2009 hat die deutsche Lufthansa Group die Austrian Airlines mit 95,4 % der Aktien fast komplett übernommen. Um die Übernahme attraktiver zu gestalten, wurden 500 Millionen an „Restrukturierungsbeihilfe“ aus österreichischen Steuergeldern zugeschossen, der Schuldenberg der angeschlagenen AUA damit um ein Drittel gesenkt. Im Zuge der Corona-Krise kommen abermals Rufe nach Staatshilfe auf, 800 Millionen Euro sollen ohne staatliche Beteiligung als Gegenleistung und somit ohne gesellschaftliche Kontrollmöglichkeiten an den Konzern fließen. Die lauten Rufe nach öffentlichen Geldern stammen von einem Konzern, der seit Jahren konsequent Steuerschlupflöcher und Steueroasen ausnutzt, um Gewinne zu verschieben und so seine Steuerleistung zu minimieren. Auch ohne diese Steueroptimierung entgingen dem österreichischen Staat in den vergangen Jahren nach WIFO-Berechnungen zusätzlich rund 500 Millionen Euro Steuereinnahmen pro Jahr.[1] Grund dafür ist eine weitreichende Steuerbefreiung des Flugverkehrs. Das sind Einnahmen, die dem Staat in den Bereichen Soziales, Bildung oder Umweltschutz fehlen. Nun soll die öffentliche Hand einspringen, um einen Konzern in einer der klimaschädlichsten Branchen zu retten – ganz nach dem Grundsatz Gewinne privatisieren, Verluste vergesellschaften. Staatshilfen für die Austrian Airlines, indirekt also für die Lufthansa Group, würden dem Steuerzahler neben den mittel- und langfristigen Schäden durch den Klimawandel allerdings auch unmittelbar deutlich teurer kommen, denn die Konkurrenz schläft nicht. So ist Laudamotion momentan noch gegen staatliche Beihilfen für die Airlines. Laudamotion-Geschäftsführer Andreas Gruber betont in diesem Zusammenhang, dass der Mutterkonzern Lufthansa kapitalstark genug ist und eine Staatshilfe den Wettbewerb verzerren würde. Würde Austrian Airlines Steuergeld zugesagt bekommen, würde jedoch auch Laudamotion darauf zurückgreifen wollen.[2]
Dass die Gewerkschaft vida in diesem Zusammenhang als Mindestbedingung die Zustimmung der Fluglinie zum „Abschluss eines Branchen-KV“, sowie sich „an österreichisches Recht und Mindestlöhne“ zu halten einfordert, ist ebenso evident wie das Mindeste. Gleiches gilt für damit verknüpfte „Beschäftigungsgarantien“. Aber auch für die eingeforderte staatliche Beteiligung bzw. (Teil-)Verstaatlichung – im Mindestausmaß der von ExpertInnen zurecht geforderten „Sperrminorität“.
Aufgrund der geringen Besteuerung von Gewinnen, Kapital und Vermögen in Österreich, würden diese Hilfspakete hauptsächlich von Arbeitenden und VerbraucherInnen gezahlt werden. Lohnabgaben und Steuern auf Konsum summieren sich auf ca. 78 % der Steuereinnahmen, Gewinne und Kapitalerträge auf weniger als 14 %, Vermögen auf 1,3 %. Die folgenden Sparpakete würden mit dem Gesundheitswesen (17,1 %), der sozialen Sicherung (41,6 %) und/oder dem Bildungswesen (9,8 %) mit Gewissheit die großen Budgetbrocken treffen. Zusammen machen die drei Bereiche des Sozialstaats mehr als zwei Drittel der Staatsausgaben aus.
Einige Beispiele um die Größenordnung der Staatshilfen darzustellen: 800 Millionen Euro entsprechen 10 % der jährlichen österreichischen Staatsausgaben im Bereich Familien und Kinder oder 10 % der Ausgaben für den gesamten Sekundarbereich im Bildungswesen (u.a. Neue Mittelschulen, AHS, BHMS, Berufsschule und Lehre sowie Gesundheits- und Krankenpflegeschulen). Die Summe von 1,3 Milliarden Euro, die 2009 an den Lufthansakonzern geflossen ist und im Laufe der Corona-Krise fließen soll, entspricht grob den jährlichen Staatsausgaben für Umweltschutz oder jenen im Bereich Wohnungswesen und kommunale Gemeinschaftsdienste (Wasserversorgung, Straßenbeleuchtung etc.).[3]
Wirtschaftlich standen die Austrian Airlines schon vor der Corona-Krise unter Druck. Am Drehkreuz Wien nagte die Konkurrenz der Billiganbieter Ryanair oder Easyjet zuletzt immer stärker am Ergebnis. Ausgetragen wurde der ruinöse Preiskampf mittels Lohndrückerei auch auf dem Rücken der Beschäftigten, durch Verhinderung eines Branchenkollektivvertrags und die Umgehung von Mindestlöhnen. Daher stand bei den Austrian Airlines schon vor dem Shutdown fest, dass die Kosten bis 2021 um jährlich 90 Millionen gedrückt werden müssen, dezentrale Standorte geschlossen und 800 Arbeitsplätze abgebaut werden. Pro Jahr sollten zwischen 200 und 250 MitarbeiterInnen das Unternehmen über „natürliche Fluktuationen“ verlassen[4]. Auch der Gesamtkonzern Lufthansa befand sich schon in der Krise. So sollte die Flotte bei der Kerngesellschaft dauerhaft um 18 Langstrecken- und elf Mittelstreckenflugzeuge verringert, der derzeitig eingestellte Flugbetrieb der Tochterfirma Germanwings nicht wieder aufgenommen, das Langstreckenangebot der Eurowings deutlich reduziert und neben der Austrian Airlines auch bei Brussels Airline und Swiss Air Flugzeuge stillgelegt werden.[5]
Die Austrian Airlines stehen hier stellvertretend auch für andere Branchen und Konzerne, etwa in der Automobilindustrie. Die Corona-Krise muss genutzt werden, um unsere Produktionsweise grundlegend zu verändern, ein soziales und ökologisches Wirtschaftssystem muss das alte, auf Ausbeutung von Mensch und Natur basierende, ersetzen! Um die Klimakatastrophe zu vermeiden, müssen die emissionsintensiven Branchen rasch umgebaut oder abgewickelt werden. Die Umstellung auf eine soziale und ökologische Produktionsweise, die Überwindung des profitgetriebenen kapitalistischen Wachstumszwangs hin zu einer nachhaltigen Bedürfnisbefriedigung ist dringend notwendig. Der sich daraus ergebende Strukturwandel in der Arbeitswelt muss u.a. über Umschulungen, Lenkung in nachhaltige Sektoren und Arbeitszeitverkürzung sozial gestaltet und gesellschaftlich gesteuert werden. Die Profite der Konzerne und die angehäuften Vermögen müssen zur Finanzierung der dringend notwendigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation herangezogen werden! Dazu bedarf es auch einer Veränderung der Eigentumsverhältnisse, einer weitgehenden Regionalisierung des Wirtschaftssystems und weitreichender gesellschaftlicher Eingriffe! Der freie Markt ist nicht nur nicht im Stande, die regionalen sowie globalen sozialen und ökologischen Problemlagen zu lösen, im Gegenteil: er verschärft sie seit Jahrzehnten.