Die jährlichen Wohlstandsberichte der AK und von Statistik Austria bestätigen wohl das subjektive Empfinden des Großteils der Bevölkerung. Die seit nunmehr mehr als einem Jahr andauernde Rezession in Österreich sorgt für ein abnehmendes Wohlstandsniveau. Das BIP pro Kopf liegt derzeit 2,1 Prozent unter dem des Jahres 2019. Doch nicht nur die Wohlstandseinbußen vergrößerten sich, auch die Vermögenskonzentration nahm weiter zu und damit auch eine noch ungerechtere Verteilung der Einkommen zwischen Arm und Reich. Vor diesem Hintergrund begann diese Woche mit dem Handel, der Sozialwirtschaft und den Eisenbahner:innen der Startschuss zu den heutigen Herbst KV-Runden.
Die „Polykrisen“ des Kapitalismus prägen dabei die gesellschaftliche Entwicklung. Sowohl die längste Rezession seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als auch die Folgen der Hochinflation der Vorjahre ließen den Wohlstand spürbar sinken und sorgten dafür, dass die Armuts- und Ausgrenzungsgefährdung in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Besonders die gestiegenen Kosten für Wohnen und Energie belasten eben Haushalte mit niedrigerem Einkommen. Wer die Folgen einer Rezession besonders zu spüren bekommt, ist eben auch eine Klassenfrage.
Den Apologeten des Kapitalismus und seiner Interessensvertretungen, wie der Industriellenvereinigung, ist dies allerdings kein Dorn im Auge. Sie propagieren sogar, dass es weitere Sparmaßnahmen zu Lasten der Bevölkerung sowie eine Erhöhung der Arbeitszeit (bei gleichbleibendem Lohn versteht sich) braucht, um aus der Rezession zu kommen. Dass man durch niedrigere Einkommen und Sparpaketen den Wohlstand der breiten Bevölkerung wohl kaum verbessert, liegt wohl auf der Hand. Sehr wohl aber werden dadurch die Extraprofite des Kapitals gesichert.
Aus gewerkschaftlicher Perspektive dürfen wir die zu erwartenden Angriffe des Kapitals nicht unbeantwortet lassen und müssen den angeblich „ideologiefreien“ und „alternativlosen“ Plänen des Kapitals den Kampf ansagen. In diesem Kontext heißt das nicht minder, sich nicht von den Farbenspielen im aktuellen Koalitionspoker blenden zu lassen. Ein Spektrum Richtung sozialer Wende jedenfalls, scheint in diesem bunten Gemisch nirgendwo auf.
Die zaghaften Forderungen, mit denen die Gewerkschaften in die Kollektivvertragsverhandlungen gehen sind daher viel zu mau und fatales Signal. Gerade jetzt braucht es einen entschlossenen Kampf um hohe Löhne, auch um die Folgen der drohenden Sparpakete abzufedern.
Gesamtgesellschaftlich braucht es eine radikale Umverteilung um den sozialen Wohnbau zu fördern und eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, um die Arbeitslosigkeit abzubauen und die Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit gerechter zu machen.
Die andauernde Krise des Kapitalismus zeigt, dass er keineswegs „das Ende der Geschichte“ darstellt, sondern es ein Ende des Kapitalismus braucht, auch um wieder langfristig die Erhöhung unseres Wohlstandes sichern zu können.