Für einen robusten Mindestlohn!

Regelmäßig nach brustgeschwollener Selbstzufriedenheit der Gewerkschaftsspitzen über die herbstlichen KV-Abschlüsse, wartet kurz vor Weihnachten der Rechnungshof (RH) mit der Bescherung seines – alles andere denn zu Feststimmung Anlass gebenden -Einkommensberichts auf. Und zeigt an den ausgewerteten Daten wieder eindringlich: Die Löhne und Gehälter im Land rutschen auf breiter Front weiter ab, ja befinden sich teils in regelrechtem Sturzflug.


Während die Gewinne und Kapital-Ausschüttungen florieren, sacken die Reallöhne auf breiter Front ein.  Arbeiter in Österreich, so der Rechnungshof, haben inflationsbereinigt seit 1998 einen Reallohnverlust von 13% zu verbuchen. Nochmals drastischer erging es den ohnehin ums Alltägliche ringenden NiedriglohnverdienerInnen (unterstes Einkommenszehntel), deren Realeinkommen quer durch die Berufsgruppen in besagtem Zeitraum überhaupt um sage und schreibe 45% regelrecht absoffen. Aber auch die mittleren Einkommen dümpeln bestenfalls gerade noch so vor sich hin. Zeitgleich klafft die Einkommensschere von Frauen gegenüber Männern ungebrochen auseinander. Ganzjährig vollbeschäftigte in Lohn und Brot stehende Kolleginnen verdienen in der Privatwirtschaft nahezu 1/3 weniger als das mittlere Männereinkommen.
Um diesem zunehmenden Abrutschen der Löhne, dem ständig steigenden Druck auf die Lohneinkommen und den vielfach unhaltbaren Hungerlöhnen, allen voran in den Niedriglohnbranchen einen Riegel vorzuschieben, sowie gleichzeitig die eklatante Lohnschere zwischen Männern und Frauen, wie migrantische Lohndiskriminierung zu entschärfen,braucht es eines robusten und flächendeckenden Mindestlohns.

Lebensstandard sichern – für einen Mindestlohn von 1.800 Euro!

Beziffert man diesen jedoch nicht einfach über den Daumen, sondern orientiert sich hierfür vielmehr am Metaller-Kollektivvertrag als österreichischem „Leit-KV“ und der entsprechenden Beschäftigungsgruppe* entspringt daraus ein Mindestlohn von aktuell (mind.) 1.792,69 brutto.

Wir fordern daher:
  •  Einen flächendeckenden, kollektivvertraglichen Mindestlohn von 1.800 Euro brutto (Einstiegseinkommen)
  • Den entsprechenden aliquoten Anteil anhand der vereinbarten Arbeitszeit für Teilzeitbeschäftigte

Ein Gebot der Stunde, das hunderttausend Vollzeit in Arbeit stehenden Beschäftigten, wie (aliquot) der bereits über einer Million (unselbständig) Teilzeit- wie „Zwangsteilzeit“-Beschäftigten einen Mindestlebensstandard sichern würde.

Gewerkschaftlicher Kurswechsel notwendig!

Dafür bedarf es jedoch zugleich eines Kurswechsels der Gewerkschaften, ihre Verwandlung in ein Kampfinstrument. Denn ohne des konsequenten Kampfes in Mobilisierung und Einbeziehung der Beschäftigten wird sich – wie die historischen und internationalen Erfahrungen zeigen – kein robuster Mindestlohn durchsetzen lassen. In „sozialpartnerschaftlicher Besonnenheit“ eines bloßen Ringens um’s „denkbar beste Verhandlungsergebnis am grünen Tisch“ wird ein angemessener Mindestlohn nicht zu haben sein. Der Lohnstreit ist vielmehr eine Frage des Klasseninteresses und Ergebnis gesellschaftlicher Auseinandersetzungen – wozu es unabdingbar der Wiederherstellung der Klassenfunktion der Gewerkschaft bedarf.

Gesetzlicher Mindestlohn? – ein Schuss ins eigene Knie!

Auch unter von uns geschätzten GewerkschafterInnen, wie in einer gewissen Linken macht sich angesichts der Tristesse jedoch der Ruf nach einem gesetzlichen Mindestlohn breit. Was auf den ersten Blick schön klingen mag, ist es aber nicht. Sondern, unter österreichischen Bedingungen, vielmehr eine gewerkschaftswidrige und objektiv verfehlte Forderung wie Stoßrichtung.

Mindestlohn durch Kollektivvertrag!

Anders als in anderen europäischen Ländern existiert in Österreich (aus historischen und institutionellen Bedingungen, wie einem hohen gewerkschaftlichen Organisierungsgrad) eine gut etablierte Form der Kollektivverträge, die – im Unterschied etwa zu Deutschland – für die Betriebe verbindlich sind. So wird der Mindestlohn für unselbständig Beschäftigte bisher denn auch, ähnlich wie in Dänemark, Schweden und Finnland, über gewerkschaftlich ausgehandelte Kollektivverträge bzw. Mindestlohntarife u.a. geregelt, und deckt bis zu 98% aller unselbständigen Werktätigen ab. Und entgeht darüber hinaus der Crux gesetzlicher (anstatt wo möglich: kollektivvertraglichen) Mindestlöhne, damit den politisch-parlamentarischen Kräfteverhältnissen, künftigen Parlamentskonstellationen und Regierungen überantwortet zu sein – zumal in Zeiten einer nachhaltigen Austeritäts- und Rotstiftpolitik, in denen vielfach über ganze Regierungs- und Präsidentschaftsamtsperioden hinweg der gesetzliche Mindestlohn nicht mehr erhöht worden ist.

Mit einem KV-Mindestlohn…
  • bleibt der Mindestlohn in Österreich auch Bestandteil der gewerkschaftlichen Lohnauseinandersetzungen, und wird nicht – wie im Falle gesetzlicher Mindestlöhne – aus den gewerkschaftlichen Lohnverhandlungen wie unmittelbaren Gewerkschaftskämpfen herausgenommen
  • bleibt die gewerkschaftliche Kollektivvertragsautonomie von staatlichen Eingriffen unberührt
  • wird die weitere Mindestlohnentwicklung nicht der je aktuellen Parlamentskonstellation, Regierungswillkür oder dem „Statistischem Zentralamt“ überantwortet

* Nach KOMintern-Modell zumindest 90% der Stufe C des Metaller-KV, stundenbereinigt x 40/38,5 Stunden
 
 
 
 

Ähnliche Beiträge

Gefällt dir dieser Beitrag?

Via Facebook teilen
Via Twitter teilen
Via E-Mail teilen
Via Pinterest teilen