Vor ziemlich exakt zwei Jahren, im Herbst 2022 spürten wir in einer umfangreicheren, mehrteiligen Serie dem „westlichen Amoklauf ausufernder Wirtschaftskriege“ nach. Und ergänzten diese anlassbezogen immer wieder einmal. Wer die Entwicklung des US-verhängten Chips-Krieg gegen China einigermaßen nüchternen Auges mitverfolgt, darf getrost resümieren, dass dieser den Aufholprozess Pekings in der Halbleiterbranche nicht gewaltsam ausbremsen, geschweige denn gar stoppen konnte. Indessen aber ein virulentes und kräftiges Bumerang-Potential beinhaltet. Mit der nun bevorstehenden weiteren Eskalation des Handelskonflikts durch die Brüsseler Verhängung massiver Einfuhrzölle auf chinesische E-Autos, stehen die Zeichen Zug um Zug direkthin auf Handelskrieg. Dabei, heute weitgehend dem Vergessen anheimgefallen, hatten wir eine ähnliche Aufwallung des Protektionismus schon in den 1980er Jahre: Gegen die damals deutlich wettbewerbsfähigeren japanischen Autos.
Manfred Sohn, Vorsitzender der Marx-Engels-Stiftung in Wuppertal, hat denn in seinem hier gekürzt übernommenen Kommentar „Zu den kommenden EU-Zöllen auf E-Autos aus China“ in der letzten Ausgabe der uz natürlich auch seinerseits nicht darauf vergessen, auf die damaligen rigiden Importbeschränkungen gegen die seinerzeit überlegene japanische Autoindustrie und das Ergebnis dieser hilflosen Abwehrschlacht hinzuweisen. Regelrecht panisch griff die EU (EG) – so wiederum der bekannte Ökonom Wolfram Elsner – sogar „zu dem, was ihrem neoliberalen Freihandelsnarrativen am meisten widersprach, zur Mengenkontingentierung: Es wurden pro EU-Mitgliedsland und Jahr für jeden japanischen Hersteller detaillierte maximale Importmengen in absoluten Stückzahlen bis auf die letzte Stelle festgelegt.“ Der Ausgang der Zoll- und Mengenkontingentierungs-Schlacht ist bekannt: Weltmarktführer ist heute Toyota. Damit sei das Wort aus aktuellem Anlass aber endgültig Manfred Sohn gegeben:
Der Weg für die EU-Kommission, ihren Vorschlag nach zusätzlichen Zöllen gegen Elektroautos aus China durchzusetzen, ist frei. Die Mehrheit der 27 EU-Staaten gab ihr „Okay“ für die Erhöhung der jetzt schon 10 Prozent betragenden Zollmauer für die technologisch und preislich überlegenen Elektrofahrzeuge aus China. (…)
Zwar werde, hieß es gleichlautend aus Brüssel wie aus Peking, noch bis zum 30. Oktober „weiterverhandelt“. Aber es ist eher unwahrscheinlich, dass die Scharfmacher aus der EU-Kommission ihren eigenen Vorschlag zurückziehen werden, nachdem der von Deutschland angeführte Widerstand der dort ansässigen Automobilkonzerne politisch gebrochen ist. Somit werden wahrscheinlich ab dem 31. Oktober auf Elektrofahrzeuge der Marke BYD zusätzliche 17 Prozent Zoll erhoben, auf die von Geely 18,8 Prozent. SAIC und andere Unternehmen, die sich „nicht kooperativ gezeigt hätten“, müssen zusätzliche Zölle von 35,3 Prozent auf ihre Fahrzeuge abführen – bezahlt letztlich von den Kunden in der EU. Die Konzerne hatten sich geweigert, den EU-Kommissaren, die in alter Kolonialistenmanier die Offenlegung der internen Kalkulationen verlangt hatten, alle Bücher vorzulegen.
Mit gut einem Jahr Verzögerung zu dieser neuen Runde im Wirtschaftskrieg gegen China – ab Anfang 2026 – werden die noch aus den 1970er Jahren stammenden Zollschranken von 10 Prozent, die damals gegen in Japan hergestellte Autos errichtet wurden, fallen. Diese nun zu Ende gehende Etappe ist in mehrfacher Hinsicht erhellend. Denn sie hat das Erstarken der mit diesen Zöllen bekämpften japanischen Konzerne letztlich nicht verhindert – Toyota ist heute Weltmarktführer. Das wird auch in diesem Zollkrieg ähnlich sein. Die chinesischen Unternehmen werden zum einen versuchen, trotz dieser Hürden ihre technisch und preislich überlegenen Produkte in Europa abzusetzen und dafür möglicherweise auch Werke in Europa selbst errichten. Das haben damals Toyota, Nissan und Honda vor allem in Großbritannien gemacht. Die chinesischen Konzerne werden als Sprungbrett wohl Ungarn nutzen. Wie damals Toyota und Co. werden BYD und andere zweitens die Herausforderung nutzen, um noch stärker auf den Weltmarkt zu drängen. In den BRICS-Staaten werden künftig noch weniger europäische und noch mehr chinesische Fahrzeuge auf den Straßen rollen.
Zeitgleich zum Beginn des „neuen Zoll-Zeitalters“, wie es die FAZ nannte, wurde bekannt, dass sich die Hoffnungen von VW Osnabrück, für Porsche ein E-Auto zu produzieren, zerschlagen haben. Die dort nun drohende Werkschließung zeigt die ganze Hilflosigkeit der ökonomischen Verzweiflungstat aus Brüssel.