Brennglas US-Imperialistik: Panama, der Panamakanal und die USA im Spiegel der Geschichte 1881 bis 2025 (Teil I)

„In der berühmten Geschichte »Oh, wie schön ist Panama!« des Kinderbuchautors Janosch sagt »der kleine Bär« zum »kleinen Tiger«: »Panama ist unser Traumland … Nicht wahr, Tiger?“ Das Buch erschien vor einem knappen halben Jahrhundert. Aber noch heute weckt der kleine Staat am Isthmus, der die Kontinente Nord- und Südamerika verbindet, Sehnsüchte“ (genauer: sehnsüchtige Begehrlichkeiten), so Ingar Solty jüngst in seiner längeren historischen Abhandlung zu Panama, dem Panamakanal und deren strategischer Bedeutung für die USA, das US-Kapital und die US-Militärmacht. Entsprechend markiert denn auch nicht ganz zufällig die – im „kollektiven Westen“ und seiner medialen Landschaft verdrängte – US-Invasion in Panama 1989, die bis dahin größte US-Luftlandeoperation seit dem Zweiten Weltkrieg, eine historische Zäsur und die entscheidende Generalprobe für die „neuen Kriege der Zeit nach dem Kalten Krieg“ (Vijay Prashad) und die US-geführte, westliche Verhängung des Kriegsrechts über den Globus. Mehr noch, kann die wechselvolle Geschichte des Landes, des Kanals, dem Panama überhaupt erst seine Existenz verdankt, sowie Donald Trumps Ankündigung sich „den Panamakanal zurückzuholen“, geradezu als vieldimensionales Exempel der Geschichte und Gegenwart à la Imperialistik „Made in USA“ gelten.

Nach der von Washington mittels rücksichtsloser Großmachtpolitik gerade erzwungen, neuerlichen Stationierung von US-Truppen am Panamakanal und begleitenden Zurückdrängung Washington nicht-opportuner Investoren, Grund genug sich in einer kurzen Artikelserie eingehender dem Lehrstück der panamaischen Wasserstraße und den heutigen geopolitischen und globalstrategischen Hintergründen der US-Politik zu widmen – beginnend mit dem Panamakrieg 1989 als dem der weitgehenden Amnesie übergebem zeitgeschichtlichen Mittelstück.

Die 1980er Jahre: CIA-Vertrauensmann und Spießgeselle Noriega fällt in Ungnade

Während uns im jährlichen Fixkalender der Rückschauen auf das Jahr 1989 nicht weniges als geradezu gebetsmühlenartige Endlosschleife medial ‚beglückt‘, herrscht hinsichtlich des Panamakriegs alljährlich dröhnendes Schweigen. Dabei fielen die USA in der Nacht zum 20. Dezember 1989 mit ihrer größten Luftlandeoperation seit dem Zweiten Weltkrieg in das mittelamerikanische Land ein, um dessen Präsidenten zu stürzen, von Spezialeinheiten in ein US-Gefängnis verschleppen zu lassen und den Panamakanal exklusiv für sich zu sichern. Insgesamt 26.000 Soldaten, abseits der seinerzeit dauerhaft in der Kanalzone stationierten 12.000 US-Soldaten eingeflogen von über 200 Maschinen der US Air Force, wurden für diesen „vergessenen“, obwohl damals direkt im Fernsehen übertragenen Krieg, mobil gemacht. 2.000 davon als nochmals unmittelbar nachgesandte Verstärkung gegen die der US-Invasion energisch entgegentretende 7.000 Mann starken panamaischen Verteidigungsstreitkräfte.

Präsident Manuel Noriega, langjähriger CIA-Vertrauensmann in Panama und seit den 1970er Jahren auf der Gehaltsliste der Agency, über den auch die US-Waffenlieferungen an die Contras in Nicaragua gegen die Sandinisten liefen, war spätestens 1988 in Washington definitiv in Ungnade gefallen. Schon ab 1987 trachteten die Vereinigten Staaten unter US-Präsidenten Ronald Reagan, der den 1977 unter Jimmy Carter abgeschlossenen Carter-Torrijos-Vertrag über Rückgabe des Kanals an Panama bis zum Jahr 2000 (erfolgt am 31. Dezember 1999) ablehnte, wieder diesen machtpolitisch offensiv rückgängig zu machen. Eine imperiale Ambition die sich zudem mit der zunehmenden Tendenz des Regimes ihres ehemaligen Protegés sich aus dem Stahlgriff Washingtons zu lösen (so indem es sich etwa gegen die weitere Genehmigung der schmutzigen US-Trainigscamps sperrte oder für den Ausbau des Panamakanals japanischen Investoren und Bauunternehmen der Vorzug geben wollte) kreuzte. Im Sommer 1987 griffen die USA nach ihrem bewährten Wirtschaftskriegs-Motto „Make the Economy Scream“ zu ersten Sanktionen, stellten sämtliche bisherigen Wirtschaftshilfen ein und versuchten dem nunmehrigen Störenfried in „ihrem lateinamerikanischen Hinterhof“ persönlich habhaft zu werden, um die Kontrolle über Panama und die wichtige Wasserstraße zwischen dem Atlantik und Pazifik zu behalten und eine eigenständige Entwicklung des Landes zu verhindern.

Nachdem weder die angeworfene Sanktionsmaschinerie (die 1988 noch um die Sperre aller Konten der Regierung Panamas auf und des Geldtransfers durch US-Banken verschärft wurde), noch der Versuch der Gefangenahme Noriegas von Erfolg gekrönt war, begann sich „zu bewahrheiten“ (Helmut Rizy), was der vormalige Präsident Kolumbiens Alfredo López Michelsen, der seinerzeit maßgeblich an den Verhandlungen zur Rückgabe des Panamakanals beteiligt war, bereits prophezeit hatte: „Wir werden die Vereinigten Staaten bald unter dem Vorwand des Kampfes gegen Drogenhandel in Lateinamerika intervenieren sehen.“ Im Februar 1988 klagten zwei Gerichte in Florida Noriega folgerichtig der Beteiligung am internationalen Drogenhandel an. Parallel dazu wurde auch bereits der Invasionsplan Washingtons ausgearbeitet. „Es war eine der ersten Fragen, mit der man mich beauftragte, als ich im vergangenen Frühling [1989] Verteidigungsminister [unter George Bush sen.] wurde“, so der berüchtigte seinerzeitige Verteidigungsminister und spätere US-Vizepräsident Dick Cheney damals offenmütig.

„Operation Just Cause“ – die größte US-Luftlandeoperation nach dem Zweiten Weltkrieg und das in die Zigtausende gehende viertägige Massaker 1989

Als vorgeschobenen Vorwand für die geballte US-Invasion gab man den Tod eines US-Soldaten bzw. US-Offiziers Mitte Dezember 1989 an. Die Würfel der bereits auf Krieg abonnierten USA waren zu diesem Zeitpunkt freilich schon längst gefallen. Der alte Verbündete und Spießgeselle Noriega wurde in einer konzertierten Propagandakampagne „als schlimmster Schurke des Planeten dämonisiert und die Medien prangerten seine Schandtaten unermüdlich an“ (Vijay Prashad). Aber Noriega war für die USA nur das abtrünnige Tüpfelchen auf dem „i“. Entsprechend erklärte der damalige Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte, Colin Powell – der die UN-Vollversammlung knapp 25 Jahre später belügen, brüskieren und vorführen sollte wie nie zuvor der Fall – in der in die Annalen eingegangenen Kriegsbesprechung im Weißen Haus am 17. Dezember, dass nur Noriega zu verhaften, die Probleme nicht löse, da es in Panamas Nationalen Verteidigungskräften „Klone von Noriega gibt“, die ihn ersetzen könnten. „Unsere Strategie muss sein, das ganze Land durch militärische Verbände, Polizei und andere Mittel unter unsere Kontrolle zu bringen“, so der spätere US-Außenminister weiter.

Drei Tage später starteten die Vereinigten Staaten dann die „Operation Just Cause“ (Operation gerechte Sache). In den Luftangriffen, Bombardierungen, schweren Geschützfeuern und Kampfhandlungen fanden innerhalb von vier Tagen bis zu rund 7.000 Panames:innen den Tod (und wurden danach vielfach in Massengräbern verscharrt) – darunter an die 4.000 Zivilist:innen, allen voran in den von den US-Streitkräften bombardierten und unter Geschützfeuer genommenen Armenviertel in San Miguelito und Chorillo. Hinsichtlich dieses Massakers – „des größten an das sich das Land erinnern kann“, wie man es in Panama auf den Punkt bringt – gilt bis heute weitgehend die bereits seinerzeit vom ehemaligen US-Justizminister Ramsey Clark angeprangerte „offizielle Verschwörung des Schweigens.“ Erst in jüngster Zeit setzt schleppend eine eingehendere Aufarbeitung ein, die auch Jahrzehnte verheimlichte und unterdrückte Fakten und Details ans Licht zerrt – ohne indes von den „Qualitäts-“Medien, geschweige denn „wertebasierten“ westlichen TV oder Radio thematisiert oder gar ins Programm des sterilen jährlichen Fixkalenders der Rückschauen auf das Jahr 1989 aufgenommen zu werden.

Der von der US-Invasion gestürzte General (an dessen Stelle zeitgleich mit Beginn des Militärschlags auf einer US-Militärbasis Guillerma Endara als neuer panamaischer Präsident von US-Gnaden angelobt wurde) suchte zunächst in der apostolischen Nuntiatur in Panama Zuflucht, bevor er sich am 3. Jänner nach 10 Tagen psychologischer Kriegsführung gegen die Nuntiatur durch US-amerikanische Spezialeinheiten den USA ergab, die Noriega sogleich in „God’s  Own Country“ ausflogen, in ein US-Gefängnis steckten und ihm 1992 in Miami den Prozess machten, darin zu 40 Jahren Haft verurteilten und 2010 dann aber an Frankreich auslieferten, wo er wegen Geldwäsche zu einer weiteren langjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

Kurzes Streiflicht auf den „Wertewesten“ samt Fußnote zum ‚neutralen‘ Österreich in der Großen Koalition

Während die UN-Vollversammlung die völkerrechtswidrige, blutige Militäroffensive als „eklatanten Verstoß gegen das Völkerrecht“ verurteilte, legten die USA, Frankreich und Großbritannien im Sicherheitsrat ihr Veto gegen die Verurteilung des Einmarsches ein und verteidigte auch der damalige österreichische Außenminister Alois Mock die US-Invasion.

Wandgemälde zum Protest gegen die US-Invasion in Panama 1989 (Station 5 de Mayo der Metro Panama)

https://commons.wikimedia.org/wiki/User:ProtoplasmaKid

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