Der Beginn dieses Aufstiegs der radikalen Rechten und der Rechtsverschiebung in den politischen Systemen, sowie deren Aufschwungsetappe im letzten Jahrzehnt, sind auf das Engste mit der strategischen, neoliberalen Wende des Kapitals sowie mit der manifesten Vielfachkrise des Kapitalismus seit der tiefen Weltwirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 und deren sozialen, politischen und ideologischen Verheerungen verknüpft. Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09, über die Eurokrise 2010/11, die Krise der Reproduktion, die Corona- und Wirtschaftskrise 2020/21, der Rückkehr der Hochinflation 2022/23, über humanitäre Katastrophen, die aktuelle globale Verschuldungskrise, die neuerliche Konjunkturkrise, verschränkt und verstärkt mit der Klimakrise und manifesten Umweltkatastrophen entwickelt sich der Kapitalismus in einer Permanenz und Überlappung von Krisen und steckt in einer veritablen „multiplen Krise“ – die sich bis zur manifesten Krise der politischen Repräsentation spannt. Der Aufstieg der Rechten ist so auch politischer Ausdruck dieser allgemeinen Krise des Spätkapitalismus.
Ohne hier den Fragen nach Friktionen und Bündnis mit dem „herrschenden Block“, der Funktionalität resp. Dysfunktionalität des „rechtsautoritären Nationalismus“ im Gegenwartskapitalismus, zumal vor dem Hintergrund tiefer weltwirtschaftlicher Umbrüche, sowie der sich allenthalben abzeichnenden Arrangements näher nachgehen zu können, klar ist: um auch ans Staatsruder zu gelangen, muss die radikale Rechte, sofern sie wie hier und dort nicht ohnehin die Wunschoption der dominanten Kapitalfraktionen ist, zumindest weitestgehend funktional für die maßgeblichen Interessen des Kapitals sein, die sich im Staat verdichten. So entscheidend etwa das Bestreben der Wirtschaftsvertreter nach einer hart-rechten Koalition in Österreich für die im Gang befindlichen schwarz-blaue Koalitionsverhandlungen war – an deren Ende sie als die eigentlichen Königsmacher Herbert Kickls stünden –, so unschwer zu erkennen ist etwa auch die Funktion Georgia Melonis zur Rosskur Italiens und Abschottung Europas nach Vorgabe Brüssels, ganz zu schweigenvon Donald Trumps „America First“ im neomerkantilen Weltwirtschaftskrieg und Kampf des US-Imperialismus um die Aufrechterhaltung seiner globalen Vorherrschaft. Natürlich annihiliert deren Gelangen an die Staatsmacht nicht weiterhin bestehende Richtungsstreite und ebnet (zumal noch länderspezifisch) nicht alle Friktionen ein. Die politische Machtoption bzw. eine Machtbeteiligung erlangten sie indes allesamt nur mit Hilfe und im Bündnis mit maßgeblichen ökonomischen und gesellschaftlichen Eliten und Flügeln des bürgerlichen Konservatismus.
Was den sozialen Charakter, die Klassenfunktion des sog. Rechtspopulismus, der neuen Rechten, der faschistischen Kräfte alten Stils, sowie des rechtsautoritären Nationalismus anbelangt, kann als geradezu symbolisches Bild herangezogen werden,dass bei der Angelobungsfeier Trumps, Elon Musk (der reichste Mensch der Welt), Amazon-Gründer Jeff Bezos (2018 noch selbst der reichste Mensch der Welt), sowie Facebook-Gründer Mark Zuckerberg (der aktuell 4. Reichste Mensch der Welt), direkt im Kreise der Familie des Immobilienmoguls im Weißen Haus standen. Ein ähnlicher Klüngel, wenn auch im spezifisch alpenländischen Format, wird demnächst wohl auch in Österreich die politische Inthronisierung Herbert Kickls als erstem FPÖ-Kanzler des Landes begleiten – um gramscianisch gesprochen, den projektierten Übergang vom korporatistisch verbrämten Stellungskrieg zum offenen Bewegungskrieg von oben und kapitalistischem Durchregieren zu feiern.
Dem korrespondiert im des Näheren natürlich schattierten Feld der modernisierten radikalen Rechten auch ihr heutiger, über das Scharnier des Sozialdarwinismus geschlagener und mit ihm amalgamierter, programmatischer Neoliberalismus. Als weiterer Ideologiebestand und ideologische Triebkraft der radikalen Rechten in den Staaten des Westens sowie Europas trat mit Prominenz ebenso der abendländische Topos bzw. der abendländische Europäismus eines „wehrhaften Christentums“ hinzu, der sie klassenpolitisch ebenfalls als Ausdruck der „Mitte der Gesellschaft“ lokalisiert. Mit „Mitte der Gesellschaft“ hier wohlverstanden freilich die Machtzentren der Kapitalherrschaft als Ortsbestimmung. Denn, obschon in eins natürlich rechts-außen und nochmals Gefahr eigener Potenz, so sind auch die verhaltensauffälligen Übertreiber bis offen faschistische Figuren dessen politisches Personal.
Damit steht mit den willigen Vollstreckern des Kapitals in Blau-Schwarz eine massive Rechtsverschiebung im und des politischen Systems im Land, ein nochmals multipliziertes neoliberales Projekt und eine weitere Machtverschiebung zugunsten der Kapitalseite ins Haus. Ein Übergang in den „offenen Bewegungskrieg von oben“ (Gramsci) der auch die Gewerkschaften und Arbeiterkammern sowie deren institutionelle Verankerung ins Visier nehmen wird.
Ob und wieweit sich Blau-Schwarz mit ihrem Grusel-Programm durchsetzen, wird sich indes letztlich an den gesellschaftlichen (Klassen-)Kräfteverhältnissen und am realen Widerstand den wir und allen voran die Gewerkschaftsbewegung als Gesamtes ihnen entgegensetzen entscheiden. Umso unumgänglicher ist denn auch die Wiederherstellung der Klassenfunktion der Gewerkschaften und ihre Umwandlung in ein Kampfinstrument der Arbeitenden
Wir stehen damit im Land zugleich an einem Scheideweg. Denn ein „Weiter so wie bisher“ – der gemeinsame Nenner der „politischen Mitte“ –, hat sich auch in den Augen immer breiterer Massen restlos blamiert: angesichts des immer weiteren Abrutschens der sozialen Verhältnisse, sinkender Einkommen und des Hereinstürmens ständig neuer Krisen, des immer stärkeren Aufstieg an ökonomischer Kriegsführung als einer neben oder zum Schießkrieg bevorzugten Waffe des Imperialismus mit seinem Amoklauf an Sanktionsgefechten und kurz vor einer Explosion des Pulverfasses stehender Eskalation an Handelskriegen, sowie der gegenwärtigen Welt(um)ordnungskrieg und dessen regionaler Glieder (samt deren Tendenz zu Flächenbränden bis hin zu einem neuen, großen heißen Krieg). Die sozialen Interessen sowie wachsenden Zukunftssorgen der Arbeitenden und breiter Bevölkerungsmehrheiten verlangen daher umso entschiedener nach einer tiefgreifenden sozialen und demokratischen Wende sowie einem integrativen, antirassistischen, antipatriarchalen, friedenspolitischen Ausweg unter einer damit einhergehenden Perspektive einer (zumindest etappenweisen) Öffnung des Weges zum Sozialismus.