SWÖ-KV-Abschluss: Erfolg der aktiven Beschäftigten und Versagen der Gremiumsmehrheit

In der Nacht auf den 26.11. wurden die Verhandlungen zum Kollektivvertrag der Sozialwirtschaft (SWÖ) abgeschlossen. Das Ergebnis: Gehälter und Zulagen steigen um 4%, es gibt Verbesserungen u.a. für Beschäftigte in der Verwaltung und beim Einspringen.

Nach intensiver Diskussion stimmte das gewerkschaftliche Verhandlungsteam mit 33 Pro- und 19 Gegenstimmen diesem Arbeitgeber-Vorschlag zu und besiegelte damit den Abschluss der Verhandlungen. Durch die bisherigen Proteste konnte Einiges erreicht werden, doch durch den verfrühten Abschluss wurde die reale Chance vertan, das bis dahin Erreichte noch massiv zu verbessern! Umso ärgerlicher ist es, dass die durchaus vorhandene Streik- und Aktionsbereitschaft in vielen Belegschaften nicht genutzt wurde, um mehr durchzusetzen.

KOMintern AK-Rätin und Betriebsratsvorsitzende bei BiM in Wien, Selma Schacht, hat deshalb auch gegen diesen Abschluss gestimmt. Das Abstimmungsergebnis zeigt jedoch, dass viele Betriebsrät:innen im Sozial- und Gesundheitsbereich sehr wohl auf die Kampf- und Durchsetzungsfähigkeit der Kolleg:innen vertrauen.

Was ist nun das Ergebnis – und was nicht?

Allgemeine Lohn-/Gehaltserhöhung: Von vornherein haben die Arbeitgeber klargestellt, dass sie zumindest die offizielle rollierende Inflationsrate von 3,54% bezahlen werden. In den ersten zwei Runden haben sie sich davon nicht wegbewegt. Erst in der dritten Runde, nach vielen Protestmaßnahmen, tausenden Kolleg:innen bei Betriebsversammlungen, Aktionen, Protestkundgebungen und Demos haben sie sich stückchenweise bewegt: bis hin zu 4%. Der Abschluss liegt also nur um 0,46% über der Inflation. Ein geradezu lächerlicher Betrag für eine Reallohnerhöhung, wenn man sich die generell schlechte Einkommenssituation in der Branche ansieht: die Einkommen sind 17% unter dem österreichischen Durchschnitt!

Erhöhung des Flexizuschlags: Dieser Zuschlag steht zu, wenn an einem freien Tag eingesprungen wird, der Dienst sich kurzfristig ändert (z.B. von Tag- zu Nachtdienst) oder ein Dienstblock dazukommt (hier aber nur, wenn ein Loch von 1,5 Stunden dazwischenliegt). Da ist wahrlich in einem kleinen Teilbereich ein großer Schritt gelungen, nämlich von knappen 15 auf 25 Euro bzw. von 30 auf 50 Euro brutto. Doch gibt es für viele Kolleg:innen solche Zusatzverdienste nicht. Und es kann ja wohl nicht sein, dass man sich das Grundgehalt mit Einspringen aufbessern muss, weil es zu wenig angehoben wurde! Ziel muss sein, diese unsicheren Dienstpläne zu verhindern – das geht nur mit dem Kampf um mehr Personal und Besetzung der offenen Dienstposten, und dafür wiederum ist auch eine massive Attraktivierung der Arbeitsplätze notwendig.

Was bleibt von den anderen Forderungen?

In weiteren kleinen Teilbereichen – Verwaltung, Auszubildende mit Pflegestipendium und Tageseltern – konnten Verbesserungen erreicht werden. Aber sonst? Gerade bei den Themen, welche die große Masse der Arbeitenden betrifft, wurde nichts erreicht. Die Forderungen, mit denen die Gewerkschaften in die Verhandlung und wir auf die Straße gegangen sind, waren:

  • 6,1% Gehaltserhöhung
  • Mehr- und Überstundenzuschlag von 50 % ab der 1. Stunde
  • Erhöhung aller Zulagen und Zuschläge um 25 %
  • Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bei vollem Lohn- und Personalausgleich
  • zusätzliche Urlaubswoche für alle
  • bessere SEG-Zulage
  • volle Anrechnung aller geleisteten Vordienstzeiten
  • bessere Bedingungen für Arbeiten und Bereitschaft in der Nacht

Es wäre mehr drin gewesen!

Das Ergebnis einer Verhandlung ist erstens daran zu messen, was herausgekommen ist, zweitens wie groß der Abstand zum Geforderten ist und drittens wie groß die Möglichkeit eines weiteren Drucks auf die Arbeitgeber gewesen wäre. In allen drei Punkten hat die Mehrheit, die dafür gestimmt hat, das vorhandene Potential nicht genutzt.

Die Zustimmenden haben dabei oft die schlechter werdende politische und wirtschaftliche Lage angeführt. Doch genau das ist eigentlich ein Argument dafür, vor dem weiteren Abrutschen der sozialen Verhältnisse noch verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um mehr herauszuholen! Immer wieder wurde auch über die angeblich zu geringe Aktions- und Streikbereitschaft in der Branche gejammert. Dem wurde von den vielen Betriebsrät:innen, die gegen den Abschluss gestimmt haben, klar entgegen gestellt: Tausende Beschäftigte in ganz Österreich haben mit unterschiedlichsten Aktionen, Versammlungen und gewerkschaftlichen Kampfmaßnamen sehr wohl gezeigt, dass im Sozial- und Gesundheitsbereich Arbeitskampf möglich ist. Auch vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder kontinuierlich ansteigt. In Wien hatten bereits weit über ein Dutzend Betriebe mit vielen tausend Beschäftigten eine Rollstreik-Woche geplant. Auch in den unterschiedlichen Bundesländern war die Aussage klar: Die bisherigen Aktionen waren für die Kolleg:innen, die hier endlich auch Selbstwirksamkeit erlebt haben, erst der Anfang: „Wir sind streikbereit, wir haben einen Plan!“. 

Selma Schacht dazu: „Mittlerweile muss jeder und jedem klar sein: Es gibt genug theoretisches, rechtliches und praktisches Wissen über die Umsetzung von Streiks in unserer Branche, dass es keine Ausreden mehr gibt, keinen Druck von unten aufbauen zu können. Erst recht nicht für jene, die im Kollektivvertrags- oder anderen gewerkschaftlichen Gremien vertreten sind!“

Nach dem Dämpfer durch die Covid-Zeit und den damaligen 3-Jahres-Abschluss kann aber eines klar gesagt werden: Mit über einem Drittel kampfbereiter Gegenstimmen, die auch ihre Stimme erheben und weiterdrängen ist eine gute Basis für den Aufbau einer breiteren Streikbewegung in Zukunft geschaffen!

 

Foto: GPA / CC BY-NC-SA 2.0

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