bilden mit Gewerkschaftsbund und Industriellenvereinigung die Sozialpartner, die regelmäßig zusammentreffen und Stellungnahmen zum Regierungsprogramm abgeben sowie Vorarbeiten dazu liefern. Die AK ist dabei die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitenden, die alle fünf Jahre von den Beschäftigten nach Fraktionen gewählt wird. Sie hätte beim Gesetzgebungsverfahren eigentlich ein gewichtiges Wort mitzureden. Aus Rücksichtnahme auf die Sozialpartnerschaft tut sie das aber nur wenig entschieden. Trotzdem hat die AK ein hohes Ansehen unter den Beschäftigten.
Dafür ist die Wahlbeteiligung niedrig. In Wien gaben nur noch 38,6 Prozent der Beschäftigten ihre Stimme für das »Arbeiterparlament« ab. Wie kommt das?
Die Menschen schätzen die AK, weil sie von ihr Beratung bekommen. Daß es sich um eine politische Institution handelt, ist weitgehend unbekannt. Die AK präsentiert sich als Serviceorganisation. Und warum sollte man die wählen? Hauptverantwortlich dafür ist die »Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter«, FSG, die in der AK dominiert. Deren Politik folgt dem Motto: »Wir machen’s eh’ für euch, seid ihr dafür ruhig.«
In den Arbeiterkammern überwiegen weiterhin die FSG, bisweilen auch die christlichen Gewerkschafter. Gleichzeitig bilden SPÖ und ÖVP auch die österreichische Regierung. Was bedeutet das für die AK?
Der Stillstand wird weitergehen. Aus der Kammer wird wenig nach draußen dringen. Zwar wird viel gute theoretische Arbeit gemacht. Wenn die aber nicht zur Parteilinie paßt, verschwindet sie in den Schubladen. Und es wird darauf hinauslaufen, daß der Regierungskurs hingenommen wird.
Dennoch ist die »Kommunistische Gewerkschaftsinitiative – International« (KOMintern) in den AK-Wahlkampf eingestiegen. Worum geht es Ihnen?
Wir sind ein multiethnisches Bündnis, das klassenkämpferische Positionen bezieht. Als Bewegung haben wir uns erst 2009 gegründet. Neben dem Eintreten gegen Diskriminierung und rechte Hetze wollen wir eine couragierte Lohnpolitik. Arbeitszeitverkürzung und ordentliche Mindestlöhne sind zwei unserer Hauptlosungen. Gesetzlich gilt noch die 40-Stunden-Woche. Wir fordern eine sofortige Verkürzung auf 35 Stunden als ersten Schritt zur weiteren Reduzierung auf 30 Stunden in der Woche. Natürlich bei vollem Lohn- sowie Personalausgleich, damit der Druck auf die Beschäftigten nicht steigt. Außerdem setzen wir uns für einen Mindestlohn von 1700 Euro ein. Rein sozialpartnerschaftlich läßt sich das aber nicht durchsetzen.
Trotz Stimmengewinn erlangte KOMintern nur eins von 180 Mandaten in der Wiener AK. Welche Spielräume bleiben da, Forderungen durchzusetzen?
Selbst wenn wir 30 wären: Es läuft in der AK in Wien nichts gegen das, was die FSG will. Sie hat die absolute Mehrheit der Sitze. Dennoch sind einige unserer Resolutionen angenommen worden. Aber das ist ein mühsames Spiel. Die erste Reaktion auf unseren Antrag zu Mindestlöhnen von seiten der Sozialdemokraten in der AK war: »Nicht unser Thema«. Später hieß es dann: »Ja, aber nur in Absprache mit den Gewerkschaften.« Doch KOMintern ist nicht nur in der AK, sondern auch in den Betrieben und der Klasse verankert. Die Verbindung der Kämpfe dort mit den Institutionen der Arbeiterbewegung ist eines unserer Ziele. Und damit: Druck von links auf die Sozialdemokratie ausüben und Themen bringen, die ansonsten nicht genehm sind.