Mit den Koalitionsverhandlungen ploppt auch die Pensionsdebatte wieder stärker auf. Freilich in ihrer altunehrwürdigen Gestalt – anstatt die soziale Misere und jahrzehntelangen Verschlechterungen in den Fokus zu nehmen. Und das betrifft nicht zuletzt die triste Lage der Frauenpensionen.
Während etwa der Equal Pay Day mittlerweile (zumindest) gesellschaftliche Empörung hervorruft, findet der Skandal des Pensions-Gap‘s demgegenüber öffentlich meist nur geringe Beachtung. Dabei ist die Schere des Pensions-Gap zwischen Männern und Frauen nochskandalöser.Auf Basis der Medianpensionen betrug dieser vor fünf Jahren,2019, sogar fast 50% (exakt: 49,2%) und hat sich auch aktuell kaum verringert. Dass diese drastische Ungleichheit und programmierte Altersarmut für das Gros der Frauen – deren Durchschnittspensionen gegenwärtig fast 200 Euro unter der Armutsgefährdungsschwelle nach EU-SILC liegen – einer radikalen Wende bedarf, ist evident. Zumal die Altersarmutsgefährdung der über 65-jährigen in Österreich sogar über dem EU-weiten Durchschnitt liegt. Hinzu kommt seit heuer noch, dass seit diesem Jahr das Antrittsalter zur Pension für Frauen schrittweise erhöht wird.
Dabei sind die stetig getrommelten Verunsicherungen der ökonomischen und demografischen Pension-Alarmisten und Schwarzmaler, die in einem fort die Pensionsausgaben dramatisieren und hinsichtlich der langfristigen Finanzierbarkeit des Pensionssystems von einem „unweigerlich drohenden Pensionskollaps“ schwadronieren, schlicht Humbug.
Das belegen regelmäßig auch die alle drei Jahre veröffentlichten Ageing Reports der EU-Kommission, in ihren umfassenden Prognosen zu den altersbezogenen Ausgaben der EU-Mitgliedsstaaten. So ist dem letzten, heuer erschienen Ageinig Report zufolge die langfristige Finanzierung der Pensionen in Österreich auch in keiner Weise gefährdet – wie es in neoliberaler Manie gerade aktuell wieder einmal fälschlich getrommelt wird –, sondern erhöhen sich die Pensionsaufwendungen nur sehr moderat von 13,8% des BIP 2013 (inkl. Beamtenpensionen) auf 14,0% 2070; mit einem dazwischenliegenden vorübergehenden Anstieg auf 15,0% 2030, aufgrund der Pensionsantritte der geburtenstarken Babyboom-Generation, bevor die Aufwendungen wieder sinken. Dem aktuellsten, zum vorletzten sogar nach unten korrigierten, EU-Ageing Report 2024 zufolge, liegt die neueste Langfristprojektion (Ausgaben für Ausgleichszulagen und Reha-Geld miterfasst) sogar noch unter den bisherigen Prognosen.
Entsprechend unterstreichen auch die heimischen PensionsvertreterInnen in Regelmäßigkeit zu Recht: Weder gibt es eine „Ausgaben-“ oder „Kostenexplosion“ noch ein „Pensionsloch“, sondern grundsätzlich vielmehr eine stabil und verlässlich finanzierbare Altersversorgung in Österreich.
Die konsensuale Erhöhung des Pensionsantrittsalters der Frauen ab 2024
Gleichviel wurde mit heurigem Jahr das gesetzliche Pensionsantrittsalter der Frauen von 60 auf 65 Jahre erhöht. Von dieser schrittweisen Erhöhung bis 2034 sind alle nach dem 31. Mai 1964 geborene Frauen betroffen. Durch die Anhebung soll, so die Begründung dieses im politischen System weitgehend konsensualen politischen Schritts, auf den demographischen Wandel reagiert werden. Denn die Phase ab 2024 ist vom Ausscheiden der geburtenstarken Jahrgänge (sprich: dem Hineinwachsen der Babyboom-Geburtsjahrgänge ins Pensionsalter) aus dem Erwerbsleben gekennzeichnet.
Die spiegelbildliche Seite der Medaille
Dem (aktuell) anwachsenden Anteil an PensionistInnen an der Bevölkerung, stehen mit dem anteilsmäßigen Rückgang der Jüngeren allerdings auch Ausgabenverringerungen gegenüber. Da die Gesellschaft für beide erwerbslosen Gruppen finanziell aufkommen muss, sind folglich auch die daraus resultierenden gesellschaftlichen Gesamtaufwendungen geringer, als aus einer verengten Pensions-Froschperspektive gemeinhin behauptet wird. Zudem liegt im jetzigen Pensionsantritt der geburtenstarken Jahrgänge auch ein temporäres Phänomen verborgen, da mit dem Geburtenrückgang nach dem Babyboom ab nächstem Jahrzehnt auch die Zahl der älteren in Pension gehenden Semester wieder Jahr für Jahr sinken wird. Denn die Anzahl der Alten steigt natürlich nicht stetig weiter an, wenn seit grob Mitte der 1960er im Schnitt Jahr für Jahr weniger Kinder geboren wurden, die nach ihrem Erwerbsleben demnächst und künftig in Ruhestand gehen werden, weshalb die Entwicklung nach dem Babyboomer-Peak denn auch von einer gegenläufigen Entwicklung abgelöst wird – und auch die Menschen werden trotz zunehmender Lebenserwartung auch nicht unbeschränkt älter. Zugleich ist die Pensionsfrage im Einzelnen nochmals diffiziler.
Demographische vs. ökonomische Abhängigkeitsquote
Für die Finanzierung des umlagebasierten Pensionssystems ist nicht, wie oft fälschlich angenommen, die Altenquote entscheidend, sprich das bloße Verhältnis zwischen Personen über 65 Jahren und jenen im erwerbsfähigen Alter (15 – 64). Diese rein demographische Abhängigkeitsquote wird oft als Verhältnis zwischen Berufstätigen und PensionistInnen fehlinterpretiert, indem die Zahl der Menschen im Erwerbsalter mit jenen der aktiv Erwerbstätigen gleichgesetzt wird. Neben anderen Faktoren wie der Produktivitäts- und Lohnentwicklung, der Leistungsniveaus und der Finanzierungsstruktur ist vielmehr die Beschäftigungsquote für die Nachhaltigkeit des Pensionssystems relevant. Statt einem verengten Blick auf die demographische Abhängigkeitsquote sollte der ökonomischen Abhängigkeitsquote verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Sie zeigt das Verhältnis zwischen BezieherInnen von Transferleistungen, also Arbeitslosen und PensionistInnen, auf der einen und aktiv Erwerbstätigen auf der anderen Seite. Eine möglichst hohe Beschäftigungsquote ist, neben der sozialen Absicherung der Einzelnen, auch die wirksamste Strategie für eine nachhaltige Finanzierung des Pensionssystems und die Bewältigung des demographischen Wandels im Allgemeinen. Die Sicherung und Verbesserung der Qualität der Arbeitsplätze muss dabei ebenso einen wesentlichen Stellenwert einnehmen, wie die Umverteilung der Erwerbsarbeit zwischen Beschäftigten und Arbeitslosen sowie innerhalb der Beschäftigten die Umverteilung v.a. unfreiwillig unterschiedlicher Arbeitszeiten.
Wider der neoliberalen Schmalspurökonomie
Zugleich ist das neoliberale pensionspolitische Mantra, die Pensionen seien „aufgrund der demographischen Entwicklung nicht ausreichend finanziert“, generell ein Unsinn. Denn das bloße zahlenmäßige Verhältnis von Jung zu Alt, sagt noch nichts über die Finanzierbarkeit unseres Pensionssystems aus. Zwar steigt tendenziell die durchschnittliche Lebenserwartung, doch gleichzeitig wird der Anteil der Pensionsaufwendungen – gemessen am BIP – dadurch nur äußerst moderat ansteigen. Das belegt, wie bereits eingangs skizziert, unter anderem auch der letzte Ageing Report der EU-Kommission, mit seiner prognostizierten Erhöhung der Pensionsaufwendungen in Österreich von 2013 auf 2070 von 13,8% auf 14,0% des BIP, eindringlich.
Der Anstieg der durchschnittlichen (!) Lebenserwartung involviert beiher zugleich, dass um die 15% das Erreichen ihres Pensionsantrittsalters nicht mehr erleben und eine noch höhere Anzahl an PensionistInnen nur wenige Jahre der sogenannten „beschwerdefreien Lebenserwartung“ verbleiben, um nach einem arbeitsreichen Leben ihren verdienten und entspannten Lebensabend zu genießen. Zudem entspannen sich – wie eingangs bemerkt – aufgrund der weiteren demografischen Entwicklung resp. demografischen Lage die Pensionsaufwendungen im Ausmaß ihrer temporären Erhöhung durch die aktuellen Pensionsantritte der geburtenstarken Jahrgänge à la longue wieder.
Viel wichtiger unter volkswirtschaftlich, gesellschaftlich-ganzheitlichem Blickwinkel noch, worauf linke ÖkonomInnen seit je den Finger legten: Weder ist es nötig, das Pensionsniveau zu senken, noch das Pensionsantrittsalter zu erhöhen. Denn, es kommt nicht darauf an, wie sich die Relation zwischen Erwerbstätigen zu Nichterwerbstätigen, sondern das Verhältnis des verteilbaren Reichtums einer Gesellschaft zur Anzahl ihrer Mitglieder ändert. Und diese Zahl – das Volkseinkommen pro Einwohner – steigt.
Sonach gibt es auch nicht eigentlich ein Pensionsproblem, sondern vielmehr ein Verteilungsproblem. Und hierin liegt der entscheidende Konflikt. Auf dieser Grundlage ließe sich das umlagebasierte Pensionssystem verbessern und durch die geboten garantierte staatliche Zuschüsse stärken – und problemlos zukunftsfest machen.
In diesem Zusammenhang sei lediglich noch mit einem weiteren, ständig geschwungenem Propagandaknüppel aufgeräumt: dem durchsichtigen Ausspielen der Älteren gegen die jüngere Generation, der man die Pensionsleistungen nicht zumuten könne. In einem umlagebasierten Pensionssystem fungieren die Jüngeren aber nicht als Samariter für die Älteren, sondern erwerben mit ihren Pensionsbeiträgen vielmehr das Anrecht auf ihre eigenen Pensionen. Es sind demgegenüber in Wirklichkeit gerade jene Neoliberalen, die der resp. einer stärkeren Kapitaldeckung das Wort reden, die den Jüngeren im kapitalistischen Verwertungsinteresse eine untragbare Belastung aufzubürden gedenken. Denn ein solcher Paradigmenwechsel würde bedeuten, dass die heutige erwerbstätige Generation für die heutigen PensionistInnen sorgt und zugleich Kapital für die eigenen Pensionen bilden müsste – ein Sachverhalt auf den linke ÖkonomInnen ebenfalls schon seit Geraumen hinweisen.
Push- und Pull-Faktoren
Die Gründe für einen Austritt aus dem Erwerbsleben wiederum sind vielfältig. Push-Faktoren, die aus der Beschäftigung hinausschiebend wirken, umfassen schlechte Arbeitsbedingungen, hohe psychische und/oder physische Anforderungen, ein Nichtübereinstimmen von vorhandenen und nachgefragten Qualifikationen, Gesundheitsprobleme, Präferenzen für mehr Zeit mit der Familie sowie auf der Unternehmensseite Lohnkosten und die Qualifikationsstruktur. In die Pension hineinziehende Pull-Faktoren sind die Anspruchsvoraussetzung für eine Pension (Mindestbeschäftigungsdauer), die Höhe der Einkommensersatzrate, der Arbeitsmarktstatus (beschäftigt oder arbeitslos) und der Familienstatus.
Hinzu kommt, dass sich die Mehrheit der Beschäftigten über 45 Jahre gerade in frauendominierten Branchen, wie Gesundheit, Pflege und Reinigung nicht vorstellen kann, ihren Beruf bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter auszuüben. Ausschlaggebend dafür sind sehr belastende Arbeitsbedingungen, die sich negativ auf die Gesundheit und damit die Arbeitsfähigkeit im Alter auswirken. Ebenso negativ wirkt hier die mitunter jahrzehntelange Mehrfachbelastung erwerbstätiger Frauen durch Hausarbeit, Kinder- und Enkelkinderbetreuung sowie Angehörigenpflege. Die gesundheitlichen Einschränkungen führen schließlich dazu, dass Frauen selbst in Bereichen mit großem Personalmangel kaum eingestellt bzw. nicht immer weiterbeschäftigt werden.
Die wichtigsten Ursachen des Bangen um die Altersvorsorge
Die wahren Probleme der Altersvorsorge im Land liegen denn auch – zum Schrumpfen der Einnahmebasis durch Arbeitslosigkeit und eines zunehmenden Niedriglohnsektors sowie die Beitragsbemessungsgrenzen für SpitzenverdienerInnen – vielmehr in den seit Jahrzehnten durch die unterschiedlichen Regierungen voran getriebenen Pensions„reformen“: mit der Absicht, den Bundesbeitrag und die Staatsquote zu drücken, sowie in den vielfältigen Pensionskürzungen, mannigfachen drastischen Verschlechterungen und Systemumstellungen. Dazu gesellt sich eine seit langem in neue Höhen emporgekletterte Arbeitslosigkeit, das Wuchern atypischer und prekärer Beschäftigungsverhältnisse, fragmentierte Erwerbsbiographien, „Zwangs-“Teilzeit und Minijobs.
Noch gar nicht so weit zurückliegend drohte, zur weiteren Erhöhung des Pensionsantrittsalters, zudem überhaupt die Einführung einer Pensionsautomatik. Dreh- und Angelpunkte des umlagefinanzierten Systems sind neben der staatlichen Dritteldeckung resp. zukunftsfester, ökonomisch problemlos zu bewerkstelligender staatlicher Zuschüsse, so allem voran die Frage der Vollbeschäftigung, mit hohen Löhnen und Gehältern, ein robuster Mindestlohn, die Aufhebung der Beitragsobergrenze für Spitzenverdiener sowie die Heranziehung wertschöpfungsbezogener Quellen bzw. von Finanz- und Spekulationseinkünften und ähnlichem.
Gender Pay Gap, „Zwangs-“Teilzeit, fragmentierte Erwerbsbiographien und Altersarmut von Frauen
Zu alledem gesellen sich insbesondere für Frauen noch generell schlechter bezahlte Jobs, fragmentierte Erwerbsbiographien, entgrenzte Prekarisierungen und „Zwangs-“Teilzeit, die vielfach direkt in die Altersarmut führen. Wie enorm der Gender-Gap ist, wurde eingangs bereits mit Blick auf das Vorkrisenjahr 2019 dargelegt: Im Durchschnitt lagen die Pensionen von Frauen (mit 1.284 Euro 2018) um 42,3% niedriger als jene ihrer männlichen Kollegen (mit 2.227 Euro, inkl. Zulagen und Zuschüssen, aber ohne zwischenstaatliche Teilleistungen). Auf Basis der Medianpensionen betrug der Pensions-Gap, und damit schließt sich der Kreis, wie schon im Intro exponiert, sogar fast 50% (exakt: 49,2%). Und der Gender-Gap schloss sich auch seither nur minimalst – ja, in den letzten 10 Jahren um bloße 3,18% – und liegt heute bei 40,1% (exakt: 40,9%) und auf Medianbasis nach wie vor bei knapp der Hälfte. Oder in anderen Worten: Die durchschnittliche Frauenpension liegt mit 1.378 Euro aktuell fast 200 Euro unter der aktuellen Armutsgefährdungsschwelle nach EU-SILC. Ja, annähernd die Hälfte der alleinlebenden Pensionistinnen (nämlich 46%) lebt überhaupt in Armutsverhältnissen. Das soziale Gefälle im Erwerbsleben, wie die vielfach bereits akute Lohnarmut, multipliziert sich in der Altersarmut sonach noch einmal drastisch.
Um diese himmelschreiende Ungleichheit und programmierte Altersarmut für das Gros der Frauen radikal zu wenden, ist zum einen der vielfach grassierende Mumpitz zur Pensionsfinanzierung in die Schranken zu weisen, und benötigt es andererseits eines konsequenten gewerkschaftlichen und sozialen Kampfs und einer damit einhergehenden Verschiebung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse, nicht nur zur Verteidigung, sondern darüber hinaus progressive Neugestaltung des Pensionssystems. Denn: Eine soziale Wende, nach der alle in Würde alt werden und gesichert ihren Lebensabend genießen können, lässt sich nur in konsequenten gesellschaftlichen Kämpfen und Offensiven der Arbeiterkammern erringen.
Unmittelbar von Nöten jedoch ist zumindest eine öffentlich garantierte Mindestpension von (resp. Anhebung der Ausgleichszulage auf) 1.600 Euro (= 80% des geforderten Mindestlohns von 2.000 Euro) sowie die Rücknahme der gerade in Kraft getretenen Erhöhung des Frauenpensionsantrittsalters.