Trump gegen Harvard: Zerfall einer imperialen Wissensordnung

Die jüngsten Angriffe der Trump-Administration auf Harvard und andere sogenannte Eliteuniversitäten markieren einen weiteren Schritt in der ideologischen Auseinandersetzung innerhalb der herrschenden Klasse der USA. Während Harvard sich als Bastion liberaler Eliten präsentiert, ist die Geschichte der Universität durchzogen von Reaktion, Rassismus und imperialistischer Komplizenschaft.

Harvard: Eine Geschichte der Reaktion

Harvard war nie eine fortschrittliche Institution. Der langjährige Hitler Vertraute Ernst „Putzi“ Hanfstängl war ein prominenter Absolvent und Festredner der akademischen Abschlussfeier 1934 (und nach dem zweiten Weltkrieg wie andere Nazis auch wieder in US Diensten). Während des Kalten Krieges diente die Universität als intellektuelles Zentrum für die ideologische und wirtschaftliche Destabilisierung der Sowjetunion. Nach deren Zusammenbruch spielte der spätere Harvard-Präsident und unter Obama zum Direktor des National Economic Council berufene Larry Summers eine entscheidende Rolle bei der sogenannten Transformation der Sowjetunion – einem neoliberalen Schockprogramm, das nicht nur die wirtschaftlichen Grundlagen der ehemaligen Sowjetrepubliken zerstörte, sondern laut Public-Health-Studien Millionen überzählige Todesfälle verursachte, vor allem infolge des drastischen Einbruchs der Lebenserwartung und des Zusammenbruchs der sozialen Reproduktionssysteme.

Harvard profitierte in kolonialer Manier auch maßgeblich vom „Brain Drain“ aus dem globalen Süden und den ehemaligen sozialistischen Staaten Europas. Nach dem Zusammenbruch des Sozialismus emigrierten zehntausende Wissenschaftler:innen in die USA, viele davon an Eliteuniversitäten wie Harvard, was die wissenschaftliche Infrastruktur ihrer Herkunftsländer nachhaltig schwächte.

Auch in jüngerer Zeit zeigt sich Harvards reaktionäre Ausrichtung: Alan Dershowitz, langjähriger Harvard-Professor, verteidigte nicht nur Donald Trump während dessen Amtsenthebungsverfahren, sondern spielte auch eine zentrale Rolle in neokonservativen Netzwerken, die aggressive US-Außenpolitik und die blinde Unterstützung Israels vorantreiben.

Inseln des Widerstands

Dennoch gab es innerhalb Harvards zum Glück auch progressive Stimmen. Richard Lewontin und Stephen Jay Gould kritisierten den biologischen Determinismus und setzten sich gegen Rassismus in der Wissenschaft ein. Als Marxisten prägten sie die Debatte um die Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft und stellten sich gegen die Vereinnahmung der Biologie durch reaktionäre Ideologien. Auch der Ökonom John Kenneth Galbraith, lange Zeit Professor in Harvard, wandte sich gegen neoliberale Orthodoxien und plädierte für eine demokratisch kontrollierte Wirtschaft im Dienste des Gemeinwohls. In jüngerer Zeit ist Noam Chomsky – auch wenn er institutionell eher mit MIT verbunden war – eine der international bekanntesten intellektuellen Gegenstimmen zur US-Hegemonie, dessen Einfluss auch auf Studierende und Teile der Lehrenden in Harvard ausstrahlte.

Diese Persönlichkeiten blieben jedoch Ausnahmen innerhalb einer Institution, die strukturell tief im militärisch-industriellen Komplex, der US-Außenpolitik und der Reproduktion der herrschenden Ideologie verankert ist. Ihre Existenz belegt keine fortschrittliche Grundausrichtung Harvards als vielmehr die Möglichkeit, auch im Inneren des ideologischen Apparats Brüche und Widersprüche zu markieren.

Trumps Angriff: Ideologie und Geopolitik

Die aktuellen Maßnahmen der Trump-Administration gegen Harvard – darunter Einreiseverbote für internationale Studierende, Kürzungen von Forschungsgeldern und die Aberkennung des Steuerprivilegs – sind Ausdruck eines sich als Rebellion gegen Eliten gerierenden Angriffs auf missliebige Teile der akademischen Establishment, die im Ringen der Kapitalfraktionen auf der falschen Seite stehen.

Unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit und des Kampfes gegen Antisemitismus wird aber ganz generell versucht, fortschrittliche, kritische, rationale Stimmen zu unterdrücken und die Universitäten ideologisch zu säubern. (Der Widerstand gegen den Völkermord der israelischen Regierung in Gaza unter Studierenden war eine für US Verhältnisse relativ große soziale Bewegung an den Universitäten, die über diese hinaus Wirkung zu entfalten begann.)

Gleichzeitig sind die Maßnahmen der Trump-Administration Teil einer geopolitischen Strategie gegen den Aufstieg Chinas. Internationale Studierende, insbesondere aus China, werden zunehmend als Sicherheitsrisiko dargestellt. Die Folge: Ein drastischer Rückgang chinesischer Studierender in den USA und eine Schwächung der wissenschaftlichen Zusammenarbeit, die aber bereits unter der Obama Administration begann.

Ein zweischneidiges Schwert

Aus fortschrittlicher Perspektive sind diese Entwicklungen ambivalent. Einerseits entlarven sie die inneren Widersprüche des US-Kapitalismus und die Zerfallserscheinungen seiner Hegemonie. Andererseits führen sie zu einer Schwächung der wissenschaftlichen Produktivkräfte, was langfristig die ökonomische und politische Stabilität der USA untergräbt. Schlägt diese nicht letztlich in einen Bürgerkrieg um, wird sie die globale Kriegsgefahr weiter erhöhen.

China hingegen hat sich von der Abhängigkeit vom US-amerikanischen Universitätssystem emanzipiert (selten gelangen Versuche, chinesische Akademiker:innen von ihrem Heimatland zu entfremden) und investiert massiv in den Aufbau eigener wissenschaftlicher Kapazitäten. Die Abkehr chinesischer Studierender von den USA beschleunigt diesen Prozess und wird die globale wissenschaftliche Führungsrolle der USA weiter schwächen.

Das ist ein Gewinn für die Welt. Da China eine andere Politik verfolgt – getragen von langfristiger Planung, gesellschaftlicher Beteiligung und dem Primat des Gemeinwohls über den Markt –, entsteht jenseits des untergehenden US-Hegemoniemodells ein neuer Typ wissenschaftlicher Entwicklung: einer, der nicht der Verwertung und Unterdrückung dient, sondern sich dem Aufbau einer sozial und ökologisch zukunftsfähigen Zivilisation verpflichtet sieht. Dabei weiß China um die strategische Bedeutung technischer Souveränität – und ist zugleich bereit, zentrale Technologien solidarisch mit Entwicklungsländern zu teilen, anstatt sie wie der Westen zu monopolisieren. So wird im Schatten des Abstiegs der USA Chinas Weg für viele zum Hoffnungsträger eines multipolaren Weltsystems – und zum realen Fortschritt im internationalen Klassenkampf.

Bild: Roger W/flickr

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