KOMintern im Interview zu Lohnsteuerkampgne

Foto: Junge Welt
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»In Österreich wird Arbeit sehr hoch besteuert«

Wien: Gewerkschaftsbund fordert Lohnsteuersenkungen. Schlechte Tarifabschlüsse werden so vertuscht. Ein Gespräch mit Gerhard Mack
Interview: Johannes Supe
Interview der Tageszeitung „Junge Welt“ (www.jungewelt.de) mit dem politischen Sekretär von KOMintern über die aktuelle Lohnsteuerkampagne des ÖGB
In wenigen Monaten haben in Ihrem Land fast 730.000 Menschen die Forderung des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) nach einer Senkung der Lohnsteuer unterschrieben. Worum geht es dabei?
Das ist Teil der »Lohnsteuer runter«-Kampagne, die der ÖGB im Juli gestartet hat. Der Eingangssteuersatz soll von 36,5 Prozent auf 25 Prozent gesenkt werden. Außerdem will man mehrere Steuerstufen hinzufügen, was eine Abflachung der kalten Progression bedeutet, andererseits jedoch das breite Hineingleiten in nächsthöhere Steuerstufen vervielfachen wird. Insgesamt wünscht sich der ÖGB so eine Entlastung um etwa sechs Milliarden Euro, die aber nur partiell durch Erbschafts- und eventuell Vermögenssteuern gegenfinanziert werden sollen.
Ausgegeben wurde das als »größte Kampagne des ÖGB«. Tatsächlich sind aber vor allem Unterschriften gesammelt und Inserate geschaltet worden. Im Grunde ist es damit nun auch vorbei. Am 18. September fand eine österreichische Betriebsrätekonferenz mit 5.000 Teilnehmern statt. Jetzt folgen wohl nur noch Inserate.
Die Idee einer Steuerreform sorgt in Österreich seit längerem für Aufruhr und führte im August sogar zum Rücktritt des Vizekanzlers Michael Spindelegger (ÖVP). Warum kocht das Thema so hoch?
Es gibt Umfragen, die sagen, dass Steuererleichterungen das innenpolitische Thema Nummer eins sind. Denn in Österreich wird Arbeit sehr hoch besteuert, Reichtum dagegen praktisch nicht. Noch dazu haben wir Jahre des Reallohnverlusts hinter uns. Das ist spürbar, und die Hunderttausende Unterschriften zeigen ja auch, dass die Sache den Leuten unter den Nägeln brennt.
Trotz dieser Aktualität wirft Ihre Organisation dem ÖGB vor, den Arbeitenden einen »Bärendienst« zu erweisen.
Im Modell, das der ÖGB vorschlägt, gibt es im Grunde keine wirkliche Entlastung der durchschnittlichen Beschäftigten. Haben sie beispielsweise ein Monatseinkommen von 2.000 Euro, was in Österreich etwa dem durchschnittlichen Lohn eines Facharbeiters entspricht, werden sie bereits wieder mit 34 Prozent besteuert. Eine solche Steuersenkung ist natürlich kaum hilfreich. Auf der anderen Seite wird mal wieder den Bestverdienern zugearbeitet: Der ÖGB fordert die Ansetzung des Höchststeuersatzes erst ab 80.000 Euro Jahresverdienst statt wie bisher ab 60.000 Euro.
Ist es nicht zunächst einmal begrüßenswert, dass der Gewerkschaftsbund Hunderttausende Menschen mobilisiert?
Dass der ÖGB die Initiative ergriffen hat und österreichweit eine Kampagne führt, ist positiv und schärft auch das Bewusstsein der Menschen. Gesehen haben wir aber eine typisch österreichische Gewerkschaftspolitik: Statt die Kollegen zu mobilisieren und Betriebsversammlungen abzuhalten, blieb es beim Unterschriftensammeln, sowohl über das Internet als auch offline.
Außerdem gibt es eine Kehrseite dieser Kampagne. Es stehen die Lohnrunden an. Auf der zentralen Betriebsrätekonferenz haben die Forderungen diesbezüglich aber überhaupt keine Rolle mehr gespielt. Vor drei Jahren haben die Metaller nach Streiks noch mit einem Plus von fast fünf Prozent abgeschlossen, im Vorjahr mit 2,8 Prozent – und nun fordert der ÖGB nur noch 2,5 Prozent. Es läuft auf einen Abschluss um die zwei Prozent mehr in diesem Kollektivvertrag hinaus. Das kaschiert der Gewerkschaftsbund mit Verweis auf Lohnsteuersenkungen. Die müsse man zu etwaigen Lohnerhöhungen hinzurechnen, werden sie sagen. Im Grunde legt dieses Vorgehen die gesamten Kollektivvertragsverhandlungen im Lande lahm.
»Jetzt liegt’s an der Regierung«, heißt die aktuelle Losung des ÖGB. Wie wahrscheinlich ist es, dass SPÖ und ÖVP die Gewerkschaftspläne umsetzen?
Ohne Druck von der Straße und aus den Betrieben wird das nichts. Es hat eine Regierungsklausur gegeben, die nur von fünf Milliarden an Steuersenkungen spricht. Zugleich will Finanzminister Hans Jörg Schelling von der Österreichischen Volkspartei Entlastungen frühestens ab 2016, die Gewerkschaften verlangen sie ab Beginn des nächsten Jahres. Eine große damit einhergehende Gefahr ist, dass die Steuersenkungen von einer Streichorgie im öffentlichen Bereich begleitet werden. Dann dürften sich die Arbeitenden ihre Steuersenkung wieder selbst finanzieren.
Direktlink zum Interview auf www.jungewelt.de

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