500 Jahre „Zwölf Artikel der aufständischen Bauern“: Das Kampfprogramm des deutschen Bauernkriegs

Das Jahr 2025 markiert, neben weiterem, auch das 500-jährige Jubiläum des Höhepunkts des sozialrevolutionären deutschen Bauernkriegs. Im März 1525, vor nunmehr exakt 500 Jahren, proklamierte die Bauerntagung in Memmingen in diesem Kontext mit den „Zwölf Artikeln der aufständischen Bauern“ deren soziales und demokratisches Kampfprogramm, das sich rasch von Ort zu Ort verbreitete und die Forderungen der Erhebung erstmals einheitlich formulierte und schriftlich fixierte sowie eine besondere Bedeutung für die weitere Mobilisierung und deren frühbürgerlich-plebejischen Charakter erlangte.

Im Verlauf des 15. Jahrhunderts bedrückten steigende Abgaben und Frondienste, die Verstärkung feudaler Abhängigkeitsverhältnisse, sowie die grassierende Willkür und zahllosen Kriegsabenteuer der Fürsten in Deutschland die Bauernschaft und werktätigen Volksmassen immer drastischer und nahmen ihnen vielfach das Nötigste zum Leben. Verschärft wurde die Situation noch durch schlechte Ernten und eine wachsende Konkurrenz der Städte, denen der Adel zudem mit einer zunehmenden Auspressung der Bauern begegnete. Vielfach herrschte blanker Hunger. Die Bauern waren nicht mehr gewillt, die stetig steigende Ausbeutung zu erdulden. Zeitgleich wurde auch ihr Ruf nach Freiheit immer lauter. Nach ersten Erhebungen in den 1490er Jahren und der Gründung von revolutionären Geheimbünden wie dem „Bundschuh“ oder dem „Armen Konrad“, schwoll die Bewegung der Bauern nochmals an, verbrüderte sich mit den Handwerksgesellen der Städte sowie Bergleuten und schloss sich darüber hinaus mit Städtebürgern und einfachen Geistlichen zusammen. Mit dem Aufstand der Bauern im Sommer 1524 in der Landgrafschaft Stühlingen gingen die Kämpfe schließlich in den historischen deutschen Bauernkrieg über, der im Frühjahr 1525 seinen Höhepunkt erreichte.

Im März 1525 proklamierten die Abgeordneten von drei schwäbischen Bauernhaufen auf der Bauerntagung in Memmingen mit den „Zwölf Artikeln der aufständischen Bauern“, wie bereits eingangs betont, das soziale und demokratische Kampfprogramm des deutschen Bauernkrieges. Bereits zuvor stellten die Aufständischen vielerorts Artikel zusammen, mit denen sie ihre Forderungen kundgaben. Das Memminger Programm brachte in diesem Zusammenhang dann sozusagen die von lokalen und regionalen Belangen unvermischten, übergreifenden Anliegen und Forderungen zum Ausdruck. Dank der technischen Neuerung des Buchdrucks sowie entsandter Boten und reisenden Buchhändlern gelangten die „Zwölf Artikel“ rasch von Ort zu Ort und erlangten eine schnelle und weite Verbreitung. Allenthalben stimmten die Bauern den erstmals einheitlich zu Papier gebrachten Forderungen der Bewegung zu.

Die drei großen Bauernhaufen in Franken wiederum luden nach Heilbronn zu einer Beratung über die Perspektive in Deutschland nach dem Sieg der Bauern ein und entwarfen hierzu das „Heilbronner Programm“. Zu dieser „Heilbronner Beratung“ kam es indes nicht mehr. Trotz stetem Anwachsen der Bauernhaufen und ihrem realen Machtpotential wurden die Bauernheere, strategisch fehlerhaft getrennt kämpfend, bekanntlich geschlagen – sprich: zu Zehntausenden niedergemetzelt bzw. zur Abschreckung und um ein Exempel zu statuieren viehisch gefoltert und aufs Schafott geführt.

Der Bedeutung der „Zwölf Artikel“ als programmatischen Katalysator zur geschichtlich wirksamen Kraft und sozialem und demokratischem Kampfprogramm der Überwindung des wirtschaftlich und politisch überlebten Feudalismus tut dies gleichviel keinerlei Abbruch. Im Gegenteil. Die Insurrektion und die „Artikel der aufständischen Bauern“ markieren historisch vielmehr den Höhepunkt der frühbürgerlichen Revolution, die bereits plebejische Züge aufwies.

Die „Zwölf Artikel der aufständischen Bauern:

  1. Das Recht der Gemeinden zur Wahl und Absetzung der Pfarrer.
  2. Der „Zehnt“, also eine zehnprozentige Kornsteuer, soll ausschließlich zur Versorgung der Pfarrer, für die Armen und zur Landesverteidigung verwendet werden. Der „Kleine Zehnt“, also eine erweiterte Steuer, beispielsweise auf Obst, Gemüse und Kleinvieh, soll abgeschafft werden.
  3. Aufhebung der Leibeigenschaft.
  4. Die Freigabe von Jagd und Fischerei. (Jagd und Fischerei müssen allen zugänglich sein.)
  5. Die Rückgabe der Wälder und Forsten. (Freies Holz aus den Wäldern.)
  6. Die Reduzierung der Dienste.
  7. Die Einhaltung der Bestimmungen der Lehensbriefe. (Darüber hinausgehende Dienste sind zu bezahlen.)
  8. Eine Festlegung der Abgaben so, dass für den Bauern ein ausreichender Tageslohn übrig bleibt.
  9. Eine Neuregelung der Strafen für Gesetzesüberschreitungen. (Keine juristische Willkür.)
  10. Die Rückgabe von Allmenden (gemeinsames Gemeindeland samt Gemeindewaldungen), die von weltlichen Herrschern konfisziert worden waren, „zu unsern gemeinen Händen“.
  11. Abschaffung der Todfallabgabe, also der Abgaben, die nach dem Tod eines abhängigen Bauern dem Grundherrn zustehen.
  12. Vorbehalt, dass Forderungen geändert, gestrichen oder ergänzt werden können, falls das „Recht Gottes“ (in sozialrevolutionärer Lesart) dies erfordere. Dies schloss die Möglichkeit weiterer sozialrevolutionärer Umgestaltung ein.

Zu ihnen sei – leicht ergänzt – abschließend dem bekannten linken Politikwissenschafter Johannes Agnoli, der jüngst seinen 100. Geburtstag gehabt hätte, das Wort gegeben:

Die Forderungen der aufständischen Bauern galten überwiegend dem Leben in der Gemeinde, der freien Gemeinde im ursprünglichen Sinn des Wortes. Schon der erste Artikel ist ein Signal der gesellschaftspolitischen Umwälzung: Der Pfarrer soll von der Gemeinde gewählt, aber auch wieder abgewählt werden können, „wann er sich ungepürlich hielt“.

Der zweite Artikel geht auf eine radikale Veränderung der sozioökonomischen Struktur der Gemeinde und betrifft das Etatrecht; es geht um das Problem des Zehnten. Aus dem Zehnten werden der Pfarrer und seine Familie durchaus ausreichend bezahlt, aus dem Rest wollen die Bauern zwei Fonds machen. Er soll zunächst an die Armen verteilt werden, „so im selben Dorf vorhanden seiend“. Hier handelt es sich im Grunde um die Übersetzung des moralischen Prinzips der Caritas in eine ökonomische Forderung. Was noch übrigbleibt, soll in eine allgemeine Gemeindekasse fließen, woraus diejenigen bezahlt werden, die kein Land haben oder – moderner gesprochen – arbeitslos sind, an die, die emigrieren müssen: Die Reisekosten werden von der Gemeinde übernommen – bzw. fließen in die Verteidigung.

Im dritten Artikel stellen die Bauern die Forderung, dass „wir frei seien und wollen sein“ für alle, das heißt: die Forderung nach Freiheit, aber als Forderung nach Rechtsgleichheit. Es sollen Gebote, Gesetze, geschaffen werden, die für alle gelten und nicht nur für die Oberschicht der Gesellschaft; die Gesetze galten nämlich nur für die Herren, die Knechte waren ihnen gesetzlos ausgeliefert.

Gegen dieses Prinzip richtet sich der vierte der Artikel, der die Gleichheit proklamiert – in einer noch rohen Fassung, die durch die fast durchweg agrarische Wirklichkeit der Gesellschaft geprägt war –, aber in einer Form, die durchaus, auch später, eine große Rolle spielte: die Gleichheit im Naturnutzungsrecht. Die Bauern forderten das gleiche Jagd- und Fischereirecht, und sie forderten darüber hinaus das Holzrecht, das dann im 19. Jahrhundert noch bei Marx und an der Mosel eine große Rolle spielen sollte. Denn zu Beginn des 19. Jahrhunderts, gerade in Folge des sich ausbreitenden Kapitalismus, wurde in Preußen das Holzdiebstahlsgesetzt erlassen: Das Recht eines jeden wurde rückgängig gemacht, sich das Feuerholz gratis aus dem Wald zu holen.

Der siebte Artikel ist einer der wichtigsten: Es wird hier schlicht und einfach die Abschaffung der Leibeigenschaft und der Fronarbeit gefordert – die Bauern verlangen bare Zahlung.

Der neunte Artikel klingt schon wie eine Forderung nach dem, was man landläufig Rechtsstaatlichkeit nennt – und zwar bezogen auf die besondere Form der Gesellschaft: Bestimmte Gesetze sollen so herrschen, dass die Strafe verhängt wird „nach Gestalt der Sache und nicht nach uns“, das heißt nicht willkürlich. Mit anderen Worten, hier wird Anbindung der Strafe an den Sachverhalt, an den Straftatbestand verlangt.

Der zwölfte Artikel schloss, wie bereits betont, die Möglichkeit weiterer sozialrevolutionärer Umgestaltung ein. Bis hin zu Thomas Müntzers wie des radikalen, linken Flügels Lesart der Verwirklichung des „göttlichen Rechts“ auf Erden.

Der Kommunismus in der revolutionären Bauern- und Massenbewegung und ihrer herausragendsten Vertreter des linken Flügels 1524-1526

„Ideologische Grundlage der Aufständischen wurde“ so, mit Hans Hautmann gesprochen, „das ‚göttliche Recht‘, eine auf einem sozialrevolutionären Verständnis des Evangeliums beruhende Naturrechtsauffassung.“ „Es entstanden“, nochmals mit Hautmann, „`Christliche Vereinigungen‘ oder ‚Verbündnisse‘ als Organe der Machtausübung durch die Aufständischen, nachdem die feudalen Obrigkeiten verjagt oder ausgeschaltet worden waren.“ Auf die Frage, welche Ordnung Müntzer sich vorstelle anstatt des Eigentums der Herren und Fürsten, antwortete er: Die Empörung habe man darum gemacht, „dass die Christenheit soll ganz gleich werden.“ Wie er denn die neue Ordnung dann einrichten wollte? wiederum, gab er in diesem Verhör nach zwölftägigen bestialischer Foltertortour „mit demselben Mut …, mit dem er gelebt hatte“ (Friedrich Engels) zu Protokoll: „Habens auf die Weise richten wollen: omnia sunt communia“, alles ist gemeinsam, gemeinschaftlich, sprich: Alle Güter sind Gemeinbesitz.

Entsprechend lässt sich mit Hautmann denn auch zusammenfassen: „Müntzers Ideologie war eine kommunistische, weil als Kern der sozialen Frage die Ausbeutung und als Weg zu ihrer Überwindung [als politische Form] die Liquidierung der Ausbeuter als Klasse erkannt wurde. Sie war die erste moderne kommunistische Ideologie, insofern sie zum frühesten möglichen Zeitpunkt, im Morgengrauen des Kapitalismus, erspäht und erlitten wurde“ – und im Eigentum die „Grundsuppe“ ausmachte. Daraufhin wurde er am 27. Mai enthauptet. Sein Leib wurde aufgespießt und der Kopf auf einen Pfahl gesteckt.

Inspiration und Erbe

Parallel, wiewohl nur äußerst locker mit der revolutionären Erhebung in Deutschland verbunden, traten 1525 dann ebenso die Bauern Tirols unter Führung Michael Gaismaiers, eines gleichermaßen herausragenden Vertreters des radikalen Flügels der sozialrevolutionären Bauernbewegung, in den Aufstand – der sich schnell und kraftvoll auf zahlreiche weitere Bundesländer ausweitete. Nahezu exakt 100 Jahre später – 1626 – fand die heimische revolutionäre Erhebung der Bauernschaft dann unter Stefan Fadinger in Oberösterreich nochmals einen abschließenden Höhepunkt. Und so zieht sich die große geschichtliche Linie des sozialrevolutionären Kampfes und seiner Theoriegeschichte denn auch von Müntzers „Volksreformation“, über Gaismaiers „Landesordnung“, zu Fadingers Programm bis ins Hier und Heute. Inklusive der historischen Staffelübergabe der frühbürgerlichen Bewegung der Bauernschaft an die revolutionäre Arbeiter:innenbewegung, oder in den Worten des Florian-Geyer-Lieds:

„Die Enkel (und Enkelinnen) fechten’s besser aus“!

Bild: wikipedia/Martin Egg

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