Freilich, und diese Einschätzung teilen wir mit Autoren wie Solty ebenso, kann man die neuralgischen aktuellen Konflikte auf der Welt ohne den von den USA ausgerufenen und angezettelten „Großkonflikt des 21. Jahrhunderts“ zwischen den USA und China nicht hinlänglich begreifen und das gilt nicht minder für den Panama-Konflikt – worum es in Teil IV handelte und wir die Serie zu Panama im Lichte der (zwischenzeitlich eskalierten) globalen Konfliktlage beenden.
China im Blick
Das also sind die Hintergründe der US-amerikanischen Drohungen. Sie kommen nicht aus dem Nichts. Zugleich kann von einer unfairen Behandlung durch die panamaische Regierung, wie Trump sie moniert, nicht die Rede sein. Die Gebühren, die der Staat erhebt, um die Funktionsfähigkeit der Wasserstraße auch durch die Vertiefung der Fahrrinne usw. zu gewährleisten, fluktuieren. Sie tun dies jedoch nutzungs- und witterungsbedingt. Die Behandlung von Schiffen unterschiedlicher Nationen ist diskriminierungsfrei. Alle zahlen dieselben Gebühren.
Was bezweckt Trump also in Wirklichkeit? Zum einen strebt der Präsident für US-amerikanische Konzerne eine Gebührenbefreiung an. Faktisch geht es Trump also bei der Drohung, sich den Kanal „zurückzuholen“, um Vorzugsbehandlung und die Herstellung von besonderen Konkurrenzvorteilen gegenüber dem Rest der Welt. Dass Trump eine Form der „positiven Diskriminierung“ anstrebt, die er im Inland zum wesentlichen Element seiner Politik der Säuberung der Staatsapparate und zur Vernichtung seiner Gegner nutzt, macht die Sache besonders pikant, um nicht zu sagen bizarr.
Aber was ist dran an dem Vorwurf, China sei der eigentliche Betreiber des Kanals? Sowohl die Regierung Panamas als auch die der Volksrepublik haben diese Behauptungen als abstrus zurückgewiesen. Fakt ist: Die chinesische Regierung hat 2013 die „Belt and Road“-Initiative (BRI), auch als „Neue Seidenstraße“ bekannt, als einen wesentlichen Pfeiler ihrer Außenwirtschaftspolitik beschlossen. BRI beinhaltet Investitionen vor allem in Hafen- und andere Verkehrsinfrastrukturen wie den Export von Hochgeschwindigkeitszügen. Seit 2013 sind 140 Staaten der Welt, in denen fast drei Viertel der Weltbevölkerung leben, der BRI beigetreten. Sie versprechen sich davon einen erleichterten Handel. Studien der Weltbank beziffern den Handelsaufschwung, der von der BRI ausgeht, mit mehr als vier Prozent und die Kostenreduktion des globalen Handels mit ein bis zwei Prozent.
Panama ist 2017 der BRI beigetreten und profitiert unter anderem vom Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. So verlängert die China Railway Tunnel Group Company die Panama City Metro unter dem Südende des Kanals hindurch. Zum Panamakanal gehören insgesamt fünf Containerhäfen: Colon, Rodman, Manzanillo, Cristobal und Balboa. Alle befinden sich in ausländischer Hand. Drei von ihnen werden von Unternehmen betrieben, die ihren Firmensitz in den USA, Taiwan und Singapur haben. Trump geht es um Cristobal und Balboa, die schon seit 1997 von der Panama Ports Company, einem Tochterunternehmen des Mischkonzerns CK Hutchison, betrieben werden, der seinen Firmensitz in Hongkong hat, das wiederum bis 1997 noch britische Kolonie war und seither eine Sonderverwaltungszone mit weitreichenden Autonomierechten innerhalb der Volksrepublik China ist.
Er bezweifle, dass die Kommunistische Partei Chinas beim Tagesgeschäft des Panamakanals einen Einfluss auf CK Hutchison habe, aber „in einer Krise oder einem Konflikt“ wäre es „für die Kommunistische Partei Chinas relativ einfach zu sagen, wir werden die Häfen nutzen“, sagt Henry Ziemer vom US-amerikanischen „Center for Strategic and International Studies“ im Interview mit der BBC. Aus dem Pentagon hieß es schon 2023, „in einem potentiellen globalen Konflikt könnte die Volksrepublik strategische regionale Häfen nutzen, um der US-Kriegsmarine und kommerziellen Seefahrt Zugang zu verweigern“.
Es geht also um die Möglichkeit der Kriegführung. Dies gilt auch in bezug auf ein weiteres Bauprojekt am Kanal. Für 1,42 Milliarden US-Dollar baut ein privates chinesisches Unternehmen aktuell die vierte Brücke über den Kanal, die Panama City und Westpanama verbinden soll. Laut Ted Cruz, einem über die extrem rechte Tea-Party-Bewegung in den US-Senat gelangten Republikaner, würde die Fertigstellung dieser Brücke China „die Möglichkeit geben, den Kanal ohne Vorwarnung zu blockieren“.
Der Druck der USA war schon vor Trump groß. Eddie Tapiero, ein panamaischer Ökonom, sagte kürzlich der BBC, dass wohl etwa die Hälfte aller Infrastrukturprojekte, die der Staat im Rahmen der BRI mit China unternommen hat, mittlerweile auf Eis gelegt wurden. Rubios Besuch verstärkte den Druck. Am 6. Februar verkündete das US-Außenministerium, obschon von der Regierung Panamas dementiert, den Erfolg: Panama hätte der Erpressung nachgegeben und verlange fortan von US-Regierungsschiffen – gemeint sind insbesondere US-Kriegsschiffe – „keine Gebühren mehr für die Durchfahrt durch den Panamakanal“. Außerdem verkündete die Mulino-Regierung, dass man die Beteiligung der Panama Ports Company an den Häfen von Cristobal und Balboa überprüfen werde. Es gehe um die „Sicherstellung einer effizienten und transparenten Nutzung öffentlicher Mittel“, verlautbarte das Amt für Rechnungsprüfungen. Denkbar ist, dass diese angekündigte Prüfung im Ergebnis zur Zurücknahme der Konzessionsverlängerung führt, die vor vier Jahren bis ins Jahr 2046 erteilt worden ist. Am 7. Februar verkündete die Regierung Mulino dann sogar ihren Austritt aus der „Belt and Road“-Initiative. Die chinesische Regierung kritisierte dies als „Erpressung und Zwang“.
Für den kleinen Tiger und den kleinen Bär stand nach ihrer Suche nach dem gelobten Land Panama fest: „Wenn man einen Freund hat, braucht man sich vor nichts zu fürchten.“ Die beiden Janosch-Figuren erreichten das gelobte Land niemals. Der Arm der USA indes reicht so weit. Für ihn gilt: Wenn man einen solchen Freund hat, hat man viel zu befürchten – vor allem militärische Gewalt [resp. machtpolitische Erdrosselung bis zur Kapitulation und Endsouveränisierung im US-imperialistischen Interesse].