Für eine armutsfeste Mindestsicherung!

2010 als soziales Auffangnetz eingeführt, wurde der Mindestsicherung von Schwarz und Blau seit 2015 in einer beinahe beispiellosen Kampagne ihrer angeblich „explodierenden Kosten“ (zunächst auf Länderebene, jetzt als zentrales Koalitions-Lieblingsprojet) mit drastischen Einschnitten, Leistungskürzungen und -deckelungen, sowie verschärftem Druck auf die BezieherInnen und offen xenophoben Bestimmungen zu Leibe gerückt.

Dabei lagen die tatsächlichen Aufwendungen der „Bedarfsorientierten Mindestsicherung“ (BMS) 2016, dem Jahr in dem Schwarz-Blau dazu übergingen ihr offen den Garaus zu machen, bei lediglich 0,6% der österreichischen Sozialbudgets. Das Dauerfeuer auf die BMS und das an das an die Wand gemalte Schreckgespenst ihrer angeblichen „Unfinanzierbarkeit“ sowie eines damit vermeintlich einhergehenden „Zusammenbruchs des Sozialsystems“, ließen indes die Alltagsschätzungen der Menschen hinsichtlich der Aufwendungen für die Mindestsicherung auf völlig verzerrte rund 40% der Sozialausgaben emporklettern. Ein Paradebeispiel wie man mit geballtem sozial-reaktionären Dauerfeuer die Wirklichkeit im gesellschaftlichen Bewusstsein unterschwellig zu entstellen vermag.

Mit der Einführung der „Bedarfsorientierten Mindestsicherung“ wurde demgegenüber nach langem Tauziehen ein längst überfälliges Auffangnetz mit bundesweiten Mindeststandards und Rechtsanspruch geschaffen. Ein aufgrund der turbo-kapitalistischen Entwicklung wie des immer löchrigeren sozialen Netzes notwendiger letzter Rettungsring, um jene, die weder durch Erwerbsarbeit noch durch (andere) Sozialleistungen ein existenzsicherndes Auslangen finden können, vor Armut und Verelendung zu schützen und ein Über-die-Runden-Kommen zu ermöglichen.

Tatsächlich reichte die vormalige Mindestsicherung für ein existenzsicherndes Leben jedoch gar nicht aus. Dies zeigen auch sämtliche seriöse Berechnungen, wie viel es braucht, um bescheiden leben zu können. Folglich gehört sie denn, anstatt sie bis zur Unkenntlichkeit zusammenzustutzen, im Gegenteil vielmehr über ihre bisherige Ausgestaltung hinaus weiterentwickelt!

Und dies zugleich im objektiven Gesamtinteresse aller Arbeitenden – denn der Kampf um die Anhebung der Mindestlöhne wird ohne gleichzeitiges Eintreten für eine armutsfeste Mindestsicherung nicht entscheidend vorankommen.

Anstatt dessen wurde und wird ihr jedoch mit Lug & Trug und Ressentiments aller Art zu Leibe gerückt (wobei nicht wenige Neuregelungen seitens der Justiz zwischenzeitlich als verfassungs- bzw. rechtswidrig aufgehoben wurden) und ein brachialer Sozialabbau auf Kosten der Schwächsten durchgezogen sowie ein mittels Verordnungen zu „gemeinnütziger Arbeit in Ein-Euro-Jobs“ befeuertes Lohndumping forciert. Einhergehend mit den gravierenden Einschnitten, xenophoben Vorenthaltungen von Leistungen für Schutzsuchende und Menschen ohne Deutsch auf geschliffenem Maturaniveau sowie dem schwarz-blauen Mantra ihrer Deckelung (egal wie viele Kinder die Familie hat oder Personen der „Bedarfsgemeinschaft“, etwa einer Wohngemeinschaft, zugehören) wird die „Reform“ zudem einen massiven Drift in die Schwarzarbeit zeitigen, um sich als Betroffene/r überhaupt noch über Wasser halten zu können.

Die markige, auch medial gerne gespielte Gegeneinanderstellung einer ominösen Mindestsicherung von 1.500 Euro gegen Mindeslöhne war und ist allerdings ein schäbiger Taschenspielertrick. Die Mindestsicherung für Alleinstehende lag in Wirklichkeit bei bloßen max. 837 Euro (nur 12x/Jahr). Man kann nicht einfach bei der Mindestsicherung die Familienbeihilfe, die auch jeder Erwerbstätige mit Kind bekommt, dazuzählen und dann einem kinderlosen Arbeitseinkommen gegenüberstellen. Auch bezieht nur ein Bruchteil der BMS-BezieherInnen diesen „Richtsatz“ in voller Höhe. Die durch die Medienlandschaft herumgeisternden 1.500 Euro bekamen überhaupt nur 2% vorübergehend. Das Gros der BezieherInnen wiederum sind sogenannte „Aufstocker“, d.h. Arbeitende mit so geringem Einkommen oder Erwerbsarbeitslose mit einer derart niedrigen Leistung aus der Arbeitslosenversicherung, dass sie eine – allerdings weit unter dem Richtsatz liegende – Aufzahlung erhalten.

Der gesellschaftliche Skandal liegt daher auch mitnichten in der aus stramm neoliberalen und rassistischen Motiven dramatisierten Mindestsicherung, sondern vielmehr in den skandalös niedrigen Löhnen, von denen die Menschen nicht leben können, der nach wie vor hohen Arbeitslosigkeit und dem ungenügenden Arbeitslosengeld bzw. der Notstandshilfe.

Als nicht minder verquer entpuppt sich wie gesagt auch das ganze „Notstands“-Geschwafel seit Übergang zum Frontalangriff auf die BMS. Die Zahl der Mindestsicherungs-BezieherInnen war (parallel dem Emporklettern der Arbeitslosigkeit 2011-2015 um 44%) seit Einführung der Mindestsicherung in der Tat (um ihrerseits 47%) angestiegen. Genau in diesem Auffangen der durch das Kapital verursachten Massenarbeitslosigkeit und menschenwürdigen Absicherung aller Bedürftigen liegt aber ihr Zweck: Als letztes eingezogene soziale Netz für alle aus dem Arbeitsprozeß Ausgespuckten und jene, für die das Kapital keine sinnvolle Verwendung hat bzw. die aus welchen Gründen auch immer einer angemessenen sozialen Grundsicherung bedürfen.
Trotz dessen machte die gesamte Mindestsicherung mit lediglichen 0,23% des BIP oder wie laut österreichischem Sozialbericht ausgewiesenen 0,6% der Sozialausgaben nur eine Bagatelle aus!

Allerdings reicht sie in ihrer schon bis dato weit unter der Armutsgefährdungsgrenze liegenden Leistungshöhe nicht zur armutsfesten Existenzsicherung der Menschen. Was erfordert, die Mindestsicherung entgegen den schwarz-blauen Kahlschlagsplänen dahingehend weiterzuentwickeln und mindestens an der Armutsgefährdungsschwelle auszurichten.

Der Kampf um unsere Arbeits- und Lebensinteressen steht nicht zwischen unten und ganz unten, sondern ist zu führen zwischen Oben und Unten!

 

Ähnliche Beiträge

Gefällt dir dieser Beitrag?

Via Facebook teilen
Via Twitter teilen
Via E-Mail teilen
Via Pinterest teilen