Steuerreform: Neoliberalismus pur mit grünem Anstrich


Die Würfel der türkis-grünen Steuerreform sind gefallen: die Konzerne werden weiter entlastet, die Massen als Melkkuh für die Krisenkosten und einen grün getünchten Wirtschaftswachstums- und Entwicklungspfad herangezogen.

Damit die immensen Krisenkosten und der ökologische Umbau nicht auf die Arbeitenden und kleinen Einkommensbezieher abgewälzt werden, sondern aus den Vermögen und Kapitalgewinnen zu finanzieren, ist es – nach der heutigen Präsentation der türkis-grünen Steuerreform – akuter denn je, den Verteilungskonflikt seitens der Arbeitenden und Gewerkschaften dringend und offensiv aufzunehmen.

Die „Schieflage“ des österreichischen Steuersystems ist – auch im OECD-Vergleich – evident. Da das Land über die letzten Jahrzehnte für Unternehmen, Konzerne und Großvermögen Zug um Zug in ein Steuerparadies umgebaut wurde, speist sich das Steueraufkommen mittlerweile zu annähernd zwei Drittel aus den beiden Massensteuern (Lohn- und Mehrwertsteuer), sprich: zum Überwiegenden aus den Einkommen der Beschäftigten, die damit zu den „Melkkühen“ des österreichischen Fiskus avancierten.

Abermalige Abschmelzung der Gewinnsteuer

Dem nicht genug, forcierten die Interessensverbände und Wirtschaftsvertreter des österreichischen Kapitals, in Phalanx mit den maßgeblichen Kräften „seines“ „politischen Personals“ seit Jahren weitere Steuergeschenke an „die Wirtschaft“. Allem voran eine weiteres Abschmelzen der Gewinnsteuer (KöSt).

Demgemäß drängen die Wirtschaftsvertreter schon seit geraumer Zeit drauf, die unter Schwarz-Blau I 2004/05 schon drastisch von 34% auf 25% gedrückte Unternehmenssteuer (KöSt) – dem damals zweitniedrigsten Wert unter den alten EU-Staaten, mit dem einher die damalige Bundesregierung zugleich den europäischen Steuersenkungswettlauf regelrecht weiter anheizte – in einem zweiten Akt auf 21% zu senken.

Türkis-Grün: selbst heute noch mehr Trump als Biden

Während aufgrund der exorbitanten Krisenkosten und der Konjunktur- , Rettungs- und Hilfspakete sowie asozialen Verteilung der Steuerlast selbst in den USA eine Wiederanhebung der von Donald Trump für die US-Konzerne von 35% auf 21% zusammengestutzten Gewinnersteuer auf zumindest 28% in Verhandlung stehen – und es die G7 Finanzminister jüngst für nötig erachteten, sich um die Steuersenkungsspirale abzubremsen, auf eine (wenn auch lächerlich mickrige) Mindeststeuer für Multis zu einigen – befinden sich die österreichischen Kapitalvertreter und Regierung noch im Wildwest-Modus. Entsprechend unverfroren brachte Türkis-Grün heute einen ganzen Katalog an neuen Steuergeschenken für’s Kapital auf den Weg. Neben neuen Steuer- und Finanzzuckerln allem voran besagte – schon im Regierungsprogramm mit den Grünen paktierte – weitere Senkung der Gewinnsteuer: konkret von 25% auf 23%. (2023 auf 24%, 2024 auf 23%.)

Ein zusätzlicher Blick hinter den Vorhang

Dabei stammten nach dem, dem Kapital großzügig zugeschanzten, Körperschafts-Steuergeschenk schon vor der Wirtschafts- und Corona-Krise nur mehr lediglich knappe 5,8% der Steuereinnahmen aus der Gewinnsteuer auf Kapitalgesellschaften. Unter dem Mantra des „Standortwettbewerbs“ systematisch entlastet und von Schwarz-Blau I zudem noch mit der Gruppenbesteuerung beschenkt, entschlagen sich die großen Kapitalgesellschaften mehr und mehr der Abgaben an den Fiskus. Entsprechenden AK-Analysen zufolge lag die effektive Steuerleistung der Industrieunternehmen so bereits vor der Krise realiter bei nur 18,7% – und damit weit unter dem gesetzlichen Steuersatz -, jene der Banken zurückliegend im Schnitt sogar überhaupt bei bloß 7,4%. Nichts desto trotz trommelten deren Interessensvertreter nach weiteren Steuerzuckerln und können diese nun auch einsacken und aufschatzen.

Im vorrangigen Interesse der Big Player

Daran lässt sich zugleich wie durch einen Brennspiegel auch der nähere Charakter der Proponenten und Charakter ihrer Forderungen im Interesse der Konzerne, Industrie, großen Handelsketten bzw. -Unternehmen, sowie der Banken und Versicherungen erkennen. Denn 80% des KöSt-Aufkommens entstammen den gewinnstärksten fünf Prozent der Betriebe. Diese Big Player wären denn auch die wahren Profiteure der Absenkung, während sie den viel zitierten Klein- und Mittelbetriebe kaum substantiell etwas einbrächte – ganz zu schweigen von den zahlreichen kleinen Einzelunternehmern, Personengesellschaften und FreiberuflerInnen die gar nicht unter die KöSt fallen, sondern vielmehr der veranlagten Einkommenssteuer unterliegen. Schlagend für Letztere werden allerdings die Erhöhung des Gewinnfreibetrags von 13% auf 15% und die Senkung der zweiten Einkommensteuerstufe von 35% auf 30% ab Sommer 2022 bzw. der dritten Stufe von 42% auf 40% ab Sommer 2023.

Zusätzliche Füllhörner für die Profitstabilität

Flankierend dazu soll unter dem Titel einer vermeintlich strikt markt- und kapitalkonformen „grünen“ Wende den Konzernen und Unternehmen – neben einer stärker ökologischen Orientierung – ihre Kapitalverwertung gesichert bzw. aufgebessert werden: über die Füllhörner von Förderungen, Investitionsprämien über Investitionsfreibeträgen bis hin zu großflächigen Ausnahmen für die exportorientierten Wirtschaftssektoren durch neue Vergütungs-, Absetzbarkeits- und Abschreiberegelungen unter dem Stichwort der „Standortsicherung“ (samt Mitnahmeeffekten und Steuerumgehungspotential). An den bestehenden klimaschädlichen Subventionen und Förderungen wird unterdessen weiterhin ebenso wenig gerüttelt, wie die Steuerreform auch die wahren Klimakiller nicht weiter tangieren wird.

Industriellenvereinigung zeigt sich zufrieden

Wenig überraschend also auch der dementsprechende Applaus der Wirtschaftsvertreter für das „Standortpaket“, wie Finanzminister Gernot Blümel die Steuerreform auf der Pressekonferenz auch bezeichnete. Entsprechend zufrieden äußerte sich sogleich die Industriellenvereinigung in ihrer Pressemitteilung: „Für die Industrie hat und hatte eine spürbare Entlastung für … Unternehmen Priorität. Mit der präsentierten Steuerreform setzt die Bundesregierung nun wichtige Schritte in die richtige Richtung – der Wirtschaftsstandort Österreich wird gestärkt“. Ja, Gernot Blümel rühmte sich geradezu, dass einzig Österreich mit dieser Steuerreform stramm neoliberalen Kurs hält, während „in ganz Europa jetzt de facto über Steuererhöhungen diskutiert wird, … schauen wir uns an was die aktuellen Koalitionsgespräche in Deutschland bringen, schauen wir uns Großbritannien an, wir in Österreich senken die Steuern für Unternehmen …“

Und dahinter lauert noch so einiges mehr!

Offen blieb in der heutigen Präsentation, wie es mit der im Koalitionspakt zudem vereinbarten Neu-Befeuerung des Finanz-Casinos weitergeht. Dahingehend einigte sich das türkis-grüne Kabinett ja, auf europäischer Ebene darauf zu drängen, dass Banken für „grüne Kredite“ künftig „weniger Eigenkapital hinterlegen müssen“, sowie den Kapitalmarkt insgesamt „entbürokratisieren“. Also bspw. „Börsengänge“ liberalisieren, die „vereinfachte Prospektpflicht“ ausdehnen und einiges mehr. (Die sogenannten Wertpapier- oder Veranlagungsprospekte geben näheren Aufschluss über die gehandelten Finanzprodukte, welches Risiko sie tragen usw.). Darüber hinaus auf der Agenda stand ebenso die de facto Abschaffung der sog. „Wertpapierzuwachssteuer“. (Diese fällt auf realisierte Kursgewinne an, und sollte dahingehend eingeschränkt werden, dass wieder eine „Behaltefrist“ eingeführt wird, nach deren Ablauf die gewinnbringende Veräußerung des Wertpapieres von der KESt befreit ist.) Gerade erst Anfang 2016 mit 27,5% eingeführt, um die steuerlichen Schlupflöcher der Kursgewinne zu stopfen und den Wertpapierhandel zu entschleunigen, stand sie mit dem türkis-grünen Regierungsprogramm sogleich wieder vor dem Aus. Zusätzliche neuralgische Punkte, die sich allerdings wohl erst mit dem genauen Budgetentwurf zum 13. Oktober bzw. die anstehenden Wochen aufklären werden.

In den nächsten Tagen folgt eine umfassende Gesamteinschätzung, inklusive einer detaillierten Bewertung der CO2-Steuer.

Foto: FF_e_schmitzberger/attac

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