Bisher nur so beiher angetönt, verdankt Panama dem Objekt der US-Begierde, dem Panamakanal, überhaupt erst seine Existenz. Schon 1865 und 1885 hatten die USA Panama, damals noch eine Provinz Kolumbiens, besetzt. 1903 erfolgte mit einem angezettelten Putsch und der abermaligen Besetzung der Provinz Panama dann der große Coup. Gestützt auf die US-Army und gelandeter US-Marines unter Mithilfe korrupter Oligarchen erzwang Washington die Abspaltung Panamas von Kolumbien, installierte ein Kompradoren-Regime und zog entlang seiner Interessen die Grenzen in „seinem Hinterhof“ neu – worum es in Fortsetzung von Solty in Teil III der Serie zu tun ist.
Ein neuer Staat entsteht
1894 wurde für die Aktienverwaltung und Aufrechterhaltung der Infrastruktur ein neuer Konzern, die Compagnie Nouvelle du Canal de Panama (CNCP), gegründet. Als Preis wurden 109 Millionen US-Dollar aufgerufen. Die Pleite hatte allerdings die Grenzen privater Investitionsvorhaben aufgezeigt. Nun erfolgte der Auftritt der US-Regierung, die im Übergang zum Imperialismus aktiv die US-Kapitalexpansion förderte. Im Spooner Act (1902) erteilte der Kongress Präsident Theodore Roosevelt, der gerade Krieg gegen Spanien geführt hatte, um die alte Kolonialmacht aus den Amerikas zu verdrängen, das Recht, die CNCP-Wertbestände zu kaufen.
Washington bot einmalig zehn Millionen und die Zahlung einer jährlichen Pacht von 250.000 US-Dollar. Vom US-Senat am 14. März 1903 abgesegnet, wurde der Vertrag im kolumbianischen Parlament abgelehnt. Roosevelt reagierte rassistisch: Er „glaube nicht, dass man es diesem Haufen Karnickel in Bogotá erlauben sollte, auf Dauer einen der großen künftigen Verkehrswege der Zivilisation zu versperren“. „Unsere Feinde“ in der „kleinen Wildkatzenrepublik“ hätten einen „kriminellen Fehler“ begangen. Seinem Außenminister John Hay eröffnete er zwei Optionen: „1. Nicaragua übernehmen oder 2. sich auf die eine oder andere Weise einmischen, wenn es nötig wird, um die Route in Panama ohne weitere Verhandlung mit (…) Bogotá zu schützen.“ Man entschied sich gegen einen Alternativkanal in Nicaragua und für die zweite Option.
Die USA zettelten nun mit Hilfe korrupter Eliten einen Putsch an. Dieser erfolgte nach dem Vorbild eines Umsturzes in Hawaii. Mit ihm war ein Jahrzehnt zuvor die Herrschaft einer zahlenmäßig kleinen, weißen Klasse abgesichert worden. Die winzige Gruppe von Verschwörern bestand im Grunde ausschließlich aus Mitgliedern der Kompradorenbourgeoisie: der Bankier José Agustín Arango (später Außenminister), der Panama-Eisenbahnunternehmer Manuel Amador (später erster Präsident), der Geschäftsmann Federico Boyd (später Juntaminister), der in den USA ausgebildete Unternehmer Tomás Arias (später Arangos Sekretär und Parlamentspräsident) und der Pharmahersteller und Lotteriebetreiber Manuel Espinosa Batista.
Finanziert worden war der Putsch von Philippe-Jean Bunau-Varilla, einem der größten CNCP-Aktionäre. Nach dem kolumbianischen Votum hatte er einen Baustopp oder Nicaraguaplan befürchtet. Darum war er durch die USA gereist und hatte gemeinsam mit dem New Yorker Lobbyisten William N. Cromwell mit Lügen über eine verheerende Vulkantätigkeit in Nicaragua erfolgreich Stimmung gemacht. Von New York aus bereitete er in enger Zusammenarbeit mit Roosevelt den Putsch vor. Am 3. November 1903 übernahm die Gruppe der Verschwörer mit Unterstützung einiger lokaler Militärs die Regionalregierung und erklärte die Unabhängigkeit. Die neue – US-Kapitalexportinteressen begünstigende – Verfassung hatte Bunau-Varilla da bereits in der Tasche.
Die US-Kriegsflotte hielt ihr Versprechen und unterstützte den Putsch. Sie hielt die kolumbianischen Truppen mit dem Schlachtschiff „USS Nashville“ von einer Rückeroberung ab. Die Einheiten, von Kolumbiens Regierung zur Auflösung des Putsches auf ihrem Staatsgebiet entsandt, wurden von US-Militärs in eine Falle gelockt und festgenommen. Zwei Tage später landeten 400 Marinesoldaten. Kurz darauf tauchten acht weitere US-Kriegsschiffe vor der Küste auf, um den Putsch abzusichern.
Laut dem US-Historiker Thomas Schoonover gab die Roosevelt-Regierung den Putschisten vorab Garantien, dass man eine separatistische Staatsgründung sofort anerkennen würde. Dafür spricht, dass sie – ohne jede Debatte im Kongress – bereits eine Stunde nach der Meldung über den Sieg der Putschisten Panama durch ihren Konsul in Kolumbien anerkennen ließ. Die neue Flagge über der Präfektur in Colón hisste ein Major der US-Armee, William Murray Black. Schon am 13. November lud man die Putschisten zum Staatsempfang.
Natürlich stritt die US-Regierung jegliche Beteiligung ab. Alles sollte wie eine Volksrevolte aussehen. Noch in seiner Autobiographie log Roosevelt: „Niemand mit Verbindungen zur amerikanischen Regierung war Teil der Vorbereitung, Aufstachelung oder Ermutigung der Revolution.“
„Für die Ewigkeit“
Der von Kolumbiens Parlament abgelehnte Vertrag wurde von der Putschregierung verabschiedet. Präsident Amador machte Bunau-Varilla sogleich zum US-Botschafter und stattete ihn mit allen Vollmachten aus, die Baufortsetzung mit US-Außenminister Hay zu vereinbaren. Alle US-Forderungen wurden noch im selben Monat im Hay-Bunau-Varilla-Vertrag erfüllt. Von den Verfassern der ersten umfassenden Geschichte des Kanals, Noel Maurer und Carlos Yu, wird der Inhalt des Abkommens so zusammengefasst: Bei diesem „wurden alle Einnahmen aus dem Verkauf (…) dem Staat Panama vorenthalten. Er erlaubte es ihm auch nicht, Steuern oder ›Zuzahlungen oder Nutzungsgebühren (…)‹ auf den Kanal, seine subsidiären Unternehmen, die Panama Railroad oder ihre Beschäftigten zu erheben. Die USA erlangten ferner das Exklusivrecht auf Gesetzgebung und Rechtsausübung innerhalb eines 22-Meilen-Korridors (…) sowie die unilaterale Autorität, die Zone auf alle Gebiete auszuweiten, welche die USA als ›notwendig und nützlich erachteten für den Bau, die Instandhaltung, den Betrieb, die Entsorgung und den Schutz des besagten Kanals oder aller Zusatzkanäle oder anderer Einrichtungen‹. Mit dem Vertrag verpflichtete sich Panama des Weiteren zur Übernahme der gesamten Kapital- und Betriebskosten.“ Im Gegenzug leisten die USA eine sofortige Einmalzahlung von zehn Millionen US-Dollar. „Diese Bedingungen waren“, so Maurers und Yus Fazit, also „dieselben Bedingungen, die 1902 noch wütend zurückgewiesen worden waren“.
Zudem ließen die USA nach dem Vorbild des 1898 – nach dem siegreichen Krieg gegen Spanien – kurzzeitig annektierten Kubas in Panamas Verfassung hineinschreiben, dass sie jederzeit „einmarschieren könnten (…), um die öffentliche Ruhe und die verfassungsgemäße Ordnung wiederherzustellen“. Auch wurde – ebenfalls nach kubanischem und philippinischem Vorbild – die Dollardiplomatie wirksam. Denn eine zu vollziehende »Finanzreform« bedeutete, dass alle diese Länder auf den Goldstandard umgestellt wurden, wodurch in den USA überakkumuliertes Kapital auf Anlagesuche massenhaft in diese Länder abfließen konnte. Und schließlich, so Emily S. Rosenberg in einer Monographie über ebenjene Dollardiplomatie, „wurde der Panamakanal zum zentralen Mosaikstein von (Roosevelts) ›Großmarine‹-Strategie, da sie eine Zwei-Ozeane-Handels- und Militärmachtstellung ermöglichte“.
Verständlich, dass ein solcher Vertrag später den Zorn der Bevölkerung auf sich zog, als klar wurde, was Bunau-Varilla, der schon seit 17 Jahren nicht mehr in Panama gelebt hatte und – wohlweislich – auch nie wieder dorthin zurückkehrte, im Sinne einer Interessenübereinstimmung zwischen lokalen Eliten und der Washingtoner Regierung „für die Ewigkeit“ (so die vertragliche Formulierung) ausgehandelt hatte. Nach Bekanntwerden der Details kam es immer wieder zu Konflikten zwischen den US-Quasibesatzern und der Bevölkerung. Der heftigste war der Volksaufstand vom 9. Januar 1964 mit dem Ziel, die Souveränität über die Panamakanalzone wiederzuerlangen. Die US-Armee warf ihn blutig nieder: 22 Panamaer und vier US-Soldaten kamen ums Leben. Der Vertrag von 1977, abgeschlossen zwei Jahre nach der desaströsen Niederlage der USA in Vietnam, die den US-Imperialismus in eine tiefe Krise stürzte, war auch Folge dieses gewachsenen nationalen Selbstbewusstseins.
Erst seit 1999 verfügt der Staat Panama souverän über den Kanal, betreibt und erhebt nach eigenem Ermessen Gebühren für die Durchfahrt, einschließlich einer Trockenzeitabgabe. Aber im Vertrag von 1977 sicherten sich die USA das Recht auf eine militärische Invasion, sollte es zu einer Störung oder Schließung des Betriebs oder einem Verlust seiner Neutralität kommen.
