Am 4. Februar 2000, diesen Dienstag vor exakt 25 Jahren, übernahm in politisch einschneidender Zäsur erstmals ein schwarz-blaues Kabinett das Regierungsruder in der Republik. Noch am Vormittag der Angelobung versammelten sich über 10.000 Menschen vor der Hofburg. Um dem wütenden Protest zu entgehen, musste sich die schwarz-blaue Regierungsriege des Kabinetts Schüssel und der Haider-FPÖ bekanntlich unterirdisch in die Präsidentschaftskanzlei begeben. In den darauffolgenden Tagen und Wochen gingen in ganz Österreich Hunderttausende gegen die rechts-außen Regierung auf die Straße. Nach der tiefen innenpolitischen Zäsur 2000-2006 folgte 2017-2019 dann eine erneute schwarz-blaue Koalition unter Kurz und Strache. Beide Koalitionsregierungen gingen aufgrund von blauen Turbulenzen bzw. Skandalen vorzeitig in die Brüche. Allerdings: politisch gestürzt oder abgewählt wurden die sozialreaktionären, rechtspopulistischen Regierungen hierzulande bislang noch nie. Ein Umstand, der seinen Widerschein darin findet, dass die FPÖ bei den letzten Wahlen erstmals stimmenstärkste Partei wurde und die bisherigen schwarz-blauen Regierungen, soweit voraussehbar, nur das Vorspiel zur ersten Rechtsregierung Österreichs unter FPÖ-Kanzlerschaft markierten. Damit steht dem Land – flankiert von einem weltweiten Aufbranden und Aufstieg der Rechten quer durch Europa und über den Globus – erstmals seit der Befreiung vom Faschismus 1945 ein rechtsextremer Kanzler ins Haus. Umso unumgänglicher, über die vielfach stark gefühlsbetonte moralische Ablehnung hinaus, die politische Lage im Land und international ein Stück breiter auszuleuchten.
Daher gleich eingangs drei vielsagende, aktuelle Splitter zur politischen Lage: Anfang vorletzter Woche trat Donald Trump bekanntlich seine 2. Präsidentschaft in den USA an und überschüttete das Land sogleich mit einer regelrechten Lawine reaktionärer Dekrete – unter anderem die millionenfachen Abschiebung von Immigrant:innen. In Österreich haben sich im Koalitionspoker um die nächste Regierung annähernd zeitgleich die Wirtschaftsvertreter der Industriellenvereinigung, der Wirtschaftskammer und des Wirtschaftsflügels der ÖVP durchgesetzt und Blau-Schwarz auf den Koalitionsweg gebracht. Diese wiederum schnürten in Windeseile sogleich ein massives Belastungspakete in der Höhe von 6,4 Mrd. Euro für 2025. Und das ist erst der Anfang. Da die angestrebte Sparstiftpolitik bei einem Gesamtvolumen von 18 bis 24 Mrd. Euro lieg und auf 7 Jahre ausgelegt ist, werden die nächsten Jahre dann die Sparpaket II, III, IV …. nachgeschoben werden. Damit rollt auf uns die höchste Belastungswelle der Zweiten Republik zu. Parallel erschien letzte Woche ebenso der neue, globale Reichtums-Bericht von Oxfam: Noch nie in der Geschichte gab es weltweit gesehen so wenige Menschen, die einen so großen Anteil des gesamten Reichtums auf sich vereinigten. Und der monströse Reichtum dieser Elite an Dollar-Milliardären wächst immer schneller. Entsprechend vergrößerte sich deren Vermögen letztes Jahr im Schnitt um exorbitante 2 Mio. US-Dollar – am Tag. Das der zehn reichsten Milliardäre dieser Welt sogar um sage und schreibe durchschnittlich 100 Mio. US-Dollar täglich. Dergleichen spiegelt sich auch in den österreichischen Verteilungsverhältnissen wider.
Um das Ganze einmal maximal anschaulich zu machen: Würde die von Oxfam weltweit geforderte Vermögenssteuer alleine nur auf die größten 10 Milliardenvermögen in Österreich eingehoben (also von Porsche/Piëch, über Mark Mateschitz bis Fam. Swarovski), würde sich daraus ein Steuerbeitrag von 5,5 Mrd. Euro ergeben. Anstatt aber diesen Superreichtum heranzuziehen, haben sich die heimischen Wirtschaftsvertreter, „Volkskanzler“ Kickl und sein blauer Klüngel sowie die Figuren des ÖVP-Polit-Personal regelrecht gegen Vermögenssteuern, und sei es auch nur in Schmalspuransätzen, verschworen und demgegenüber besagtes Sparpaket auf Kosten der Bevölkerung gestrickt.
Schon ein kurzer Blick auf die politische Lage diesseits und jenseits des Atlantiks oder auch des Pazifiks genügt bereits um festzustellen: wir befinden uns heute inmitten eines gravierenden politischen Rechtsrucks auf breiter globaler Front, eines sozial-reaktionären Generalangriffs des Kapitals auf unsere Lebens- und Arbeitsinteressen, eines rigorosen Rückbaus des Sozialstaats, sowie eines immer autoritäreren und militaristischen Staatsumbaus. Begleitet von einem immer stärker wütenden Rassismus. All das wurde freilich schon von der sogenannten „politischen Mitte“ diverser Farbzusammensetzungen in Angriff genommen, die als Schreibtischfeldwebel „des Westens“ um die Aufrechterhaltung seiner globalen Vormacht in den letzten Jahren sogar die Linie zur apokalyptischen Gemeingefährlichkeit eines etwaigen Nuklearkriegs überschritten hat. Und auch wenn die „Masterpläne“ der extremen Rechten zur „völkischen Neuordnung der innenpolitischen Ordnung“ („Remigration“) nicht einfach mit der langjährigen Rechtsverschiebung des politischen Koordinatensystems in Österreich und der EU über einen Kamm zu scheren ist: Das Unterfangen, dem Aufstieg der FPÖ in Österreich und der Rechten in Europa dadurch das Wasser abgraben zu wollen, indem man ihr Programm zum eigenen erhebt und deren Agenda einfach selbst durchsetzt (Stichworte etwa „Festung Europa“ oder die sozialrassistischen Zurichtungen des sozialen Netzes), hat zu regelrechten rassistischen Dammbrüchen und einem tiefgreifenden, generellen Rechtsruck geführt – bereits lange vor Friedrich Merz.
Nicht minder unter den Teppich gekehrt und in den erbaulichen Narrativen der „politischen Mitte“ ausgeblendet bleibt im hiesigen Zusammenhang zu alledem, dass die jüngste Diagnose einer zunehmenden „Postdemokratie“ – samt Unterminierung, ja regelrechtem Aushebeln zentraler demokratischer Elemente – schon auf die Jahrhundertwende zum 21. Jh. zurückreicht und seinerzeit die neoliberalen Formen der „Postdemokratie“ im Fokus hatte und anprangerte. So erschien denn bereits 2003 das im politischen Diskurs teils Furore machende gleichnamige Buch des britischen Soziologen Colin Crouch, das 2008 auch auf Deutsch herausgegeben wurde. Also noch am Vorabend, bevor das Tandem des EZB-Präsidenten Mario Draghi und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Kooptierung von Wolfgang Schäuble (als deutschen Finanzminister), Francois Hollande (als Präsident Frankreichs), Jean-Claude Juncker (als EU-Kommissionspräsident) und Donald Tusk (als Präsident des Europäischen Rates) als „ad-hoc-Komitee“ im Stile einer europäischen Selbst-Inthronisierung einfach die Geschicke der EU übernahm und bis in Länder der Union hinein durchregierte.
Die viel beschworene „politische Mitte“ stellt daher nicht nur keine „Brandmauer“ gegen rechts dar, sondern ist vielmehr integraler Teil des gesellschaftlichen Rechtsrucks und Wegbereiter des Aufstiegs der extremen Rechten, mit welcher man – wie auf EU-Kommissionsebene – auch offen das Bündnis eingeht und Arrangements sucht. Dass wir mit dem neuen Machtpotential des Rechtsextremismus vor einer nochmals multiplizierten Stufe der ethnizistischen wie sozialrassistischen Umdeutung des Klassen- und Verteilungskonflikts zwischen Oben und Unten in einen vermeintlichen Verteilungs- und Interessenskonflikt innerhalb der Subalternen, des Rassismus, des Chauvinismus und der Ausländerfeindlichkeit sowie einem nochmals forcierten Erodieren der sozialen Verhältnisse und einem nochmalig kompromissloseren Durchregieren des Kapitals stehen, steht freilich nicht minder außer Frage.
Vielleicht kann man hinsichtlich des weltweit aufbrandenden Rechtsrucks (nach dessen beginnenden Aufschwungs seit Mitte der 1980er Jahre und einer Reihe von Vorspielen wie dem Aufstieg der Forza Italia von Silvio Berlusconi und der Lega Nord unter Umberto Bossi, des Front National Jean-Marie Le Pens, sowie nicht zuletzt der FPÖ unter Jörg Haider in den 1990er Jahren) spätestens das Jahr 2016 als ein gewisses einschneidendes oder zumindest markantes Datum betrachten. In den USA gewann der offen rassistische und frauenfeindliche Reaktionär Donald Trump seine ersten Präsidentschaftswahlen. In Italien erklomm zunächst die Lega Regierungsverantwortung und residiert heute die Postfaschistin Giorgia Meloni. In Brasilien kam im Windschatten des globalen Rechtsrucks der Faschist Jair Bolsonaro ins Amt. In Japan übernahm danach der ultrareaktionäre Fumio Kishida das Ruder. In Österreich hielt Türkis-Blau unter Kurz-Strache Einzug. Und von Spanien, über Frankreich, Holland, Belgien, Deutschland bis ins skandinavische Schweden und Finnland oder der polnischen Ära und Ungarn marschieren seither in neuer Dynamik die Rechte und Rechtsextremen voran. Bereits kurz zuvor, 2014, übernahm in Indien der völkische Hindu-Nationalist Narendra Modi das Ruder und Ende 2023 in Argentinien dann der Rechtspopulist Javier Milei. Am Ende dieses groben Jahrzehnts steht nunmehr auch in Österreich die erstmalige Kanzlerschaft eines Rechtsextremen seit der Befreiung vom Faschismus 1945, Herbert Kickls, bevor …
Teil II folgt am Dienstag, den 4.2.