Der Ball von Geldadel, Konzernchefs und Politprominenz & unser Kampf um Demokratie

Schon Rosa Luxemburg strich einst hervor, dass mit dem historisch absteigenden Interesse des Bürgertums an der Demokratie, den „demokratischen Ingredienzien des Staatswesens“*, das Schicksal der Demokratie desto mehr an den Kampf der Arbeiter:innen- und Gewerkschaftsbewegung gebunden ist.

Die zeitgeschichtlichen Diagnosen einer zunehmenden „Postdemokratie“ – samt Unterminierung, ja regelrechtem Aushebeln zentraler demokratischer Elemente – reichen so auch schon auf die Jahrhundertwende zum 21. Jh. zurück und prangerten seinerzeit die neoliberalen Formen der „Postdemokratie“ an. Dementsprechend erschien bspw. das im politischen Diskurs teils Furore machende gleichnamige Buch („Post-Democracy“) des britischen Soziologen Colin Crouch bereits 2005; was heute vom politischen Personal der sogenannten „politischen Mitte“ und medial gern unter den Teppich gekehrt wird.

Also – zur Erinnerung – noch am Vorabend, bevor das Tandem des EZB-Präsidenten Mario Draghi und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Kooptierung von Wolfgang Schäuble (als deutschen Finanzminister), Francois Hollande (als Präsident Frankreichs), Jean-Claude Juncker (als EU-Kommissionspräsident) und Donald Tusk (als Präsident des Europäischen Rates) als „ad-hoc-Komitee“ überhaupt im Stile einer europäischen Selbst-Inthronisierung einfach die Geschicke der EU übernahm und bis in Länder der Union hinein durchregierte.

Und diese prinzipielle, heute grundlegende EU-europäische Verlagerung der Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse bzw. der Rahmenbestimmung (Stichwort: Budgetsanierung à la Maastricht) und demokratischen Aushöhlung geht im Zeitalter der qualitativ neuen internationalen Verflechtung des Kapitals – eingedenk verschärfter Konkurrenzkämpfe sowie des aktuellen neo-merkantilen US-Weltwirtschaftskriegs –  gleichzeitig mit der neuen kontinentalen Governance mit einem, jeden demokratischen Prinzips baren ‚transnationalisierten Steuerungsgeflechts‘ (aus EU-Kommission, G7, NATO, OECD, Fed und EZB, IWF, Weltbank, Frontex etc.) einher. Und dessen (rechtlich) bindende Wirkungen betreffen bei weitem nicht „bloß“ die explizit supranationale Verfasstheit der EU. Dasselbe gilt ebenso für das dicht gespannte Netz an Freihandels- und Investitionsabkommen oder den „Washington Consensus“ für Kreditlinien. Bis hin zum nun festgeschriebenen 2%- bald wohl 5%-Ziel der NATO in deren Staatenbündnis sowie als Gravitationspunkt „des Westens“.

Die Unterminierung der Demokratie und des Parlamentarismus, das Aushebeln zentraler demokratischer Elemente sowie die Aufwertung und der Ausbau der Repressions- und Überwachungsapparate sind sonach – bei aller antidemokratischer Spezifik – auch beileibe kein Alleinstellungsmerkmal der aufbrandenden „rechts-außen“ Parteien, des sog. Rechtspopulismus oder des rechtsautoritären Nationalismus – sondern ein genereller Grundzug des Spätkapitalismus. Und zwar in der dialektischen Einheit von Demokratie als Inhalt (sprich: bezogen auf die sozialen Interessen, die reale Partizipation, auf Masseninitiative) wie als Form (sprich: bezogen auf die demokratischen Institutionen, Verfahren und Prozesse).

Legt man als normativen Demokratiebegriff überhaupt die individuelle und kollektive Selbstbestimmung über die eigenen Angelegenheiten zugrunde, bis hinein zu Fragen der gesellschaftlichen Entscheidung und Verfügung über unsere Lebensbedingungen, die Produktions- und Investitionspolitik, sowie der gesamten Produktionsweise, wird über die zunehmende „Postdemokratie“ auf politischem Feld zugleich ersichtlich: Spätestens an den Werkstoren enden demokratische Rechte im Rahmen der Profit-Logik dann überhaupt weitgehend.

Wer über die Produktionsmittel verfügt, schafft an – und wer arbeitet, hat zu schweigen. Kapitalistische Normalität, die am Opernball als Geldadel, Konzernchefs, Bankenvertreter und Politprominenz das Tanzbein schwingt, die Sektkorken knallen lässt und sich feiert. Und wir? Wir sollen, außer dem Recht auf innerbetriebliche Belegschaftsvertretungen und damit einhergehenden Möglichkeiten der Betriebsratsarbeit und -Wahl, die betrieblichen Machtstrukturen akzeptieren, brav Anordnungen der Vorgesetzen ausführen und so wenig wie möglich aufmucken und am besten nicht auffallen.

Und so stehen wir als Kommunist:innen, als KOMintern denn auch für betrieblichen Machtaufbau von unten und für die Ausbildung realer Gegenmacht – für die Selbstorganisierung der Arbeiter:innenklasse, den konsequenten Arbeitskampf, und für den Klassenkampf um ein anderes Gesellschaftssystem. In Aktionskomitees der Basis, durch Betriebsratsteams, die Urabstimmungen in der Belegschaft durchführen, und in Gewerkschaften, die durch Druck der Kolleg:innen und einzig deren Arbeits- und Lebensinteressen verpflichteten Betriebsratskörperschaften wieder in ein Kampfinstrument verwandelt werden, die Arbeitskämpfe austragen und zu Streiks als höchster gewerkschaftlicher Kampfform aufrufen.

 

*Womit Luxemburg mit Lenin zugleich nochmals zwischen „bürgerlicher Demokratie“ und den bürgerlich-demokratischen Formen, den „demokratischen Einrichtungen“ unterschied.

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