Abschluss Metall-KV: rigoroser Erfolg der Industrie, fatales Signal und Dammbrüche

Läppische 1,5% auf die IST-Löhne und -Gehälter sowie auf die Mindestlöhne und Grundgehälter (bei einer zugrunde gelegten Inflationsrate von 1,1%) und ein halber Urlaubstag zu Silvester. Dafür keine Rede mehr von der 6. Urlaubswoche und eine einem Dammbruch gleichkommende umfassende und massive Arbeitszeitflexibilisierung, die so gut wie ausschließlich den Interessen der Unternehmer dient und de facto einer Abschaffung der Überstundenzuschläge gleichkommt. Ein frontaler Schlag ins Gesicht der Metall-Beschäftigten und ein fatales Signal für die gesamten kommenden KV-Runden. pro-ge-jacke_am-boden

Keinesfalls wird es heuer  eine abermalige Zurückhaltung bei den Lohnverhandlungen geben, hieß es noch im Vorfeld der KV-Runde gegen den Vorstoß der Industrie, die Entlastungen durch die Steuerreform in die Lohnrunden ein- und gegenzurechnen. Im Gegenteil: Die Beschäftigten brauchen ordentliche „Lohn- und Gehaltserhöhungen“, es müsse „schon scheppern im Geldbörsel“ – hatte denn auch Pro-GE-Chefverhandler Wimmer zu KV-Runden-Beginn wieder getönt. Und in der Tat: nach Jahren des Reallohnverlustes wären kräftige Lohnerhöhungen und die Einläutung einer Wende zu einer neuen (Primär-)Umverteilung in den KV-Runden unabdingbar gewesen. Aber Fehlanzeige!
In gewerkschaftlichen Sonntagsreden wurde zwar auch zuletzt nochmals mit Nachdruck herausgestrichen, dass während die Produktivität seit dem Jahr 2000 um 18% gestiegen ist, die Löhne zeitgleich um ledigliche 8% anstiegen und sich die Lohnquote im ungebremsten Langzeitsturzflug befindet.
Nach der politischen Niederlage zu Verhandlungsbeginn, zu dem es den FMMI-Vertretern gelang, die längst überfällige gesetzliche Neuregelung der 6. Urlaubswoche per Machtspruch des „sozialpartnerschaftlichen“ Zweigestirns von Wirtschafts- und Sozialminister vom Tisch zu fegen, knickten die Gewerkschaftsoberen dann auch in den eigentlichen KV-Verhandlungen vollends ein. Lohnpolitisch, und mit der unerwarteten Aufgabe ihres Widerstands gegen profitorientierte Arbeitszeitflexibilisierungen auch im Rahmenrecht.
So weist das Ergebnis des gepriesenen Verhandlungsmarathons gravierende Ähnlichkeiten mit dem Ausgang der Marathon-Legende auf, der zufolge der Bote Pheidippides nach überstandenem Marathon zusammenbrach.
Die läppischen Bröseln von +0,4% auf die Inflationsrate ist im Grunde eher als faktische „Nulllohnrunde“ denn als Lohn- und Gehalts-“Erhöhung“ zu bezeichnen, zumal die Inflationsrate immer weniger die realen Teuerungen der Lebenserhaltungskosten und des Alltagslebens eines durchschnittlichen Arbeitnehmerhaushalts ausdrückt. Darüber hinaus wird selbst die gemeinhin ermittelte Inflationsrate kommendes Jahr wieder auf prognostizierte 1,8% hinaufklettern, was die mauen 1,5% im Lebensalltag sogar noch in ein Minus verwandelt.
Als ob es noch des zusätzlichen Beweises gewerkschaftlicher Selbstdemontage bedurft hätte, haben die Metaller dann auch gleich im Kampffeld der Arbeitszeitregelungen die Waffen gestreckt. „Nach jahrelangem Stillstand“, so denn auch Industrie-Verhandlungschef Knill sichtlich zufrieden, „gab es beim Thema Arbeitszeitflexibilisierung Bewegung. (…) Erstmals ist dadurch innerhalb eines gewissen Rahmes eine 45-Stunden-Woche ohne Zeitzuschläge möglich.“ Recht hat er – ein klarer Erfolg des Kapitals:
Mit der vereinbarten Neuregelung auf Betriebsvereinbarungsbasis können nun die Arbeitenden bis zu 45 Stunden in der Woche beschäftigt werden, ohne dass die Mehr- bzw. Überstunden, geschweige denn ein Zuschlag dafür, ausbezahlt werden. Ärger noch, für die ersten 60 Plusstunden wurden die Überstundenzuschläge überhaupt abgeschafft! Die Stunden selbst können nunmehr auf einem Zeitkonto geparkt werden, um die ArbeiterInnen nach Marktschwankungen und Auftragslage resp. Gutdünken der Unternehmer nach Hause schicken zu können. Um die Industrie dahingehend zudem auch ja nicht irgendwie einzuzwängen, wurde der Durchrechnungszeitraum zugleich auf ein ganzes Jahr festgelegt. Offen der Profit-Logik verpflichtete Regelungen der Arbeitszeitverlängerung bei gleichzeitigem weitreichenden Verlust der Überstundenzuschläge, gepaart mit einer kapazitätsorientierten variablen Arbeitszeit. Allesamt Kernpunkte, die zu verunmöglichen die Gewerkschaften historisch angetreten sind und gegen welche sie auch noch bis vor kurzem Front machten. Dammbrüche mit fatalen Auswirkungen über alle Branchen hinweg.
Eine Selbstaufgabe auf die sich PRO-GE und GPA-djp im Kuhhandel für die so genannte „Freizeitoption“ einließen, mit welcher die Beschäftigten ihre IST-Erhöhung gegen 27 Freizeitstunden eintauschen können. Eine Orientierung anstelle des konsequenten Kampfes um eine allgemeine und flächendeckende Arbeitszeitverkürzung, mit welcher die Gewerkschaften mehr und mehr einen äußerst zwieschlächtigen Weg einschlagen. Ein Kontra und eine Entgegenstellung zweier Hand in Hand gehender Interesse der Werktätigen, die nicht nur eine Entgegensetzung zweier einheitlicher Momente des gewerkschaftlichen Kampfes bedeuten, sondern mit den mit ihr einhergehenden individuellen Entscheidungen: Geld versus Freizeit, auch dazu tendiert, die Belegschaften zunehmend massiver in zwei Lager zu spalten – und dem Kampf um eine wirkliche umfassende Arbeitszeitverkürzung den Boden entzieht.
Dem entsprechend versank denn auch das Zentralthema einer 6. Urlaubswoche – obwohl auf der Betriebsrätekonferenz noch kämpferisch eingefordert –  heimlich, still und leise im Orcus der hinter uns liegenden KV-Runde.
Die in den letzten Wochen von den einen in die Krise geredete, wie von anderen gepriesene „Sozialpartnerschaft“ hat damit neuerlich, eindrücklich ihren Zweck für die Interessen der Herrschenden erfüllt. Ohne sich in konsequenten Kämpfen in Mobilisierung und Einbeziehung der Beschäftigten aus ihrem Stahlnetz zu befreien, laufen die Gewerkschaften immer offener Gefahr, als Wurmfortsatz des Kapitals zu verkümmern. Der Metaller-Abschluss, einst österreichische KV-Lokomotive, hat nun endgültig die Büchse der Pandora geöffnet und sich zum Bremsklotz der KV-Runden mit Weichenstellung rückwärts gewandelt.

Auf „sozialpartnerschaftlich“ ausgetretenen Pfaden und Samtpfoten wie in Sekunden gemessenen Arbeitskonflikten, droht der Gewerkschaftszug gänzlich zu entgleisen.

 
 

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