„Made in USA“: Der erwartete Wirtschafts- und Zollweltkrieg hat begonnen

Zum Jahreswechsel 2022/23 eröffneten wir das neue Jahr mit einem Beitrag, dass sich die EU und Österreich mit ihrer vasallenhaften Einordnung in den US-Wirtschaftskrieg, in die US-amerikanische Embargologie und deren Sanktions-Amoklauf um die Aufrechterhaltung von Washingtons globaler Vormachtstellung, in eine ruinöse, asymmetrische Abhängigkeit von den USA sowie in eine wirtschaftspolitische Sackgasse manövriert, und im Falle einer vielfach vorhersehbaren „Zeitenwende auf amerikanisch“ zerrieben zu werden droht. Das war noch unter Joe Biden. Aber die harsche Kritik an den EU-Handelsüberschüssen war schon eine Konstante von Bill Clinton bis Barack Obama, wenngleich erst unter Donald Trump I der Zollhammer ausgepackt wurde. Das Stoßgebet im Blindflug der US-„Followern“ in Brüssel, Berlin, Paris, Wien und anderswo beschränkte sich zu guter Letzt im Grunde auf ein lediglich noch zweifaches Hoffen: dass doch Biden/Harris die US-Präsidentschaftswahlen gewinnen mögen, und die EU als devoter Juniorpartner im Windschatten der US-Globalstrategie etwas mitprofitieren dürfe. Spätestens seit der „Münchner Sicherheitskonferenz“ und den verhängten Zöllen auf Stahl, Aluminium und Kfz’s herrschen indes transatlantische Ernüchterung und Schnappatmung vor. Gestern hat nun überhaupt der erwartete Wirtschaftskrieg „Made in USA“ begonnen.

Zur globalen Lage und Rolle der EU als Appendix Washingtons schrieben wir seinerzeit: „Dass die USA ihren ökonomischen Rubikon bereits seit Längerem überschritten haben und sich in einem langanhaltenden schleichenden Verlust ihrer wirtschaftlichen Substanz (nicht freilich militärischen Vormachtstellung) und in einer entsprechenden Abstiegsperiode befinden, ist weitgehend Konsens. Selbst die graue Eminenz der Geostrategen Washingtons, Zbigniew Brzezinskis, der sie in den 1990er Jahren noch wirkmächtig als „Die einzige Weltmacht“ theoretisierte, hat den Vereinigten Staaten in seinem letzten Buch bereits den Nachruf geschrieben. Die einstige globale Nummer 2 der zweiten Hälfte des 20. Jh., Japan, ist seit dem Plaza-Abkommen von 1985 im Niedergang, stürzte nach dem Platzen der Immobilienblase 1989/90 in eine tiefe Krise und dümpelt aus mehrerlei Gründen seither (seit drei Jahrzehnten) bloß noch vor sich hin. Aktuell ist die einstige Nummer 2 noch die 4. größte Wirtschaftsmacht – bereits überflügelt von China und Indien –, Prognosen sehen es bis 2030 auf (mindestens) Rang 9 abrutschen. Ein ähnliches Schicksal – nochmals selbst regelrecht befeuert durch dessen transatlantisches Vasallentum, wirtschaftskriegerischer Amokläufe und Decoupling(Abkoppelungs)-Delirium – zeichnet sich für Europa ab. Von Brzezinski, ohne dafür Widerspruch zu erfahren, als „Protektorat“ der USA charakterisiert, manövrieren die politischen Führungsfiguren in Berlin, Paris und Brüssel die EU auch immer weiter in die Sackgasse eines multiplen Welt(un)ordnungskriegs. Die – nicht zuletzt auf Kolonialismus, dem Blut der ursprünglichen Akkumulation an seiner Wiege und globaler Ausplünderung gründende – Vorherrschaft über einige Jahrhunderte, währte bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Danach in der Rolle des US-Juniorpartners, fällt es als dessen Vasall ökonomisch immer weiter zurück und wird als willfähriger Sekundant der Globalstrategie Washingtons global zunehmend zerrieben.“

Der westliche resp. nicht zuletzt europäische Amoklauf ausufernder Wirtschaftskriege

Schon im Jahr zuvor wiederum spürten wir in einer umfangreicheren, mehrteiligen Serie dem „westlichen Amoklauf ausufernder Wirtschaftskriege“ nach, ergänzten diese anlassbezogen immer wieder mal und warnten, dass das Brüsseler Delirium an Zollkriegen (selbst für die FAZ charakterisieren  EU-Zölle auf chinesische E-Autos den Beginn eines „neuen Zoll-Zeitalters“), seine ökonomischen Verzweiflungstaten, Embargos und sein Sanktions-Amoklauf im Falle einer Zeitenwende unterm Sternenbanner, letztlich in einem Zollweltkrieg die industrielle Substanz des wirtschafts-, export-, technologie- und energiepolitisch US-abhängigen EU-Europas abtragen wird. (Artikelserie aktualisiert in drei Teilen: Teil 1, Teil 2, Teil 3)

Dabei ruinierte bereits die geopolitische Absicht Russland – What ever it takes – in den Kollaps zu zwingen bzw. „zu ruinieren“, vorrangig die sozialen Lebensbedingungen zahlloser Erwerbstätiger, Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen, Transferleistungsbezieher:nnen und PensionistInnen sowie die Gesellschaften und Volkswirtschaften des „kollektiven europäischen Westens“ – zwischenzeitlich noch um die von der neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas als weiteres ökonomisches Kriegsziel in der von Brüssel jüngst ausgerufenen „Stunde Europas“ ausgegebene Eskalation erweitert, China anstatt einer (mindestens, soweit unter kapitalistischen Bedingungen mögliche) Kooperation vielmehr „zu besiegen“. Allerdings: Hat sich die EU schon gegen andere Länder verzockt, geht es in einem Wirtschaftskrieg gegen China nicht mehr „nur“ um Energie, Rohstoffe, periphere Lieferketten und einen überschaubaren Absatzmarkt wie etwa bei Russland, sondern ums Eingemachte, unter dem die EU – zumal vor dem Hintergrund des gestern von Washington eingeläuteten globalen Handelskriegs – nicht nur ächzen, sondern einen dramatischen ökonomisch und sozialen Trümmerhaufen heraufbeschwören würde.

Nun hat das Empire seinen, zwischenzeitlich sogar von den allerschlichtesten Gemütern und Polit-Figuren erwarteten, Weltwirtschaftskrieg gegen die „Dirty 13“ (die „dreckigen 13“ Länder mit dem größten Handelsüberschuss), allen voran China, Indien, sowie auch die Exportnationen der EU und weitere Verbündete, wie auch gegen verarmte Staaten, ja im Grunde den Globus eröffnet – wozu wir im Einzelnen einen stark gekürzten ersten Kommentar von german-foreign-policy übernehmen:

Im Zollweltkrieg

Trump-Administration verhängt beispiellose, global folgenreiche und für verarmte Staaten vernichtende Zölle. EU ist mit 20 Prozent betroffen. Kfz-Zölle sind bereits in Kraft getreten. Washington sucht zudem Firmen in Europa US-Normen zu oktroyieren.

WASHINGTON/BRÜSSEL (Eigener Bericht) – Die Trump-Administration hat am gestrigen Dienstag beispiellose, für die EU folgenreiche sowie für verarmte Staaten vernichtende Zölle auf alle Einfuhren in die Vereinigten Staaten verhängt. Ab Samstag kassieren die USA auf alle Importe aus sämtlichen Ländern außer Kanada und Mexiko Zölle in einer Höhe von zehn Prozent. Ab Mittwoch nächster Woche kommen Zölle in verschiedener Höhe für zahlreiche Staaten und Staatengruppen hinzu; die EU ist mit 20 Prozent betroffen, Japan mit 24 Prozent, Taiwan mit 32 Prozent, Kambodscha mit 49 Prozent. Ab dem heutigen Donnerstag wird mit Gegenmaßnahmen der betroffenen Staaten gerechnet. Experten rechnen mit dramatischen Folgen. Bereits in Kraft gesetzt worden sind am gestrigen Mittwoch Zölle von 25 Prozent auf Pkw-Exporte in die USA; zudem hat Washington erstmals sogenannte Sekundärzölle in Gang gesetzt – benannt nach dem Vorbild der Sekundärsanktionen. Schon in der vergangenen Woche hatte die Trump-Administration zudem erstmals versucht, in Europa ansässige Firmen zur Anpassung an US-Gesetze zur Innenpolitik zu nötigen – mit einem Schreiben, das die US-Botschaft in Frankreich an dortige Unternehmen verschickt hat.

(…)

Die US-Zielperspektive

Dass Washington die Staaten Europas zur Übernahme bestimmter Regelungen zu nötigen sucht, ist nicht prinzipiell neu. Bereits seit Jahren verhängen die Vereinigten Staaten immer wieder sogenannte extraterritoriale Sanktionen – Zwangsmaßnahmen, die auch Unternehmen in Drittstaaten einhalten müssen, wollen sie nicht selbst von Sanktionen getroffen werden. Neu ist allerdings, dass eine US-Administration in Europa die Übernahme innenpolitischer Regelungen durchsetzen will, noch dazu solcher, die in den USA selbst heftig umstritten sind und dort die gesellschaftlichen Spaltungen vertiefen. Der Versuch geht mit dem Bestreben einher, in Europa Parteien der extremen Rechten zu stärken.

(…)

Sekundärzölle

Am gestrigen Mittwoch sind zunächst Zölle in Kraft getreten, die die Trump-Administration bereits in der vergangenen Woche angekündigt hatte. Demnach wird die Einfuhr von Autos und von Autoteilen mit 25 Prozent verzollt – zusätzlich zu bereits bestehenden Zöllen. Dies betrifft vor allem Japan, das im vergangenen Jahr Pkw im Wert von 39,7 Milliarden US-Dollar in die Vereinigten Staaten exportierte, und Südkorea, dessen Pkw-Lieferungen in die USA ein Volumen von 36,6 Milliarden US-Dollar erreichten. In Europa wird Deutschland den größten Verlust hinnehmen müssen, da es die meisten Pkw in die USA verkaufte: Autos im Wert von 24,8 Milliarden US-Dollar. In Kraft getreten sind darüber hinaus zum ersten Mal sogenannte Sekundärzölle: Jedes Land, das Erdöl aus Venezuela kauft, wird zusätzliche Zölle in Höhe von 25 Prozent auf sämtliche Lieferungen in die Vereinigten Staaten tragen müssen. Der Begriff Sekundärzölle ist den sekundären Sanktionen entlehnt, die die USA in der Vergangenheit zuweilen verhängten; mit ihnen hat US-Präsident Donald Trump ein neues Willkürinstrument in Washingtons Arsenal eingeführt. Die Sekundärzölle gegen Venezuela treffen vor allem China, den mit Abstand größten Erdölkunden des südamerikansichen Landes.

„Liberation Day“

Am Mittwoch hat Trump darüber hinaus die bislang exzessivste Welle von Zöllen verhängt. Demnach werden ab dem kommenden Samstag (5. April) Zölle in Höhe von zehn Prozent auf sämtliche Importe in die Vereinigten Staaten kassiert; ausgenommen sind laut gegenwärtigem Stand lediglich Kanada und Mexiko. Ab dem kommenden Mittwoch (9. April) müssen zudem US-Importe aus Ländern, die ihrerseits höhere Zölle als die USA erheben, zum Ausgleich noch viel stärker verzollt werden. Auf Einfuhren aus der EU will die Trump-Administration Zölle in Höhe von 20 Prozent erheben. Einfuhren aus China sollen mit Zusatzzöllen von 34 Prozent belegt werden; soweit ersichtlich, kommen sie zu den bereits bestehenden Zöllen von 20 Prozent hinzu. Besonders hart getroffen werden einige Länder, mit denen die Vereinigten Staaten verbündet sind oder die sie in den Machtkampf gegen China einbinden wollen; so soll Japan Zusatzzölle von 24 Prozent verkraften; Südkorea ist mit 25 Prozent konfrontiert, Indien mit 26 Prozent, Taiwan mit 32 Prozent, Vietnam mit 46 Prozent. Sogar verarmte Länder wie Thailand (36 Prozent), Bangladesch (37 Prozent), Sri Lanka (44 Prozent), Madagascar (47 Prozent), Laos (48 Prozent) und Kambodscha (49 Prozent) werden mit vernichtenden Zöllen belegt. Trump hat den Tag der Verhängung der Zölle „Liberation Day“ getauft.

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