5 Jahre Schwarz-Grün: eine wirtschafts­politische Bilanz

Der Nationalrats-Wahltag brachte das im Vorfeld prognostizierte Ergebnis: Eine mit einer krachenden Klatsche erfolgte Abwahl von Schwarz-Grün, eine SPÖ im Wachkoma und mit der FPÖ auf erstmaligen Platz 1 eine abermalige einschneidende Verschiebung im und des politischen Koordinatensystems. Fragen die uns die nächsten Wochen und Monate in ihren Folgewirkungen natürlich noch im Detail beschäftigen werden. Daher zum Auftakt zunächst eine kurze wirtschaftspolitische Bilanz aus der Feder von Philipp Gerhartinger, dem Leiter der Wirtschafts- und Verteilungspolitik der AK OÖ, als dahingehende Bilanz sowie als Ausgangspunkt (leicht gekürzt aus A&W).

Die Legislaturperiode der schwarz-grünen Bundesregierung hat sich ihrem Ende zugeneigt. Wirtschaftspolitisch ist die Bilanz nach fünf Jahren alles andere als positiv. Spitzenränge hat Österreich lediglich in negativer Hinsicht erreicht. Daher ist ein politischer Kurswechsel notwendig. Eine progressive Wirtschaftspolitik …, wenn auch unter erschwerten Vorzeichen. Noch steht Österreich mit der Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrie aber gut da.

Die Regierung hinterlässt schlechte wirtschaftliche Fundamentalwerte, gepaart mit einer prekären Budgetsituation. Egal ob Inflation, Wirtschaftswachstum, Wachstumsaussichten, Arbeitslosigkeit, Armut, öffentliche Finanzen oder Einkommensentwicklung, Österreich liegt alles andere als gut im Rennen. Auch vor dem Hintergrund großer internationaler Krisen ist vieles hausgemacht: Andere Länder sind deutlich besser durch die Krisen der vergangenen Jahre geschifft worden.

Preise sind gestiegen und bleiben hoch

Auch wenn sich die Regierung aktuell Monat für Monat dafür feiern lässt, dass die Inflationsrate zurückgeht, liegt Österreich immer noch im Spitzenfeld der Eurozone. Und obwohl die Inflation sinkt, bleibt das Preisniveau weiterhin hoch. Bis Ende 2023 fiel die kumulierte Inflation seit 2020 in Österreich um fast 4 Prozentpunkte höher aus als der Durchschnitt der Eurozone. Auch 2024 wies Österreich teilweise noch Inflationswerte jenseits der 4 Prozent auf, während sich viele EU-Länder schon nahe der 2-Prozent-Marke befanden. Die hohen Preise sind für alle Menschen in Österreich spürbar. Immer mehr Haushalte kommen gar nicht mehr über die Runden. Laut Statistik Austria geben 35 Prozent der Bevölkerung an, dass sie mit ihrem Einkommen schlechter auskommen als im Vorjahr. Gründe dafür sind vor allem die gestiegenen Wohn-, Energie- und Lebensmittelpreise.

Daten der Statistik Austria zeigen auch, dass 2023 bereits 29 Prozent der Haushalte durch Wohnkosten finanziell schwer belastet waren. Gegenüber 2021 stieg der Anteil der Haushalte mit starker Wohnkostenbelastung laut EU-SILC um 16 Prozentpunkte an. Auch der AK-Wohnzufriedenheitsindex verdeutlicht, dass Wohnen für immer mehr Menschen zur großen Belastung wird. Aktuell muss bereits jeder fünfte Arbeitnehmer:innenhaushalt in Oberösterreich fürs Wohnen über 30 Prozent des Einkommens bezahlen.

Gerade jene Bevölkerungsgruppen, deren Kaufkraft nicht durch … Verhandlungsergebnisse der Gewerkschaften gesichert werden konnte, wie z. B. arbeitslose Menschen, leiden besonders unter den stark gestiegenen Preisen. 2023 stieg die Zahl der Menschen in absoluter Armut sehr stark an: auf 336.000 Personen (3,7 Prozent der Bevölkerung), verglichen mit 201.000 Personen (2,3 Prozent) im Jahr davor.

Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit

Laut aktuellen Zahlen der Statistik Austria sank das BIP in Österreich im 2. Quartal 2024 gegenüber dem Vorquartal um 0,4 Prozent; ein Minus im Vergleich zum Vorjahresquartal von 0,6 Prozent. Die Dynamik hat sich dabei etwas verlangsamt. Wertschöpfungseinbußen sind in der Industrie (-3,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal), im Handel (-2,3 Prozent), in der Land- und Forstwirtschaft (-5,2 Prozent), im Verkehr (-1,6 Prozent), in der Bauwirtschaft (-0,3 Prozent) und in den sonstigen Dienstleistungen (-3,1 Prozent) zu verzeichnen. Am stärksten expandieren konnten die Finanz- und Versicherungsdienstleistungen (3,5 Prozent). Besonders auffällig ist auch die problematische Entwicklung des privaten Konsums.

Auch der Blick in die Zukunft ist nicht viel besser. Die letzte Konjunkturprognose 2/2024 des WIFO deutet nach der Rezession im vergangenen Jahr im laufenden Jahr 2024 zwar auf eine Phase der Stagnation hin. Eine noch aktuellere Schätzung der Oesterreichischen Nationalbank geht jedoch bereits erneut von einem Minus von 0,7 Prozent aus. Laut Umfragen sind jedenfalls sowohl die privaten Haushalte als auch die Unternehmen nach wie vor stark verunsichert. Erst 2025 ist wieder von Wachstum (+1,5 Prozent laut WIFO; +1,0 Prozent laut OeNB) auszugehen – und das, während die EU bereits 2024 um 1,1 Prozent und die Eurozone um 0,9 Prozent wachsen. Die OECD sieht in ihrem Economic Outlook von Mai Österreich für 2025 beim prognostizierten BIP-Wachstum auf dem viertniedrigsten Platz innerhalb der OECD.

Die schlechte wirtschaftliche Performance schlägt sich mittlerweile auch in steigenden Arbeitslosenzahlen nieder. Die Arbeitsmarktdaten für August zeigen, dass es bundesweit ein geringfügiges Beschäftigungsminus gibt. Das Industriebundesland Oberösterreich spürt das schon länger. Die österreichweite Beschäftigung bei Männern sinkt deutlich (-0,9 Prozent), während sie bei Frauen weiter steigt (+0,6 Prozent). Die Arbeitslosenquote stieg um 0,6 Prozentpunkte auf mittlerweile 6,7 Prozent.

Staatsfinanzen und Budgetregeln

Auch die öffentlichen Finanzen, welche die Regierung hinterlässt, bringen große Herausforderungen mit sich. Die Frühjahrsprognose des Fiskalrats verdeutlicht, dass die EU-Fiskalregeln von Österreich in den nächsten Jahren höchstwahrscheinlich verfehlt werden. 2024 wird die 3-Prozent-Marke der EU mit einem gesamtstaatlichen Defizit von voraussichtlich 3,4 Prozent deutlich überschritten. Auch mittelfristig wird von einer Überschreitung der Defizitobergrenze ausgegangen und ein Anstieg der Schuldenquote erwartet. Damit bleibt auch die Schuldenquote über dem EU-Grenzwert. Es besteht faktischer Handlungsbedarf für die nächste Regierung: Sie wird unmittelbar nach der Regierungsbildung der EU-Kommission ihre Konsolidierungspläne vorlegen müssen. Eine dringende Frage, die sich die nächste Regierung, egal welcher Couleur, wird stellen müssen, lautet: Wer soll die Rechnung bezahlen?

Ausgehungerte Gemeinden

Noch drastischer ist die Finanzsituation der Gemeinden. Das Zentrum für Verwaltungsforschung KDZ hat zuletzt in seiner Gemeindefinanzprognose festgehalten, dass die Einnahmen-Ausgaben-Schere, mit der Österreichs Gemeinden konfrontiert sind, immer weiter aufgeht. Die Umlagenbelastung der Gemeinden hat ein kritisches Maß überschritten und wird sich in den kommenden Jahren noch verschlimmern: Bis 2027 werden von einem Euro an Gemeinde-Ertragsanteilen nach Abzug der Umlagen nur noch durchschnittlich 40 Cent für die Gemeinde übrig bleiben. Damit ist teilweise nicht einmal mehr die Finanzierung des laufenden Betriebs gesichert. So wird die öffentliche Daseinsvorsorge aufs Spiel gesetzt, laufende Leistungskürzungen werden riskiert und der Rückstau an Investitionen in Lebensqualität und Zukunft in den Regionen wird verschärft.

Vieles ist hausgemacht

Die Regierung war – trotz zahlreicher Aufrufe – nicht bereit, echte Preiseingriffe zu unternehmen. Ideologische Scheuklappen haben verhindert, dass die Inflation bei der Wurzel angepackt wurde und gar nicht erst in jene luftigen Höhen stieg, welche in Österreich an der Tagesordnung standen. Der internationale Vergleich zeigt, dass es auch anders möglich gewesen wäre. Zahlreiche EU-Länder haben preispolitisch eingegriffen und so die Inflation halbwegs in Zaum gehalten. Die österreichische Bundesregierung hat auf schnell verpuffende Einmalzahlungen gesetzt. Maßnahmen wie der Stromkostenzuschuss („Strompreisbremse“) und die Mietpreisbremse kamen deutlich zu spät und blieben durch Konstruktionsfehler in ihrer Wirkung beschränkt. Es waren eben keine echten Preisdeckel.

Ein Glück für viele Unternehmen, welche im Fahrwasser der ungezügelten Inflation ihre Gewinne ausdehnen konnten. Die Politik mangelnder Preiseingriffe war eben auch eine Politik, welche darauf verzichtet hat, mächtige Lobbys in ihrer Gewinnausweitung in die Schranken zu weisen. Ein Kniefall vor den Energiekonzernen, vor dem Vermietungssektor (welcher vielfach ohnedies sehr gut durch die Krisen gekommen ist) und zuletzt auch vor der Gastronomie, wo die Preise immer noch überdurchschnittlich stark ansteigen.

Die Oesterreichische Nationalbank belegt in einer Studie, dass die zunächst stark gestiegenen Importpreise – insbesondere für Energie und verarbeitete Güter – Auslöser der Inflation waren. Im nächsten Schritt waren es, beginnend mit Mitte des Jahres 2022, steigende Unternehmensgewinne: zu Beginn hauptsächlich im Energiesektor, später aber auch in anderen Sektoren. Stärkere Lohnzuwächse hingegen sind gewissermaßen nur das zeitverzögerte Spiegelbild der hohen Inflation.

Die Phase der ungezügelten Gewinn-Preis-Spirale folgte dabei unmittelbar auf die Corona-Krise und damit auf eine Zeit, in der die Regierung viele Unternehmen stark überfördert hat. Manche Unternehmen konnten selbst in dieser historischen Krisenphase ihre Gewinne ausdehnen.

Nicht zuletzt hat sich die Regierung auf EU-Ebene vehement für ein besonders strenges Budget-Regelwerk eingesetzt. Ein Bumerang, zumal Österreich die Regeln selbst nicht erfüllen wird. Das nimmt Österreich auch mittel- und langfristig sehr viel Spielraum für notwendige Zukunftsinvestitionen. Die völlig unnötige Senkung der Körperschaftsteuer von 25 auf 23 Prozent kostet den Fiskus rund eine Milliarde jährlich und trägt so ein Übriges dazu bei. Außerdem verschärft die Senkung die ohnedies überdurchschnittlich große Schieflage im österreichischen Steuersystem zusätzlich.

Alternativen lagen dabei in allen Politikbereichen immer auf dem Tisch. Auch die Arbeiterkammer hat zahlreiche Reformvorschläge vorgelegt. Sie wurden nur selten von der Regierung beachtet.

Mittel- und langfristige Wettbewerbsfähigkeit

Trotz der düsteren wirtschaftspolitischen Bilanz der Regierung steht das Land aufgrund einer guten Ausgangslage noch relativ gut da. Österreich liegt laut Daten von AMECO bei der Investitionstätigkeit immer noch im europäischen Spitzenfeld. Die Bruttoanlageninvestitionen lagen in Österreich 2023 noch bei 24,7 Prozent, im Schnitt der Euro-Länder nur bei 21,6 Prozent und in Deutschland bei 21,5 Prozent des BIP. Betrachtet man die für die Wettbewerbsfähigkeit so zentrale längere Frist, dann sogar mit leichtem Aufstieg im Ranking. Die Unternehmen scheinen den Standort Österreich nach wie vor und trotz der Schwierigkeiten der letzten Jahre für sehr gut zu halten, sonst würden sie hier nicht so viel investieren, auch wenn die aktuelle Konjunkturlage in Österreich wie auch in der EU einen markanten Rückgang der Investitionen mit sich bringt. 2023 lag auch die Industrieproduktion, trotz Rückgangs in den letzten eineinhalb Jahren, immer noch um rund ein Viertel höher als 2015. Der Anstieg fiel im Durchschnitt der EU mit unter 10 Prozent sehr viel niedriger aus als hierzulande. In Deutschland gab es im selben Zeitraum einen Rückgang. Auch die Warenexporte stiegen hierzulande seit 2015 auf mittlerweile fast 60 Prozent des BIP (ein Anstieg von fast 6 Prozentpunkten).

Um auch weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es in Zukunft auch energiepolitische Maßnahmen. Weder die EU noch die Bundesregierung konnten bisher die Versorgung mit kritischen Energieinputs (z. B. Erdgas) auf eine robuste Basis stellen. Billige Energie ist jedoch eine der Voraussetzungen dafür, dass Industrien auch langfristige Perspektiven am Standort Österreich haben.

Fazit

Die nächste Regierung müsste eigentlich sich um eine wirtschafts- und sozialpolitisch sinnvolle Art der Budgetgestaltung kümmern. Ein Kürzungskurs in – für Arbeitnehmer:innen und die ganze Gesellschaft – wichtigen Bereichen wie Gesundheit, Pflege oder Bildung muss verhindert werden; in Wahrheit werden in zahlreichen Bereichen zusätzliche Mittel benötigt. Vielmehr sollten für eine gerechte Finanzierung unseres Wohlfahrtsstaats faire Beiträge jener eingefordert werden, die es sich leisten können. Beispielsweise durch die Rücknahme von Gewinnsteuergeschenken, eine Millionärssteuer oder eine Wertschöpfungsabgabe. Bei den Mieten braucht es – auch rückwirkend – eine Beschränkung bzw. Deckelung und ein deutliches Plus im Bereich des gemeinnützigen Wohnbaus.

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